Keith
„Weißt du was bei Ivory los ist?", fragte Nolan mich, während wir zum Trainingsgelände liefen. „Ja, ich weiß, was los ist", antwortete ich ihm ehrlich. „Aber du wirst mir natürlich nichts sagen, was los ist." Ich schüttelte den Kopf. „Das ist nicht meine Aufgabe. Wenn Ivy mir im Vertrauen etwas erzählt, dann werde ich das nicht weitersagen." So sehr ich Nolan auch vertraute, ich würde ihm nicht erzählen, was Ivory erlebt hatte. Das würde sie schon tun, wenn sie es für den richtigen Zeitpunkt hielt. Vielleicht würde sie es den Jungs niemals erzählen, dann wäre das vollkommen in Ordnung. Das war Ivorys Geschichte und auch nur sie sollte ihre Geschichte erzählen. Nicht ich, nicht Ashton. Niemand anderes. „Alles gut. Die Hauptsache ist, dass sie sich jemandem anvertraut und mit der Sache nicht allein ist", sagte Nolan zu mir. „Aber der Typ eben war mir trotzdem mehr als suspekt. Also falls ich doch irgendwas machen kann, was hilft oder so, dann sag es mir, Keith", fügte er hinzu. Ich war mir sicher, dass ich irgendwann auf Nolans Angebot zurückkommen würde. Solange Ivorys Ex noch hier in der Stadt war, war äußerste Vorsicht geboten, denn wer weiß zu was er alles fähig ist. Ja, ich wusste, dass Ivy auf sich selbst aufpassen konnte, aber es wäre sicherer, wenn jemand von uns zumindest immer in der Nähe ist. Als Nolan und ich in der Kabine ankamen, waren wir fast die letzten. Bis auf Ashton waren alle schon da, teilweise auch schon umgezogen draußen auf dem Feld. Wir begrüßten kurz Cooper und Ace, bevor wir zu unseren Plätzen gingen, um uns umzuziehen. Gar keine allzu lange Zeit später, gesellte sich schließlich Ash zu uns, der uns direkt erzählte, dass er Ivory auf die Tribüne verfrachtet hatte, damit sie nicht allein zu Hause saß. „Wie geht es ihr?", fragte ich meinen besten Freund, als wir als aller letztes die Kabine verließen, um raus aufs Trainingsgelände zu laufen. „Es wühlt sie glaube ich mehr auf, als sie zugeben möchte. Unser Dad wollte in den nächsten Tagen mal vorbeikommen. Wenn alles gut läuft, dann ist alles schneller geklärt, als wir jetzt noch denken", antwortete Ash mir. Das hörte sich doch mal nach einem Licht am Ende des Tunnels an.
Sobald der Coach anfing zu sprechen und ich den ersten Football fing, war ich mit meinen Gedanken ausnahmsweise nicht mehr bei Ivory, sondern voll und ganz beim Football. Selbst die Tatsache, dass sie auf der Tribüne saß und uns zuschaute, konnte daran nichts ändern. Football war einer der größten und wichtigsten Bestandteile meines Lebens, das war so, seitdem ich klein war und würde vermutlich für immer so bleiben. Sobald ich auf dem Feld stand, war ich in meinem Element und das blieb so lange so, bis der letzte Ball gefangen war. Heute verging das Training innerhalb eines Wimpernschlages und schneller als ich gucken konnte, machten sich die ersten Jungs schon wieder zurück auf den Weg in die Kabine. Anstatt ihnen zu folgen, lief ich zur Ivory, die in der zweiten Reihe auf der Tribüne saß und als sie sah, dass ich auf sie zukam, stand sie auf und kam mir entgegen. „Glaubst du es ist dumm, wenn ich es den Jungs erzähle?", fragte Ivy mich, als wir schließlich direkt voreinander standen. „Du meinst von deiner Vergangenheit?", hakte ich nach. Sie nickte. „Wenn du denkst, dass es das Richtige ist und du dich dazu bereit fühlst, dann sehe ich kein Problem daran", antwortete ich ihr. „Ich möchte es den Jungs erzählen, aber ich habe trotzdem Angst, dass sie mich danach verurteilen." Ich konnte ihre Sorgen verstehen. Immerhin erzählte Ivory keine Kleinigkeit, sondern etwas, was ihr Leben auf eine drastische Art und Weise verändert hatte. „Wenn du möchtest, dann kann ich den Jungs sagen, dass sie noch in der Kabine bleiben sollen, außer du möchtest es ihnen lieber bei uns in der Wohnung erzählen. Ich glaube du musst dir keine Sorge um ihre Reaktion machen." „Ich glaube es ist am besten, wenn ich es ihnen gleich hier erzähle, vielleicht habe ich später nicht mehr genug Mut dazu", sagte sie nachdenklich. „Okay, soll Ashton auch hierbleiben?", wollte ich von ihr wissen. „Ich glaube nicht, dass er mich nach den heutigen Ereignissen einfach so allein lässt, also wird er wohl dabei sein", antwortete sie mir. Damit würde sie wohl Recht haben. Ash würde seine kleine Schwester wohl erst dann allein lassen, wenn er sich zu 101 Prozent sicher war, dass es ihr gut ging. „Lass uns reingehen. Wenn es für dich okay ist, dann könntest du einfach vor der Kabine warten", sagte ich zu Ivy.
Nachdem bis auf die Jungs und mich alle anderen aus dem Team die Kabine verlassen hatten, holte ich Ivory in die Kabine. Sie war nervös, das merkte ich schon daran, wie sehr sie sich an meine Hand klammerte. „Alles wird gut", flüsterte ich ihr zu, als wir uns hinsetzten. Die Jungs saßen alle jeweils auf ihrem Platz. Ivy atmete tief durch, dann fing sie damit an den Jungs genau das zu erzählen, was sie mir vor einigen Tagen erzählt hatte. Die ganze Zeit über hielt ich ihre Hand fest in meiner, in der Hoffnung ihr so etwas Halt geben zu können. In den Gesichtern der Jungs erkannte ich pures Entsetzen darüber, was ihr passiert war. Als sie zu dem Part kam, wo sie erzählte, was aktuell los war, fing Ivy bitterlich an zu weinen. Irgendwann nahm ich sie einfach in die Arme, denn ich konnte nicht dabei zu sehen, wie sie vor mir einfach zusammenbrach. Während Ivy sich so sehr an mich klammerte, als ob ihr Überleben von mir abhängen würde, verließen die Jungs die Kabine, dabei symbolisierten sie mir jedoch, dass sie draußen auf uns warten würden. Ich sah Ashton an, wie schwer es ihm fiel ebenfalls die Kabine zu verlassen. In seinen Augen spiegelte sich so viel Schmerz, als er erst Ivy und dann mich anschaute. Ash nickte mir zu, bevor er als letzter der Jungs die Kabine verließ. Als sie kurze Zeit später ihren Blick anhob, wischte ich ihr einige Tränen aus dem Gesicht. „Die Jungs warten draußen auf uns. Aber wir gehen erst raus, wenn du dich dazu bereit fühlst, okay?", sagte ich zu ihr, was sie mit einem Nicken beantwortete. „Ich bin verdammt stolz auf dich. Du bist unglaublich stark, Ivy." Ich schloss Ivy noch etwas fester in meine Arme, bevor sie mir schließlich mitteilte, dass sie raus zu den anderen wollte. Wie schon angekündigt warteten die Jungs vor der Kabine auf uns und sobald wir herauskamen, wurde Ivory von Nolan in eine feste und lange Umarmung gezogen. Nolan flüsterte ihr etwas ins Ohr, was dafür sorgte, dass ihr wieder einige Tränen über die Wange liefen, jedoch lächelte sie dabei, also ging ich davon aus, dass er nichts Schlimmes zu ihr gesagt hatte. Ace und Cooper nahmen Ivy jeweils auch in die Arme, bevor sie schließlich in den Armen ihres großen Bruder landete, der sie so fest umarmte, als ob er ihr damit all den Schmerz abnehmen konnte.

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Strong Side
Romansa*Triggerwarnung, diese Geschichte enthält sensible Inhalte* Als Ivory nach San Francisco zieht, hat sie genau ein Ziel. Ihr altes Leben endgültig hinter sich lassen. Sie zieht in die alte WG ihres Bruders und lebt dort gemeinsam mit Keith, dem beste...