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Ich glaube ich war ein einziges mal verliebt gewesen, als ich noch ganz jung war. Timothy Royce war mein ganz persönlicher Funken gewesen, der einzige der mich verstand.
Aber er ist in Darcia zurück geblieben, kurz bevor der Krieg ausbrach..."

[Erzählungen von Charity Black an ihren Sohn, Adrian Refugee Februar 1980]

Charity Black

Darcia, Eileen
Bäckerei, Phantomgassen
Oktober, 1945

Eine einzige Reibung, ein einziger Funken reichte, damit aus ihrem Feuerzeug eine Flamme kam. Mit großen Augen betrachtete sie das rot orangene Etwas und pustete es aus, nur um es dann erneut anzuknipsen.

Nach ihrem Gespräch, hatten die Black Schwestern panisch angefangen alles zusammenzupacken, was Lydia brauchen würde, was sich als peinlich wenig erwies.
Sie wollte nur ihren roten Lippenstift, den braunen Mantel und weitere wahllose Kleidungsstücke mitnehmen. Mehr nicht.
Charity hatte zwischen ihre Kleider noch ein Bild von ihr Leyla und Teddy geschoben, falls ihre Schwester sie vermissen sollte. Und insgeheim hoffte sie, dass Lydia sich umentschied und hier blieb.
Sie hatte Veränderungen noch nie gemocht, weder in der Politik, noch in der Familie oder sonst irgendwo. Alles sollte einfach so bleiben, wie es war.

Und nun saß sie wie sie oft im Hinterhof der Bäckerei und wartete auf Timothy.
Der Himmel war noch etwas dunkel und die Luft stickig, aber nicht weniger als sonst. Auf dem Weg hierher hatte sie mitbekommen, dass irgendwas in Block F passiert war, entschied sich jedoch lieber in die entgegengesetzte Richtung zu laufen.
Ihre Nasenspitze war rot angelaufen und sie fröstelte etwas, als Timothy durch den Hintereingang zu ihr trat. Um seine Hüfte war eine Schürze gebunden, in seiner Hand hielt er eine von ihren Zigaretten.
Charity lächelte, ging auf ihn zu und hielt im das Feuer hin.
Ihr Herz stoppte als er ihr nähe kam und sie seinen Atmen im Gesicht spüren konnte. Er zog kurz und lehnte sich dann gegen die Wand neben sie, so, dass ihre Schultern sich berührten.
„Ein scheiß Tag?", fragte er schließlich und pustete den Rauch in die Luft.
Charity schnalzte mit der Zunge, „Nein, eigentlich ein guter Tag. Aber ich mag keine guten Tage."

Beide schwiegen weiter und sahen dann in den Himmel. Sie wollte sich für ihre Schwester freuen, sie aber auch gleichzeitig hassen, dass sie einfach ging. Hätte sie selbst die Chance gehabt, wäre sie gegangen oder geblieben?
„Es ist Lydia oder?", fragte Royce schließlich und stieß sich von der Wand ab.
Charity lachte auf legte ihren Kopf in den Nacken. Sie genoss die Kälte, die mit ihren dürren Fingern über ihr Gesicht fuhr und ihr Leben einhauchte. „Warum muss es immer um Lydia gehen?", stöhnte sie genervt auf und öffnete wieder die Augen. Royce hatte ihr den Rücken zugewendet und schob mit seinem Fuß eine leere Flasche herum. „Neider sind hässlich, schon gewusst?", fragte er dann, als er sich zu ihr umdrehte.
Charity grinste wieder, „Genauso wie Klugscheißer..."
Sie setzte sich auf eine der Kisten und schlug ihre Beine übereinander. Royce ging auf sie zu und legte ihr eine Hand um die Schulter, „Aber, hättest du die Chance, die sie hat, würdest du nicht auch von hier verschwinden wollen?"
Charity dachte nach. Sie hatte das Leben nie als so schlimm empfunden. Unglücklich war sie, ja, aber sie könnte nicht von hier weg.

Sie würde die Wohnblocks vermissen, den Geruch von verfaulten Gemüse und sogar das Vogelnest, indem jeden Frühling Tauben vor ihrem Fenster brüteten.
Es waren keine schönen Erinnerungen, aber es waren ihre persönlichen Erinnerungen.
Sie würde Leyla vermissen, Teddy und sogar ihre Mutter.
„Ist es denn eine Chance?", antwortete sie mit einer Gegenfrage, „Wer sagt, dass es da draußen nicht schlimmer ist?"¹
Ihr Gegenüber schwieg einige Sekunden.
„Schlimmer als hier geht es nicht."
Charity verdrehte ihre Augen, „Das Böse hat noch nie Grenzen gekannt...Ich würde Darcia nie verlassen. Außerdem, und das ist hier die wahre Frage: Wer würde mit mir gehen?"
Grinsend drückte Royce seine Zigarette aus und kramte in seiner Hosentasche rum.
Kleine Lachfalten hatten sich auf seinem Gesicht gebildet, die sie ungewollt dazu brachten ebenfalls zu grinsen. Sein Lächeln wurde breiter als er endlich das gefunden hatte was er wollte und ihr triumphierend vor die Nase hielt.
„Ich würde mit dir gehen", sagte er dann glücklich und fing an an der Büroklammer herumfummeln, „Wir bleiben einfach in Darcia bis alle anderen verschwinden und irgendwann sind nur noch wir hier."
Charity lachte über seine Worte und erinnerte sich wieder, dass gute Tage nicht ganz so scheiße waren.
Sie betrachtete Royce Gesicht weiter und dachte kurz darüber nach wie sich seine Lippen wohl anfühlten. Waren sich weich? Wie würde es wohl sein ihn zu küssen?

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