„Ihr solltet keine Angst vor dem Krieg haben. Viel schlimmer ist das was danach kommt."
[Eine Krankenschwester, Juli 1979, zu Kindern in einem Notbunker]
Eileen, Darcia
An der Mauer
1979, JuliDie Augen seiner Mutter waren voller Trauer gewesen.
Manche hatten erzählt, dass als er weinend auf die Welt kam, seine Mutter ebenfalls geweint hatte: Aus Enttäuschung.
Denn das war er schon immer gewesen.
Enttäuschend.
Nicht ausreichend.Es war also eins Befriedigung gewesen, dass die Kinder nach ihm ebenfalls eine Enttäuschung waren. Aber hier und jetzt auf dem Schlachtfeld war er jemand großes. Er führte die Truppen über die Mauer und brachte jeden um, der sich ihm in den Weg stellte.
Und er genoss es wie alle anderen um ihn herum "Das Monster" tuschelten, wenn sie dachten er könnte sie nicht hören.
Aber er hörte sie, so wie er alles immer gehört hatte.
Wie seine Mutter jede Nacht geweint hatte und darum flehte der Krieg möge aufhören. Und er wollte ihr diesen Wunsch erfüllen, sie glücklich machen, nur dieses einzige mal.„Los!", schrie er vom Panzer aus und grinste als er bereits die Rauchwolken in der Ferne sehen konnte, die sich wie eine riesige Hand um Darcia ausbreitete.
Er musste leicht husten, fasste sich aber schnell und sah mit tränenden Augen auf die Trümmer um sich herum.
Davon hatte er immer geträumt. Seit er ein kleines Kind war, hatte er davon geträumt die Mauer zu sprengen, die ihn vom Rest der Welt getrennt hatte. Und jetzt wollte er den umbringen, der sie erbaut hatte, den Mann, der von allen nur November genannt wurde.
„Creek du verdammtes Genie!", rief jemand in der Ferne, und brachte ihn abermals zum lachen.
Es war sein Verdienst, ganz alleine seiner, dass sie heute hier standen. Männer deren Namen er nicht kannte hoben ihre Fäuste in die Luft und stiegen in den Jubel mit ein.
Es war seine Idee, seine Soldaten und sein Herzblut, dass in diesem Plan steckte.
Und niemand konnte ihm das nehmen. Keine Mauer, kein November und nicht einmal Gott. Das alles gehörte ihm, von den zurückgebliebenen Toten auf dem Boden bis hin zu den schwarzen Rauch am Himmel. Alles seins.Er dachte an seine Eltern, welche einst ebenfalls hierfür gebrannt hatten, an seine Schwester und vielleicht zum allerersten mal an seine Frau.
Das Mädchen, dass eine so innige Liebe zu ihm hegte dass es fast schon erbärmlich war. Und manchmal machte er sich Vorwürfe ihr keine Liebe zurück geben zu können.
Aber er lebte nicht für seine Frau, nicht für die Liebe und nicht einmal für seine Kinder. Er lebte einzig allein für den Krieg. Für die Rache und Gerechtigkeit.Und dann mit einem mal, traf ihn ein Schuss und sein Lächeln erstarb.
Es war nicht der Schuss einer Kugel, sondern der des Erkenntnisses. Der Mann sah auf seine Hand hinunter, seine Uniform und dann auf die Waffe in seinem Gürtel. Es war so, als hätte er von der verbotenen Frucht gegessen und nun sehen was er eigentlich tat.
Ihm wurde bewusst, dass der Krieg, für den er gelebt hatte, jetzt zu Ende gehen würde.
Und damit auch der Sinn seiner Existenz. Seine Beine fühlten sich mir einem mal so schwach an, als könnten sie die Last dieses Wissens nicht tragen und drohten wie die Mauer vor ihnen zusammen zu brechen.
Der junge Mann umfasste den Griff an der Panzerluke kräftiger, da er Angst hatte hinunter zu fallen...vielleicht konnte er aber auch einfach nicht los lassen. Denn der Krieg war immer für ihn da gewesen, sein treuer Lebensgefährte.Er sah hoch zum Himmel, ein Gemälde aus schwarzen und roten Wolken, gemischt mit dunklen Fliegern, welche die Luft zerrissen und weiße Streifen der Hoffnung zurück ließen.
Die vielen Soldaten auf dem Boden, die wütend die Mauer stürmten, die Unterdrückten, die sich das zurückholten was ihnen zustand.
Ihr Zuhause, ihre Familie, ihr Leben. Sie schrien, weinten und manche schossen wie wild um sich, in Hoffnung ihre Wut würde zusammen mit den Magazinen weniger werden.Aber das alles war sein zuhause und sein Leben.
Ihre Schreie, ihre Trauer und ihre Wut war alles was er hatte. Er kannte nichts anderes als den Krieg, hatte sich daran gewöhnt mit Kleidung und einer Waffe unter dem Kissen zu schlafen, falls sie Nachts abhauen mussten.
Er hatte sich an den Geschmack von Eintopf und kalten Gulasch gewöhnt, sowie dem Hungergefühl dass ihn so oft geplagt hatte.
Er hatte sich an das Weinen seiner Mutter gewöhnt und ihre leise geflüsterten Gebete an Gott.
Was würde sie jetzt machen?
Wie sollte er jeden Abend einschlafen, ohne ihr schluchzen, den fernen Geräuschen von Flugbomben und den schreien der Menschen?Vage erinnerte er sich an das Spiel, dass seine Schwester und er als Kind gespielt hatten.
Rettet Eileen hatten sie es genannt.
Einer musste der Führer sein, der andere ein mutiger Creek Soldat.
Genau wie jetzt hatten sie die Mauer gestürmt, Panzer gefahren und den Führer getötet. Und dann hatte das Spiel geendet.
Denn danach, nach dem großen Sieg gab es nichts mehr.Seine Kehle schnürte sich langsam zu, als würde das Schicksal die Fäden enger ziehen wollen, bis er vom Himmel baumelte, wie die Deserteure, die sie wenige Meter von hier gehängt hatten.
Und für einen Moment beneidete er sie, alle die während des Krieges gestorben waren.
Diejenigen, die das Ende des Krieges nie miterlebt hatten, waren die wahren Sieger.Ein einzelner Mann stürmte ihnen entgegen, mit einer weißen Flagge in der Hand. Feigling.
Weiter hinten wo eine Barrikade stand, sah er eine Gruppe von Kindern und Frauen mit weißen Kitteln, Ein Not Lazarett.
Der Mann lief direkt auf den Panzer zu, ohne Angst oder einem Anzeichen von Furcht. Und er fragte sich, wie ein Feigling furchtlos sein konnte.
„Bitte wir ergeben uns, hier sind Kinder die dringend Versorgung brauchen!"Seine Mutter hatte ihm gepredigt dass Gotteshäuser und Krankenlager in Kriegen nie angegriffen wurden.
Und ohne zu wissen warum erfasste ihn eine Furcht, die er zuvor noch nie gekannt hatte.
Er hob klopfte drei mal an die Panzerhaube, damit sie stoppte und sprang dann hinunter auf das Feld, wo der Boden bereits matschig war.„Bitte, wir ergeben uns", redete der Mann weiter und hob die Arme nach oben.
Das Gesicht des Fremden war so furchtlos, dass er ihn fast beneidete.
Er grinste, fasste mit einer Hand zu seinem Gürtel und zog seine geliebte Walther PPK, um sie dem Mann gegen die Schläfe zu halten.
Die Hände des jungen Creeks zitterten und seine Augen sahen verschwommen, jedoch war er entschlossen.
Er würde seinem Gegenüber einen Gefallen tun und ihn das Ende den Krieges nicht erleben lassen. Das Gesicht des anderes war immer noch ohne Angst oder Reue.Und dann, als er hörte wie eines der Kinder zu weinen anfing, drückte er ab.
Kleine Blutsprenkel, so warm wie die Sonne im Frühling, trafen sein Gesicht und schmückten ihn wie einen Orden.
Genüsslich leckte er sich über die Lippen und schloss seine Augen, um den Nachhall des Schusses zu genießen.Er würde alles dafür geben, dass dieser Krieg nie enden würde.
Egal wie viele er heute umbringen würde, es war ihm egal. Er würde es tun.
Für sein eigenes Leben, die Träume seiner Schwester und das Weinen seiner Mutter.
Kriege sollten nie enden.
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November
FantasyIm Jahr 1945, brechen auf den Straßen Darcias Unruhen aus, als Hercai Creek mit Lydia Black abhaut. Seit jenem Tag scheinen alle Augen auf Theodore, Lydias jüngeren Bruder zu liegen, der versucht die Neugierde der Straßenmenschen zu seinen Gunsten...