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Ich war nie sauber genug. Egal wie oft ich mich gewaschen habe, die Leute ekelten sich immer vor mir. Und ich habe mich auch vor mir geekelt, vor mir und meinen Gefühlen.“

[Aussage von Jonas Piccadilly an Dr. George Harrys, 1946]

Jonas Piccadilly

Darcia, Eileen
Piccadilly Zirkus, Platz 13
Oktober, 1945

Ein Baby bleibt genau neun Monate im Mutterleib und entwickelt sich von einem Embryo bis hin zu einem Säugling.
Zwischen Mutter und Baby entsteht ein hormoneller Bindungspfad, der so einzigartig sein soll, wie die Entstehung des Babys.

Über die Nabelschnur erhält ein Kind alle lebensnotwendigen Nährstoffe und hat so auch einen direkten Zugang zu der emotionalen Gefühlswelt. Die Plazenta leitet Hormone an das Kind weiter, wodurch es tief in die Erlebens- und Gefühlswelt der Mutter eintaucht. Alles was sie fühlt, fühlt es auch.

Die Gefühlswelt von Jonas Mutter war immer kalt gewesen, eiskalt. An manchen Tagen, ihren guten Tagen, verbrachten sie Zeit zusammen und sie lächelte sogar.
Aber auf jeden guten Tag folgte ein schlechter Monat und Jonas befand sich momentan mitten drinnen.

Er sah von Weitem schon seine Mutter, mit den langen schwarzen Haaren die in Winde her wehten, wie peitschende Äste in einer Gewitternacht.

„Es riecht immer noch etwas", stellte Sierra fest, als sie durch den Torbogen liefen.
Jonas seufzte nur und schwieg. Verdammter Rasputin.
„Wie kann es überhaupt überall nach ihm riechen, wenn er schon längst im schwarzen Meer schwimmen sollte?", fragte Aries dann und ignorierte die Blicke der anderen, als sie den Platz passierten.
Alle drei spürten die vorwurfsvollen Blicke, mit denen sie taxiert wurden, jedoch verstand Jonas immer noch nicht, warum genau es seine Schuld war.

Er blieb einige Meter vor seiner Mutter stehen, die ihn immer noch kritisch ansah.
Hinter ihr stand Vincent, der schuldbewusst auf den Boden blickte, daneben Cailan, mit roten, angeschwollenen Augen.
Er hatte geweint. Definitiv.
Jonas sah weiter nach rechts, zum Zelt hin, an dessen Wänden er die Schatten von Personen ausmachen konnte. Eine Hand schob sich durch den Schlitz der Vorhänge und sein Vater trat heraus. Ein Gefühl von trockenheit machte sich in seinem Hals breit, als wäre eine Dürre aufgetreten, die ihn nun schlucken ließ.
Marlon Piccadilly ließ den Blick über die Anwesenden schweifen, und blieb dann bei Jonas stehen. Letzterer erschreckte sich, wie ähnlich sie sich eigentlich sahen. Mit der einzigen Ausnahme, das die Haare seines Vaters von einem viel kräftigeren Rot waren, als seine.
Und in der Sekunde schienen sie vor Wut zu brennen, in kurzen wirren Flammen.
„Wo zum Teufel wart ihr?", fragte er seinen Sohn aufgebracht. Jonas ging einen Schritt zurück und antwortete nicht.
Marlon Piccadilly erhob nicht oft die Stimme, aber wenn er es tat, folgte immer eine Hand.
Jonas zuckte nur mit den Schultern und sah ihm dann in die Augen, „In der Stadt."
Er bemerkte wie seine Mutter im Hintergrund die Arme verschränkt hatte und Marlon kritisch fokussierte. Ihre Lippen waren zu einer schmalen Linie verzogen.
Sein Vater erhob die Hand, hielt sie kurz in der Luft, ballte sie dann aber zu einer Faust und ließ sie wieder sinken.
„Ich habe das mit Putin gehört, es tut mir leid. War mein Fehler", gab er dann von sich, auch wenn er ganz genau wusste, dass es nicht stimmte.
Aber es würde niemanden interessieren, also warum sollte er nicht das sagen, was sie hören wollten? Sein Vater nickte bei der Aussage, ging dann die letzten Schritten auf ihn zu und packte ihn fest an der Schulter.
Für einen Moment dachte Jonas, er würde in Flammen stehen, wagte es aber nicht irgendetwas zu machen.
Er sah auf die knubbeligen Finger hinab, die seine Schulter berührten, betrachtete den Dreck unter den Fingernägeln und die winzig hellen Haare an den Fingerkuppen.
Jede einzelne Pore schien sichtbar zu sein und der austretende Schweiß brannte ihn wie Höllenfeuer nieder.
Es war schlimmer als der Geruch. „Das nächste mal, wenn du eine Aufgabe bekommst", fing er dann an und hob mahnend den Finger, „erledigst du sie sofort, verstanden?"

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