Kapitel 16

10 3 1
                                    

„Hast du Sophie zum Geburtstag gratuliert? Von meinem Handy aus?"
Leon und ich saßen beim Abendessen und aßen den Fisch, den er uns gefangen hatte, mit Reis.
Er sah von seinem Teller auf, der Blick stutzig.
„Hattest du dein Handy nicht verloren?"
„Ich habe es gefunden. Es war in der hinteren Couchritze. Ich dachte, ich hätte da gestern schon nachgesehen, anscheinend doch nicht. Irgendjemand hat Sophie aber gratuliert. Von meinem Handy. Und ich war es nicht."
Leon aß weiter und zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung, ich hab ihr auch nicht geschrieben. Ich wusste nicht mal, wo dein Smartphone ist."
„Aber jemand war es. Wenn ich es nicht war, kannst es nur du gewesen sein", erwiderte ich energisch.
Ich war mir vollkommen bewusst darüber, wie verrückt das klingen musste. Aber das war mir egal. Ich musste es klären. Sonst würde ich noch durchdrehen.
„Vermutlich bist du erneut geschlafwandelt?", antwortete Leon.
„Geschlafwandelt und dabei Sophie zum Geburtstag gratuliert? Ich glaube nicht, dass ich das kann, während ich eigentlich schlafe."
„Hey keine Ahnung, was man kann und was nicht, während man schlafwandelt. Man hört doch immer wieder von den verrücktesten Geschichten. Hast du schonmal von dem einen gehört, der beim Schlafwandeln gekocht haben soll? Und ich habe sogar Stories gehört, da haben Schlafwandler jemanden umgebracht!" Leon wackelte mit den Augenbrauen und grinste mich an. Möglicherweise hatte ich Sophie im Schlaf gratuliert, weil es mich so beschäftigt hatte? Aber woher hätte ich wissen können, wo sich das Handy befand? Und warum sollte ich es danach in die Couchritze stecken? Und warum hätte ich etwas schreiben sollen, was ich normalerweise so niemals sagen würde? Die Gratulation hatte so gar nicht nach mir geklungen.
Überhaupt konnte ich immer noch nicht glauben, dass ich schlafwandeln soll. Nur wer hatte dann die Nachricht von meinem Handy geschickt?
Dumpfer Schmerz breitete sich in meinem Kopf von hinten nach vorne aus. Mir wurde schwindlig und schwarz vor Augen. Ich atmete tief ein und aus. Die ganzen Erlebnisse im Haus waren zu viel.
„Hast du eine Schmerztablette hier?", fragte ich, während ich mit meinen Fingern meine Schläfen massierte.
„Alles in Ordnung, Anna?", kam Leons besorgte Gegenfrage.
„Nein, nicht wirklich. Ich habe Kopfschmerzen. Ich glaube, die letzten Tage waren einfach zu viel. Ich denke, ich lege mich gleich ins Bett. Schlaf wird mir guttun."
Leon nickte mir zu, stand auf und ging ins Bad. Ein wenig später kam er mit einer Tablette zurück. Er füllte mir ein Glas mit Wasser.
„Hier, nimm die. Dann geht es dir besser."
Dankend nahm ich sie an. Der brummende Schmerz war unerträglich. Es fühlte sich so an, als würde jemand mit tausenden, kleinen Nadeln auf meinen Kopf einstechen. Ich stand auf, schlurfte schwerfällig ins Bad und machte mich bettfertig. Als ich wiederkam, wartete Leon im Schlafzimmer auf mich.
„Brauchst du noch irgendetwas?"
„Nein danke, alles gut. Ich hoffe, die Kopfschmerzen gehen gleich weg."
Mir wurde schwarz vor Augen und ich musste mich an der Wand festhalten. Ich blinzelte, versuchte, zu mir zu kommen und klar zu sehen. Nach einer Weile waren das Bett und mein Freund vor mir weniger verschwommen. Ich legte mich unter die Decke, kuschelte mich ein und schloss die Augen. Leons Lippen drückten sich gegen meine Stirn.
„Schlaf gut, mein Engel", kam entfernt seine Stimme.

~~~~~~~~~~

Ich schlug die Augen auf. In der Dunkelheit leuchtete das Nachtlicht. Neben mir hörte ich Leons regelmäßiges Atmen. Wie spät war es? Ich griff zum Nachttisch und dachte für einen Moment, ich hätte mein Handy schon wieder verloren. Aber da war es. Ich drückte kurz auf den seitlichen Knopf des Smartphones – 3:30 Uhr. Nach wie vor keine Antwort von Sophie und immer noch kein Internetempfang. Ich sollte Leon nach einem Hotspot fragen, sodass ich das Highspeedvolumen erhöhen konnte. Daran hatte ich gestern Abend nicht gedacht. Ich schloss nochmal die Augen. Meine Gedanken wanderten umher und landeten bei Sascha und dem Ring, den ich gefunden hatte. Ich wälzte mich im Bett hin und her. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Ich musste raus. Nachdem ich meine Hausschuhe und ein dünnes Jäckchen angezogen hatte, öffnete ich die Schlafzimmertür so leise wie möglich, um Leon nicht zu wecken.
Das Wohnzimmer wurde von den Sternen und vom Mond leicht erleuchtet. Hier gab es keine Vorhänge und auch keine Rollläden. Bei der Haustür angekommen, drückte ich die Klinge herunter. Nichts passierte. Die Tür blieb verschlossen. Ich drückte noch einmal. Nichts. Ich war eingesperrt!

EntzweitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt