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„Das sagst du jetzt", kicherte der Blonde vor sich hin. Doch hielten ihn meine Worte nicht davon ab, dass er seinen Arm um mich legte und mich somit näher an sich zog. Manchmal sagte er sowas nur um mich zu ärgern oder weil er verlegen war. Vielleicht war es auch eine Mischung aus beidem dieses Mal, um die Sache herunterzuspielen. Anstatt auf ihn sauer zu sein, verweilte ich einfach in meiner Position und stieß Luft aus, sah wieder in den Himmel.

„Du weißt, dass ich stolz auf dich bin und du wirklich stark bist? Und jetzt komm mir nicht, dass es Stärkere als dich gibt. Du weißt, dass ich auf sowas nicht anspringe.", durchbrach er dann die Stille und versuchte mich zu ermutigen. Wobei ich ihm viel lieber sagen würde, dass ich alles andere als das war. In meinen Augen weinte ich einfach zu viel, ich war nicht mutig genug und mich durchsetzen, konnte ich auch nicht. Ich war zu gutmütig und wollte niemanden fordern. Es machte sich schon darin bemerkbar, dass ich andere nie korrigierte, wenn sie mich bei meinem richtigen Namen ansprachen. Meine Eltern fanden es sogar etwas komisch, dass mich Rachel die ganze Zeit Lix nannte, obwohl es nur zwei Buchstaben waren, die man sich sparen konnte. In ihren Augen war es eine kleine Albernheit, die im Erwachsenenalter nachließ. Mein Name brauchte in ihren Augen einfach keinen Spitznamen, weil Felix kurz genug war.

Stattdessen hätten sie auch einfach fragen können, wieso Rachel mich so nannte. Nur würde dann mein Outing viel schneller kommen, als es mir lieb war und wirklich abnehmen, konnte es mir auch niemand. Es war in meinen Augen nicht etwas, was man einfach so beiläufig erwähnte, sondern brauchte es einen passenden Moment. Nur gab es diesen wirklich oder war es nur wieder eine erneute Ausrede, um sich vor etwas drücken, was langsam fällig wurde?

„Wieso sollte ich stark sein, wenn ich mich ständig drücke zu meinen Eltern ehrlich zu sein? Theoretisch haben sie das Recht zu wissen, was in mir vorgeht... Nur wie soll ich ihnen erklären, dass ich alles an mir hasse? Meine Stimme, meine kurzen Haare, meinen Körper... einfach alles." Tränen stießen mir in die Augen, ich hob meinen Kopf und zog die Decke dichter um meinen Körper, als wollte ich ihn damit vollends verstecken wollten. Ich war mir nicht einmal sicher, wann genau dieser extreme Selbsthass und die Verabscheuung meines Körpers angefangen hatte. Das erste Mal kam mir in den Sinn, als ich realisierte, dass meine Stimme immer tiefer wurde und ich mit der vergehenden Zeit hoffte, dass sie nicht noch tiefer wurde. Nun hatte ich eine Stimme, die nicht zu mir passte und die einige im ersten Moment etwas überraschte, wenn ich die Stimme erhob. Oftmals erwischte ich mich aber dabei, wie ich absichtlich die Stimme anhob, damit sie nicht ganz so tief klang. Das wiederum hatte aber zum Nachteil, dass ich ab und an mit Halsschmerzen zu kämpfen hatte, sowie dumme Kommentare meiner Klassenkameraden, die mich leider auch nachmachen mussten, wenn ich so sprach.

„Ich bin mir sicher, dass die Akzeptanz mit der Zeit kommt. Vielleicht bevor du es deinen Eltern sagst oder erst danach. Aber sie wird kommen... Schließlich hast du nur diesen einen Körper mit dem du machen kannst, was du möchtest und niemand sollte die vorschreiben, was du mit ihm machen sollst und was nicht. Du sollst dich darin wohlfühlen, auch wenn sich das wahrscheinlich wie ein Märchen anhört und du es jetzt nicht so siehst."

Meine Finger krallten sich in den Stoff meines Oberteils, dass ich beinahe Angst bekam, das meine Fingernägel schmerzhafter Weise abbrachen. Nur wusste ich nicht, wie ich damit umgehen sollte. Gerade wurde mir bewusst, dass ich die ganze Zeit zu optimistisch war zu denken, dass mich meine Zweifel heute nicht heimsuchten. Es war wie jeder andere Tag auch. Als würde am Ende kein Weg daran vorbei führen, darüber nachzudenken, wie grausam ich mich in meinem Körper fühlte ohne überhaupt in einen Spiegel gesehen zu haben. Ich gab wirklich mein Bestes diesen ständigen Hass nicht aufkommen zu lassen, letztlich überfuhr er mich aber dennoch und schien mich derartig zu überrollen, dass es schon peinlich war, was Leute von mir denken mussten, wenn sie von meinen Gedanken auch nur im Geringsten wüssten. Wahrscheinlich dachten sie, ich geierte nach Aufmerksamkeit. Ich übertrieb dermaßen und steigerte mich in Dinge hinein, die banal in ihren Augen waren. Nur verstanden diejenigen auch nicht, wie es sich anfühlte in den Spiegel zu sehen und man sich derartig fremd und falsch vorkam. Jedoch wusste man, dass man die Person war, die man sich selbst gerade sah und am Ende kam nur noch Ekel und Verabscheuung in einem auf.

„Aber ich will diesen Körper nicht haben... Ich hasse ihn so sehr, Chan.", brachte ich nur noch als letztes hervor, ehe ich vollends in Tränen erstickte.

𝗦𝗲𝗺𝗶𝗰𝗼𝗹𝗼𝗻 ✧ CHANLIXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt