Etwa zehn Minuten hatte ich im Bad gestanden, mit mir gehadert, ob ich mich abschminken oder ob ich das Make-up auf meinem Gesicht lassen sollte. Der Gedanke, dass sich Jungs theoretisch nicht schminken sollten, ließ mich nicht los und zugleich hatte ich eine gewisse Art an Mut gewonnen, weil Chan so rausgehen würde, wie er jetzt aussah. Also war es auch nicht allzu falsch, wenn ich es ihm gleichtat, oder? Nervös biss ich mir erneut auf die Lippen, die langsam ziemlich trocken wurde und atmete noch einmal tief durch, um einen klaren Gedanken zu fassen in meinem viel zu chaotischen Kopf, der mir nie Ruhe ließ.
„Scheiß drauf" Somit machte ich kehrt und ignorierte den Fakt, dass ich es wirklich in Erwägung gezogen hatte, mich abzuschminken. Eines Tages musste ich anfangen mutig zu sein. Konnte mich nicht immer zu hinter den Erwartung meiner Mitmenschen verstecken, die ich letztlich nicht einmal erfüllen konnte, weil ich mich nicht darunter zählte. Ich würde zu Grunde gehen, wenn ich mich nicht aus meiner Komfortzone heraus traute. Mit dem Gedanken schloss ich die Badezimmertür auf und trat schnellen Schrittes wieder in Chans Zimmer, der sich seinem Handy gewidmet hatte. Umso verwunderter schien er gewesen zu sein, dass ich genauso aussah, bevor ich sein Zimmer verlassen hatte. Recht schnell wandelte sich sein Lächeln in ein Stolzes, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren.
Es wäre gelogen, wenn ich sagte, dass ich mir keinen Kopf machte, was heute deswegen passieren könnte. Das tat ich mir vollkommen, nur war es auch irgendwie aufregend, etwas zu tun, was ich mich bisher nie so wirklich getraut hatte. Etwas, was ich vielleicht nur Zuhause tat, aber bisher nie in aller Öffentlichkeit. Jedoch war es langsam Zeit aus dem kleinen, viel zu engen Käfig auszubrechen. Auch wenn der Mut nur gemeinsam mit Chan in mir wuchs. Allein hätte ich ihn wohl heute nie gefunden.
„Können wir los?", fragte ich, als wäre alles vollkommen normal. Ohne, dass der Ältere groß darüber nachdachte, nickte er einfach und steckte sein Handy in die Hosentasche. Vorsichtig schob er mich dann vor sich her, damit er mir verdeutlichte, dass wir gehen konnten. Wie immer ging er sicher, dass ich vor ihm weglief, damit er sicher war, dass alles in Ordnung war. Wenn er vorne weglief, konnte die Gefahr bestehen, dass er nicht bemerkte, wie ich zögerte oder ich mich vielleicht sogar vollends davon abhielt und doch einen Schritt zurücktat. Aus Prinzip achtete er oft darauf, wie ich auf gewisse Situationen reagierte und wie er mir dabei helfen konnte. Schon immer tat er es, weil er wusste, wie sensibel ich sein konnte.
„Wenn irgendetwas sein sollte, sag mir bitte Bescheid, okay? Wir können wieder zurückgehen, wenn-" Kichernd legte ich meine Hand auf seine Schulter, strich sie vorsichtig auf und ab, weswegen er sofort innehielt und mich erneut verwundert musterte. Scheinbar machte er sich mehr Sorgen, als ich und das fand ich vollkommen putzig und aufmerksam.
„Natürlich, aber ich habe nicht ganz so viel Angst wie sonst... Heute ist ein guter Tag und den kann mir keiner vermiesen. Vor allem wird es Zeit ein bisschen mutiger zu sein als sonst." Somit streifte ich mir meine Jacke über und schlüpfte in meine Schuhe. Chan schien noch immer überrascht zu sein, weswegen er sich erst dann anzog, als ich bereits fertig war und geduldig auf ihn wartete. Ein Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen. Es waren Kleinigkeiten, die Chan für mich tat, nur hatten sie manchmal eine so große Auswirkung auf mich, dass ich aus dem Nichts unglaublich glücklich war. Nicht ohne Grund hatte ich ihm gestern gesagt, dass er mein zweites Zuhause war. Mein kleiner, persönlicher Ort, an dem ich mich ausruhen und den Stress vergessen konnte. An dem ich mich nicht verstellen brauchte.
Als wir dann heraustraten, wurden wir direkt von einem etwas kühleren Wind begrüßt. Der Himmel war bewölkt. Jedoch nicht so sehr, dass die Sonne noch hervor sah. Mein Lächeln wurde noch einmal breiter, weil es nach einem wirklich perfekten Septemberwetter ausschaute und das unterstrich nochmal meine Worte, dass heute ein guter Tag war. Es konnte eigentlich nichts groß falsch laufen.
„K-Kann ich deine Hand halten?"
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𝗦𝗲𝗺𝗶𝗰𝗼𝗹𝗼𝗻 ✧ CHANLIX
FanfictionFelix ist immer der Junge gewesen, wie man es ihm vorgegeben hat. Ein Rollenbild, welches sich in seinem Kopf noch so falsch anfühlt, während er zu ängstlich ist zu sagen, wieso er am liebsten alles dafür tun will, dass ihn seine Mitmenschen nicht m...