„Uhh seit wann hat selbst mein Bruder Schminke? Das ist ja echt peinlich."
Aus irgendeinem Grund hatte Olivia in meinen Sachen gewühlt, als ich noch bis in den späten Nachmittag hinein in der Schule festsaß. Das Problem war noch nicht einmal, dass sie von meinem kleinen Geheimnis wusste, sondern dass ihr das Wort Privatsphäre ein Fremdwort war. Sie war zwar meine Schwester, aber das gab ihr noch lang nicht das Recht, ohne zu fragen in mein Zimmer zu gehen und nach irgendetwas Ausschau zu halten. Selbst wenn sie meinte, dass sie eigentlich nur meine Kopfhörer suchte, weil sie ihre nicht fand. Umso erniedrigender war es, dass sie sich wohl nicht davon zurückschrecken lassen würde, die Sache unseren Eltern zu erzählen. Dann konnte ich mich wohl noch viel schnell von dem ganzen Zeug verabschieden, als es mir lieb war und dann würde ich wohl auch zu Chans Geburtstag am morgigen Tag nicht kommen können.
„Und es ist echt peinlich, dass dir Anstand anscheinend keinerlei Begriff ist und jetzt gib mir mein Zeug wieder." Ich riss es ihr regelrecht aus der Hand. Manchmal war sie wirklich der Teufel höchstpersönlich. Es gab Tage, da redete sie nie mit mir und ignorierte mich und dann wollte sie irgendwas. Egal auf welche Art und Weise, Hauptsache sie bekam es. Nur spielte das Leben nicht so und das würde sie mit ihren dreizehn Jahren auch noch verstehen lernen.
„Was gibst du mir, damit ich dicht halte bei Mama? Wäre ja schade, wenn sie davon wüsste."
„Ich kann dir liebend gern das Fliegen beibringen. Außerdem sind es Rachels Sachen, die ich mir ausgeliehen habe, als ich bei Chan war. Und an die darfst du ja sowieso nicht ran. Also zieh Leine und lass mich in Ruhe."Die Lüge schien sie wirklich zu fressen und verschwand mit einem leisen Zischen aus meinem Zimmer, als wäre ihr bewusst geworden, dass sie mich nicht erpressen konnte oder kein ausreichendes Druckmittel hatte, damit ich nach ihrer Pfeife tanzen konnte. Zwar war ich nie sonderlich selbstbewusst und konnte mich nur selten durchsetzen, aber in diesem Moment konnte ich einfach nicht anders. Olivia war die einzige Person gegen die ich mich oftmals wehren konnte, weil sie in meinen Augen einen völlig falschen Blick auf Dinge hatte und ihre Grenzen nicht einschätzen konnte. Manchmal hasste ich wirklich, wie sie mit mir umging. Als wollte sie immer von oben auf mich herabsehen, obwohl ich älter als sie war.
„Aber ich wollte dich nur daran erinnern, dass es völliger Schwachsinn ist. Du bist und bleibst ein Junge. Zwar kannst du dich schminken, weibliche Kleidung anziehen, aber du bist eben ein Junge und nicht irgendwas dazwischen, wie ihr es mir andauernd verklickern wollt." Das waren natürlich die Worte, womit sie mir noch einmal eins hereindrücken wollte, weil ich nicht so spielte, wie sie es von mir verlangte. Und die saßen auch für einen kurzen Augenblick, mehr als es mir lieb war. Schließlich stimmte ein gewisser Teil. Auf bestimmte Art und Weise würde ich immer ein Junge bleiben, weil es mein biologisches Geschlecht mir es so vorgab, nur war sie eben auch im vollkommenen Unrecht.
„Und das nenne ich naives, jugendliches Denken, Olivia. Beinahe genauso schlimm, wie das veraltete Schubkastendenken von unseren Eltern. Aber was versuche ich dir überhaupt zu erklären, wenn du es dir sowieso nicht zu Herzen nimmst?" Etwas überrascht davon, dass Rachel früher als erwartet von der Arbeit gekommen war und unsere kleine Diskussion mitbekommen hatte, fühlte ich mich auch irgendwie auf frischer Tat ertappt, obwohl ich rein gar nichts gemacht hatte. Mal wieder wollte sie mir helfen, weil Olivia eben ein kleines Biest sein konnte. Auch wenn ich mich mittlerweile ganz gut selbst gegen sie stellen konnte. Es nervte und es war auch ermüdend, aber ich war nicht mehr so hilflos. Ich wusste, dass die Worte von ihr keinerlei Bedeutung für mich hatten und es immerhin Rachel und Chan gab, die hinter mir standen.
„Sag doch einfach, dass du eifersüchtig bist, dass du meine Sachen nicht benutzen darfst, aber Lix dafür schon. Und dann kannst du dir überlegen, woran es liegt. Wir beide wühlen auch nicht in deinen Sachen herum und leihen etwas von dir aus, was wir dir dann doch nie wieder zurückgeben..." Während sie die Worte sagte, ging sie einfach an mir vorbei und nahm die Sachen, welche eigentlich mir gehörten, an sich und spazierte wieder aus meinem Zimmer. Scheinbar hatte sie schon ein wenig mehr gehört, als ich zunächst angenommen hatte. Doch beruhigte es mich, dass sie mir bei meiner Lüge half, damit ich nicht sofort aufflog.
„Ich sag es dir nicht das erste Mal... Wahrscheinlich predige ich dir sowas schon seit Jahren. Aber auch das bringt nichts, solang man bei dir nicht genau das Gleiche macht. Es nervt einfach nur, Olivia." Mit diesen Worten düste unsere Schwester ab, schien wirklich wütend zu sein. Rachel klang nach einer Mutter, die viel strenger war als es unsere eigene war. Jedenfalls war sie noch nie sonderlich streng gewesen, was die Erziehung von Olivia anging und somit hatten wir unseren Ärger.
Seufzend rollte Rachel ihre Augen, zeigte somit, dass sie wirklich genervt war. Auch ich war es, aber für einen kurzen Augenblick hatte ich wirklich Bedenken, dass meine kleine Schwester wirklich zu unseren Eltern rennen würde und dann würde sie vielleicht mehr Dinge ausplaudern, als es mir lieb war.
„Vielleicht ist es besser, wenn du deine Sachen bei mir irgendwohin tust. Nicht, dass sie ständig in deinen Sachen herumschnuppert und Verdacht schöpft.", schlug sie vor. Natürlich war es eine vernünftige Idee, auch wenn ich dem nur widerwillig zustimmte. Immerhin war es ein erneutes Verstecken, wie ich war. Und das war ich so langsam wirklich leid.
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𝗦𝗲𝗺𝗶𝗰𝗼𝗹𝗼𝗻 ✧ CHANLIX
FanfictionFelix ist immer der Junge gewesen, wie man es ihm vorgegeben hat. Ein Rollenbild, welches sich in seinem Kopf noch so falsch anfühlt, während er zu ängstlich ist zu sagen, wieso er am liebsten alles dafür tun will, dass ihn seine Mitmenschen nicht m...