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Throwback

„Also als geschlechtslos?", ging Rachel noch einmal sicher. Zögernd nickte ich und machte mich schon darauf bereit, dass ich sie gleich anfangen würde zu lachen, meinen würde, dass es doch totaler Quatsch war, was ich hier erzählte und es nur eine Phase sein würde, die nach ein paar Wochen ihrem Ende fand. Dabei war es nie eine. Ich hatte besonders ab der Pubertät immer das Gefühl bekommen, dass ich nach Gründen zu suchen hatte, wieso ich meinen Namen nicht mochte, dass ich es zu meiden versuchte mich im Spiegel zu betrachten und im generellen mich extrem unwohl fühlte, wenn ich gewisse Kleidungsstücke trug, die enger an meiner Haut anliegten, als ein Hoodie, ein übergroßes Shirt und eine schlichte Jeans, die mir vielleicht eine Nummer zu groß war. Meine Eltern sagten immer, ich sollte Dinge in meiner Größe kaufen, zwangen mich regelrecht dazu und am Ende zog ich sie nie an, weil ich mich für meinen Körper schämte. Erst seit einigen Monaten hatte ich realisiert, dass ich meine Probleme immer vor mich hingeschoben hatte und es nichts bringen würde so zu tun, als wäre nichts.

„Wie soll ich dich denn dann nennen, wenn ich dich nicht Felix nennen soll? Oder ist Felix doch okay?" Es schien mir wirklich so, als würde es für sie nichts Weltbewegendes sein. Etwas ganz Normales, was ich ihr gerade erzählt hatte und dass meine extreme Sorge vollkommen unberechtigt war, dass ich verurteilt werden würde, weil ich aus dem Käfig endlich ausbrechen wollte, da er viel zu klein für mich war.

„L-Lix"

Zum ersten Mal traute ich mich dann auch, sie anzusehen und dieses aufmunternde Lächeln zu bemerken, welches mir Rachel schenkte. Zwar schien sie auch ein bisschen verwirrt von dem ganzen Thema zu sein, weil sie sonst immer mehr redete, als ich es in diesem Moment gewohnt war. Nur bekam man eben auch nicht jeden Tag gesagt, dass der eigene Bruder kein Junge sein wollte. Deswegen konnte ich es auch auf gewisse Art und Weise verstehen. Für Chan war es zunächst auch etwas seltsam, schien überrollt zu sein und sprach einige Minuten lang nichts, dass ich Sorge hatte, er wollte nicht mehr mit mir befreundet sein und ich durch meine Ehrlichkeit unsere Freundschaft einfach so zerstört hatte.

„Das sollte klargehen.", kicherte sie und nahm mich in den Arm. Ich schien überrascht zu sein, wie normal es doch für einige war. Besonders bei Rachel hatte ich das Gefühl, dass ich von Anfang an hätte keine Bedenken haben brauchen. Nur war ein Outing wohl immer mit Angst verbunden und ich hasste dieses Gefühl jetzt schon, dass es mich wohl davon erst einmal abhielt, ehrlich zu meinen Eltern zu sein. „Ich bin stolz und dankbar, dass du mir das gesagt hast. Für mich bleibst du die gleiche Person. Solang du dich wohler fühlst, als das, was du dich ansiehst, werde ich immer hinter dir stehen... Ich bin mir sicher, dass es für dich sehr schwer war und du allein durch eine schwere Zeit gegangen bist, nicht?" Ich nickte, spürte wie mir die Tränen kam, weil ich merkte, wie die Last von mir auf einmal abfiel. „Von jetzt an kann ich mit dir durch die Zeit gehen, okay? Es kann nur noch einfacherer werden, denke ich... Du bist nicht mehr allein, Lix."

Die Tatsache, dass sie mich sofort Lix nannte, fühlte sich noch einmal viel befreiender an, weswegen mir leise Schluchzer entkamen. Wenigstens ein kleiner Ort in meinem Zuhause schien für mich ein Stück sicherer zu werden. Ich brauchte mich nicht mehr ständig verstecken zu müssen und konnte wenigstens ein bisschen die Person sein, die ich sein wollte. Nur würde das auch nur ein temporäres Gefühl sein, weil ich irgendwann immer mehr Ich sein wollte.

„Geschwister halten schließlich immer zusammen."

𝗦𝗲𝗺𝗶𝗰𝗼𝗹𝗼𝗻 ✧ CHANLIXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt