23 | Montreux Noël

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Isabells Sicht

Als ich früh am Morgen aufwachte, schlief Raphael noch tief und fest. Irgendwie hatte ich es geschafft, ihn beim Gehen zu stützen, als ich ihn vor ein paar Stunden kurz geweckt hatte, und wir waren beide todmüde in seinem Bett gelandet.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir gerade mal 4:41 Uhr hatten. Viel zu früh, um aufzustehen, aber meine Blase drückte. Leise schlich ich mich aus dem Zimmer, um auf Toilette zu gehen. Danach kehrte ich zu ihm zurück und verschwand wieder unter der warmen Zudecke.

Ich rückte ein Stück näher an Raphael heran. Er regte sich und versuchte scheinbar im Schlaf einen Arm um mich zu legen. Mit seiner Hand tastete er blind herum, erst auf meinem Bauch, dann immer höher, und streichelte mich dabei sanft. Ich spürte die angenehme Wärme seiner Hand durch den Stoff meines T-Shirts.

Ehe ich mich versah, war er mit seiner Hand bei meiner Brust angelangt und strich darüber. Ich schlug leicht auf seine Finger und nahm sie von der Stelle weg. Er hatte nichts davon mitbekommen und schlummerte weiterhin tief und fest.

»He! Lass das, Rapha«, flüsterte ich. Doch natürlich hatten seine Berührungen ihre Wirkung nicht verfehlt. Ich seufzte leise. Bevor er mich erneut im Schlaf betatschen konnte, legte ich seinen Arm in Höhe meiner Taille um mich und streichelte ihm über den Rücken.

Als ich das nächste Mal wach wurde, war die andere Betthälfte schon leer. Ich begann mit meiner Morgenroutine, zog mich an und ging ins Bad. Erst hier fiel mir auf, dass ich nichts von Raphael gehört oder gesehen hatte. Ich warf einen Blick in die Küche, aber auch dort war keine Spur von ihm. Seltsam, dass er einfach so verschwand.

Verschlafen setzte ich mich schließlich wenig später mit meinem Laptop und einer heißen Tasse Tee an den Esstisch. Dort entdeckte ich auf einmal einen Zettel mit Raphaels Handschrift. »Guten Morgen, Bella. Ich bin mit Abudi zum Arzt gefahren. Wollte dich nicht wecken, da du so tief geschlafen hast. Bis später. R.R. PS: Ich bringe Frühstück mit :P«

Automatisch musste ich lächeln. Ich fand es schön, dass er mir extra eine Nachricht dagelassen hatte und doch nicht stillschweigend abgehauen war. Hoffentlich hatte er keine schwerere Verletzung.

Ich klappte meinen Laptop auf und begann erst mal mit etwas Organisatorischem. Ich überarbeitete ein Protokoll, welches ich während des letzten Telefonats mit einer der von mir betreuten Künstlerinnen stichpunktartig angefertigt hatte und trug ein paar Daten in meinen Terminkalender ein.

Zudem blockte ich mir bereits das Wochenende vor Weihnachten für den Kurztrip in die französische Schweiz in der Hoffnung, dass er überhaupt stattfinden konnte. Danach öffnete ich mein E-Mail-Programm, bearbeitete einige Anfragen und gab Rückmeldungen.

Plötzlich poppte eine neue Benachrichtigung auf. Der Absender stach mir direkt ins Auge. Ich klickte darauf. Es ging um den Stalking-Fall. Halblaut las ich mir die Mail durch.

»Sehr geehrte Frau Thieme, nachdem ihre Akte an die Staatsanwaltschaft übergeben wurde, teilen wir Ihnen nun nach eingehender Prüfung mit, dass die geschilderten Tatsachen laut §107a StGB nicht für eine Anklageerhebung ausreichen und der Tatbestand der ›beharrlichen Verfolgung‹ nicht ausreichend erfüllt wird. Das Verfahren wird nicht länger verfolgt. Als Entschädigung wird durch Herrn T. eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen à 60 € fällig. Der Angeklagte erhält darüber hinaus weitere Auflagen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.«

Enttäuscht klappte ich meinen Laptop zu. »Das darf doch nicht wahr sein«, fluchte ich. »Alles, was in diesem scheiß Gesetz steht, wurde erfüllt und trotzdem tun die so, als wäre nichts.« Ich war verdammt frustriert. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Panzer | RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt