04 | Gesucht und gefunden

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Geschockt sah ich Abudi an. »Sag mal, spinnst du?«, schrie ich prustend. Er hatte mir den Inhalt einer Wasserflasche ins Gesicht geschüttet. »Damit du endlich mal aufwachst«, kommentierte mein Gegenüber.

»Was ist dein scheiß Problem? Da habe ich einmal ein bisschen Spaß und du willst es mir direkt schlecht machen. Solche Freunde brauche ich nicht. Lass mich mein Leben so leben, wie ich es für richtig halte. Das geht dich alles nichts an.« »Doch das tut es. Ich will dir nur helfen, bevor es zu spät ist.«

Die Luft war zum Zerreißen geladen. Ein Wunder, dass scheinbar keiner unsere Auseinandersetzung mitgekriegt hatte. Vielleicht wollte sich aber auch bloß niemand einmischen. »Ich brauche deine Hilfe nicht«, sagte ich kalt.

»Jetzt halt mal kurz die Luft an. Bitte hör auf mit der ganzen Scheiße. Das tut dir nicht gut. Merkst du nicht, wie die Drogen dich verändern? Du lässt deine Arbeit schleifen, kommst häufig zu spät zu den Soundchecks sowie zum Essen und legst reihenweise Groupies flach. Dein Frauenverschleiß in den letzten Wochen ist nicht mehr feierlich, Raf. Wie kannst du noch in den Spiegel schauen? Wir, deine Freunde, werden total vernachlässigt. Deine Familie ebenfalls. Sogar John fällt das auf. Merkst du nicht, dass du dein Umfeld mit deinem Verhalten verletzt? Raf, du bist mein bester Freund, aber ich will nicht dabei zuschauen, wie du dich kaputtmachst. Du weißt, ich will mit Drogen und dem ganzen Dreck nichts mehr zu tun haben. Noch kannst du davon wegkommen. Aber du musst dich entscheiden, sonst bin ich weg. Entweder dein derzeitiger Lifestyle mit Partys, Chayas und Drogen oder ich. Ich und deine Ekipa.«

Ich fühlte mich tatsächlich ein wenig klarer im Kopf nach seiner kleinen Attacke und überlegte. Es fiel mir schwer, einen Gedanken zu fassen. Mein Kopf fühlte sich plötzlich unendlich schwer an. Mir war schwindelig, weshalb ich mich am Türrahmen abstützte. Das aufgestaute Adrenalin und die Endorphine sanken langsam ab.

»Ach, Abudi«, seufzte ich und ließ den Kopf hängen. »Sag mir, wie du dich entscheidest. Bruder, ich mache mir ernsthafte Sorgen um dich. Glaub mir, ich will nur dein Bestes.« Ich schwieg betroffen. So hatte ich das tatsächlich nie gesehen.

Hatte ich einen Fehler gemacht? Ich ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen. Ja, ich hatte mich total dämlich verhalten. Was zur Hölle war nur in mich gefahren? Was das vielleicht die Art und Weise, wie ich versuchte, über Dinge hinwegzukommen? Möglich. Wie konnte ich nur?

»Abudi? Bitte bleib. Es tut mir leid. Die Familie und die Ekipa sind das, was zählt, und wir müssen zusammenhalten«, brachte ich nach einer Ewigkeit zögerlich hervor. Der Ägypter kam stumm auf mich zu und schloss mich in seine Arme. Ich tätschelte ihm den Rücken.

»Danke, Bruder«, flüsterte ich und löste mich aus der Umarmung. »Lass es zukünftig sein. Ich kann versuchen, dir zu helfen, davon wegzukommen, wenn du Unterstützung benötigst. Hauptsache du hörst damit auf.«

Nach dem klärenden Gespräch war ich mit den Nerven am Ende und folgte Abudi schweigend zum Tourbus. Ich hatte mich nicht von der feiernden Meute in Johns Bereich verabschiedet. Davon brauchte ich ab jetzt wieder Abstand.

Ich musste in Ruhe nachdenken und legte mich hierzu in mein kleines Bett. Müde und mit dem Kopf voller Gedanken wälzte ich mich hin und her. Doch ich kam in dieser Nacht nicht mehr zur Ruhe.

Nachdem John und ich die Tour erfolgreich beendet hatten, war ich zu ihm nach Hamburg gekommen. Über all das, was an den Abenden nach den Auftritten geschehen war, verloren wir kein Wort und dafür war ich meinem Freund und Geschäftspartner sehr dankbar.

Stattdessen arbeiteten wir mit Hochdruck an neuer Musik und besprachen Marketingstrategien. Im Frühjahr sollte eine Beste Leben Sommerkollektion mit allen möglichen Kleidungsstücken und Utensilien für den Strand sowie ein paar weitere Team Platin Artikel gedroppt werden. Die Kollektion befand sich gerade in der Endphase und wir hatten bereits erste Exemplare ins 187ink geliefert bekommen. Wir waren zufrieden mit der Qualität und Passform, weshalb wir beschlossen, in die Massenproduktion zu gehen.

Panzer | RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt