24 | Gefühle

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Wir gingen kurz auf unser Zimmer und zogen uns erneut um. Die dicken Winterklamotten konnten hierbleiben. Ich trug nun eine schwarze Leggings und einen Hoodie von Raphael.

Er sah in dem einfarbig schwarzen Pullover, der weißen Jogginghose und mit den offenen Haaren mal wieder unverschämt gut aus. Um seinen Hals baumelte seine Kreuzkette, ich trug hingegen die mit dem R-Anhänger, die er mir vor unzähligen Jahren bei seinem Abschied aus Wien geschenkt hatte.

»Du siehst gut aus in meinem Pulli. Steht dir«, merkte er an. Ich errötete leicht. »Danke.« Raphael hielt mir die Tür auf und ein weiteres Mal verließen wir das Hotel an diesem Tag. Zuvor hatte er unten bei der Rezeption angerufen und gebeten, den Wagen vorzufahren.

Ein sichtlich müder Hotelmitarbeiter überreichte ihm den Schlüssel und wünschte uns eine gute Fahrt. Raphael hielt mir gentlemanlike die Tür auf und ließ mich einsteigen. Er joggte um das Auto herum und nahm auf dem Fahrersitz Platz.

Sobald er angeschnallt war, drehte er an ein paar Knöpfen, sodass die Sitzheizung anging und uns das Display des Autoradios entgegenleuchtete. »Such dir einfach Songs aus meiner Playlist aus und mach an«, schlug Raphael vor, während er den Porsche in Richtung der nächstgrößeren Straße lenkte.

Er drückte mir sein Handy mit der geöffneten Spotify-App in die Hand. Wenige Augenblicke später ertönten die ersten Gitarrenklänge von Nothing Else Matters. Ich liebte diese Ballade und ich wusste, dass Raphael auch ein großer Metallica Fan war. Er hatte diesen Song früher sehr oft auf der Gitarre gespielt.

»Gute Wahl«, kommentierte Raphael. James Hetfield setzte ein und ich lauschte andächtig dem Text:

»So close no matter how far
Couldn't be much more from the heart
Forever trusting who we are
And nothing else matters
Never opened myself this way
Life is ours, we live it our way
All these words I don't just say
And nothing else matters
Trust I seek and I find in you
Every day for us something new
Open mind for a different view
And nothing else matters«

Ich drehte meinen Kopf nach links und begutachtete Raphaels Silhouette. Von der Seite schien das Mondlicht ins Auto und betonte seine sowieso schon markanten Gesichtszüge noch mehr. Er blickte konzentriert auf die Straße und nickte mit dem Kopf im Takt des Songs.

»Ich finde, irgendwie passt das Lied zu uns«, stellte der Halbitaliener unvermittelt fest. Er warf mir einen kurzen Blick zu und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße.

»Wie meinst du das?«, hakte ich nach. Ich erinnerte mich wieder daran, wie wir beide früher häufig in irgendwelchen staubigen, heruntergekommenen Proberäumen gesessen und neben Raphaels neuesten Stücken oft diesen Song gehört hatten. Er zuckte mit den Schultern.

»Na ja halt so auf den Text bezogen«, wich er meiner Frage aus. »Hmm«, brummte ich wenig einfallsreich. So wirklich zufriedenstellend war seine Antwort nicht. Ich hatte das Gefühl, dass das nicht alles war.

Raphael bog nach einer guten halben Stunde rechts auf eine Ausfahrt ab. »Ich muss dir noch was sagen«, verkündete er auf einmal ernst. Ich sah, wie er einen kleinen Parkplatz ansteuerte und den Wagen abbremste. Kurz darauf blieben wir stehen. Erwartungsvoll sah ich ihn an.

»Wie soll ich anfangen? Du hast vorhin nicht genau verstanden, was ich meinte, als ich gesagt hatte, dass mich der Text von dem Lied an uns erinnert. Lass mich versuchen, dir etwas zu erklären. Ich war, wie du weißt, lange Zeit weg. 12 Jahre haben wir uns nicht gesehen, obwohl wir beste Freunde waren. Vielleicht sogar mehr, wenn wir es zugelassen hätten. Ich habe dir damals blind vertraut und du mir. Wir haben immer unser Ding gemacht, egal was die anderen gesagt haben, bis wir es geschafft haben. Ich bin ehrlich, ich hätte meinen Erfolg und alles andere gerne mit dir geteilt.
Im Juli 2019 bist du unerwartet das erste Mal wieder in mein Leben getreten und ich habe im Laufe der Zeit gemerkt, wie sehr mir das gefehlt hat. Ich weiß, ich habe mich manchmal echt scheiße dir gegenüber benommen und es tut mir sehr leid. Ich kann dir nicht mal erklären, wieso ich das getan habe. Vielleicht ein Stück weit aus Angst. Ich habe große Vertrauensprobleme. Aber egal, was ich getan und gesagt habe, du bist trotzdem bei mir geblieben. Das rechne ich dir hoch an. Jede andere wäre an deiner Stelle längst gegangen. Zurecht.
Ich weiß gar nicht, womit ich es verdient habe, dass du stets zu mir hältst, aber ich möchte dir dafür danken. Danke, dass du mich so nimmst, wie ich bin. Selbst wenn ich manchmal ein Idiot bin. Anfangs habe ich mich gewehrt und dachte, das mit unserer Freundschaft kann nicht ein zweites Mal funktionieren, wo ich doch damals alles kaputtgemacht habe. Ich hatte Angst vor einer weiteren großen Enttäuschung in meinem Leben. Du hast allerdings darum gekämpft und ich habe nach langer Zeit gemerkt, dass ich es zulassen sollte und dir immer noch bei den meisten Dingen vertrauen kann. Ich bin froh darüber, dass ich bei dir ich selbst, also Raphael Ragucci, sein kann und nicht RAF Camora. Es ist manchmal echt anstrengend und die Grenzen zwischen den beiden Rollen verschwimmen immer häufiger.
Ich muss zugeben, ich hatte zuerst Bedenken, dich mit hierher zu nehmen, aber es war die richtige Entscheidung. Danke, dass du da bist und es mit mir aushältst. Bella, auch wenn ich dir vermutlich nie mehr geben kann als diese Freundschaft, musst du wissen, dass du mir unglaublich wichtig bist und ich gerne mit dir Zeit verbringe.«

Panzer | RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt