28 | Partynacht

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Isabells Sicht

Ich war sehr dankbar, dass Raphael die ganze Zeit bei mir geblieben war und sich um mich kümmerte. Dabei hatte ich es mir selbst zuzuschreiben. Wenn ich so extrem unter Stress sowie Zeitdruck stand und zudem nicht genügend auf mich achtete, kam es hin und wieder vor, dass ich krank wurde. Nur normalerweise nicht so stark wie jetzt.

Mein Immunsystem war geschwächt gewesen durch den stetigen Schlafmangel in den letzten Wochen und durch zu wenig Nahrung. Zukünftig würde ich wirklich besser auf meine Gesundheit achten müssen.

Raphael hatte recht. Es war keine Lösung sich mit Medikamenten vollzupumpen, um leistungsfähiger zu sein. Das hatte ich inzwischen eingesehen. Noch immer schmerzte mein Kopf höllisch und ich schaffte es kaum aus dem Bett zu kommen. Die Erkältung und das Fieber machten es nicht angenehmer.

Eigentlich hatte ich Raphael gesagt, dass er ein bisschen von mir wegbleiben sollte, damit er sich nicht ansteckte. Doch er hörte nicht darauf, sondern blieb bei mir und schlief sogar jede Nacht mit in meinem Bett.

Ich war froh, dass er mir Essen kochte - auch wenn es mittlerweile schon drei Mal Spaghetti al tonno gegeben hatte, was langsam etwas eintönig wurde - und mich praktisch rundum versorgte.

Zwischendurch war er immer mal wieder für ein paar Stunden weg, sowohl geschäftlich als auch privat, aber er kehrte spätestens am Abend in meine Wohnung zurück. An manchen Tagen war er schon fast überfürsorglich.

Leider konnte ich durch die Grippe die Zeit mit Raphael nicht wirklich genießen, da ich viel schlief und kaum etwas machen konnte. Ich war völlig platt und antriebslos. Trotzdem war es schön, dass er noch immer hier war.

Ein Stück weit schien der Halbitaliener es zu genießen, so viel zu chillen - immerhin hatte er spätestens seit 2016 meistens Stress und Arbeit für fünf Leute gehabt. Da hatte er sich die Ruhe verdient. Es dauerte zwei Wochen, bis ich wieder vollständig gesund war und mich fit fühlte.

Raphael wohnte sozusagen in der Zeit bei mir und schlief vermutlich mehr als in den letzten vier Jahren zuvor. Er lag nicht mehr die halbe Nacht lang wach. Auch seine Augenringe verblassten langsam. Er war ausgeglichener und stand nicht mehr dauernd unter Strom.

Die Aussicht auf sein baldiges Karriereende schien ihm gutzutun. Aber der Wiener würde keineswegs komplett aufhören. Er arbeitete schon längst an neuen Projekten in anderen Bereichen. Auch wenn ich seine Karriere leider kaum miterleben konnte, war ich extrem beeindruckt und stolz darauf, was er alles erreicht hatte.

Als ich eines frühen Morgens aufwachte, war der Platz neben mir im Bett leer. Raphael war schon aufgestanden. Ich tat es ihm wenige Minuten später gleich und zog mich um. Nachdem ich meine Zähne geputzt hatte, wollte ich sehen, was mein bester Freund trieb.

Ich fand ihn an meinem Schreibtisch in meinem dritten und kleinsten Zimmer vor, das eine Mischung aus Büro und begehbarem Kleiderschrank war. Er hatte dort in den letzten Tagen seinen Laptop sowie ein Midikeyboard aufgebaut, um ein bisschen arbeiten zu können.

Bisher hatte er mich nicht bemerkt, da er so vertieft in seine Arbeit war. Ich konnte einen Blick auf seinen Bildschirm erhaschen und vernahm, dass er sich durch irgendwelche modellhaften Skizzen und Bilder klickte. Soweit ich es mitbekommen hatte, dienten diese Entwürfe seinem geplanten eigenen Laden.

Ich schloss die Tür wieder und ging in die Küche. Dort machte ich ihm eine Tasse Espresso und kehrte in mein Arbeitszimmer zurück. Diesmal hatte Raphael mich gehört und drehte sich zu mir um. »Guten Morgen Bella.« Ich stellte die Tasse neben seinen Laptop. »Oh, dankeschön«, sagte er erfreut.

»Guten Morgen Rapha«, lächelte ich. »Wie lange bist du schon wach?« Er schob den Ärmel seines Pullovers zurück und warf einen Blick auf seine roségoldene Uhr. »Fast drei Stunden. Seit halb sechs circa. Ich konnte nicht mehr schlafen und da gestern die ersten groben Pläne des Architekten kamen, wollte ich mir die unbedingt ansehen.«

Panzer | RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt