25 | Zwischen den Jahren

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Die Tage bis Weihnachten vergingen wie im Flug. Ich hatte vor lauter Stress gar nicht die Möglichkeit gehabt, so richtig in Weihnachtsstimmung zu kommen.

Nach dem Wochenendausflug mit Raphael musste noch vieles erledigt werden, sodass die Erholung beinahe dahin war. Ich hatte meiner Familie versprochen Weihnachtsplätzchen zu backen, musste Geschenke kaufen und auch sonst hatte ich viel lästige Arbeit zu erledigen.

Erst als ich am 25.12. in meinem mit Geschenken und Plätzchen beladenen Auto saß und allmählich die Stadt hinter mir ließ, kam ich endlich ein bisschen zur Ruhe. Während im Radio Weihnachtssongs liefen, zu denen ich mitsang, fuhr ich über die Autobahn Richtung Nordosten.

Irgendwann wurde mir die Musik zu eintönig und ich verband mein Handy mit der Anlage. Wenige Augenblicke später erschallte Raphaels kräftige Stimme aus meinen Boxen.

Meine Gedanken schweiften automatisch zu der zweiten Nacht mit ihm in Montreux, als wir nach dem Besuch des Weihnachtsmarktes einen wunderschönen nächtlichen kleinen Ausflug gemacht hatten und er mich mit dem Armband überrascht hatte. Ich trug es seitdem immer, genauso wie die Kette mit dem R-Anhänger.

Wir hatten in den letzten Tagen keinen Kontakt gehabt und ich fing an, ihn zu vermissen. Was er wohl gerade machte? Wie würde er mit seiner Familie feiern?

Nach rund 35 Minuten kam ich in dem kleinen, knapp 2000-Seelen-Ort an, in dem meinen Großeltern seit vielen Jahren lebten. Sie besaßen ein großes Haus, Anfang der 1960er Jahre gebaut, und hatten einen fantastischen Garten mit zahlreichen Obstbäumen und Beeten sowie viel Platz zum Spielen, als ich noch klein war. Ich hatte es immer geliebt hier zu sein.

Es hatte etwas Vertrautes, als ich in der Auffahrt auf dem Hof parkte und kurz darauf an der Tür klingelte. Meine Oma öffnete mir und zog mich direkt in eine Umarmung. »Hallo, mein Mädchen. Schön, dass du da bist.« Sie musterte mich von Kopf bis Fuß. »Gut siehst du aus. Aber ein bisschen gestresst.«

Ich nickte und schenkte ihr ein freudiges Lächeln. »Hallo Oma. Ich bin auch froh, dich wiederzusehen und ja, ich hatte in der letzten Zeit ziemlich viel Stress.« »Na, dann komm erst mal rein.«

Ich folgte ihr ins Innere des Hauses und zog an der Garderobe Schuhe, Jacke und Schal aus. Meine Oma gab mir ein Paar Pantoffeln, damit ich keine kalten Füße bekam. Den Korb, in dem ich die Plätzchendose und die Geschenke verstaut hatte, stellte ich auf dem Küchentisch ab.

Anschließend gesellte ich mich ins Wohnzimmer und begrüßte meine restliche Familie. Nach und nach trudelten die anderen ein und als alle da waren und erwartungsvoll am Tisch saßen, brachte Oma das Essen herein.

Es gab zwei ganze Enten, Klöße, Blaukraut, Wirsing, Bratensoße, Nudeln und Pilzsoße - also alles, was das Herz begehrte. Bei meinen Großeltern konnte man sich zweier Sachen immer ganz sicher sein: Es war für jeden etwas zu Essen dabei und niemand ging je hungrig nach Hause.

Während des Essens unterhielten sich alle Erwachsenen angeregt miteinander. Die jüngeren Kinder saßen an einem separaten Tisch zusammen mit meiner Tante.

Ich war schon seit einer ganzen Weile in ein Gespräch mit meiner jüngeren Cousine vertieft. Wir unterhielten uns über unsere Arbeit, sie schwärmte von der Kreuzfahrt in die Karibik, die sie letzten Monat mit ihrem langjährigen Freund gemacht hatte, und ich berichtete im Gegenzug von meinem Kroatienurlaub im Sommer, der leider ein unschönes Ende genommen hatte, sowie meinem baldigen Umzug.

Den Kurztrip mit Raphael verschwieg ich bewusst. »Warte mal kurz, Jan und ich wollten noch was sagen.« Fragend sah ich sie an, als sie sich gleichzeitig mit ihrem Freund erhob und so die Aufmerksamkeit aller auf sich lenkte.

Panzer | RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt