27 | Überlastung

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Ich war ziemlich müde, als ich am frühen Morgen kurz nach halb acht aufwachte. Isabell schlummerte noch friedlich, aber ich konnte nicht mehr schlafen. Zu viele Dinge gingen mir durch den Kopf.

Der letzte Abend war anstrengend gewesen. Ich hatte meiner besten Freundin mein Herz ausgeschüttet und alles über meine Vergangenheit erzählt.

Das Ganze hatte mir zwei Dinge gezeigt: Erstens, ich war auch fast zweieinviertel Jahre später nicht mal annähernd darüber hinweg und das Verdrängen der Geschehnisse war ebenfalls gescheitert. Und zweitens, ich konnte Isabell wirklich vertrauen und sie war ausnahmslos für mich da.

Ich hatte es geschafft, mich ihr zu öffnen und mich fallen zu lassen. Und sie fing mich auf. Ich hatte ihr mein dunkelstes Geheimnis verraten. Sie verurteilte mich nicht, hörte mir zu und war für mich da. Das gab mir ein gutes Gefühl.

Zwischen ihr und Aleyna lagen zwei Welten. Im Gegensatz zu Isabell hatte ich Aleyna zwar wirklich geliebt, aber ich hatte nie vor ihr geweint. Sie hatte mir immer das Gefühl gegeben, dass ich als Mann gezwungen war, der starke Part zu sein und keine Schwäche zeigen zu dürfen. Ich musste sie beschützen und nicht umgekehrt.

Isabell war diejenige, die mir immer wieder zeigte, dass dieses Verhalten falsch war. Dass ich sehr wohl auch mal schwach sein durfte, weil das menschlich war und ich nicht alles in mich hineinfressen sollte. Sonst würde irgendwann der große Knall kommen. Sie hatte recht damit. Wie so oft.

Zuerst hatte ich überlegt, aufzustehen und zum Training zu fahren, doch als ich einen weiteren Blick auf Isabell warf, die ihre Lippen im Schlaf zu einem Lächeln verzogen hatte, entschied ich mich im Bett zu bleiben. Ich hatte das Bedürfnis, sie im Arm zu halten und bei ihr zu bleiben, bis sie aufwachte.

Ihre blonden langen Haare waren leicht verstrubbelt und großflächig über das Kissen verteilt. Sie sah aus wie ein schlafender Engel. Einfach süß. Isabell war aber nicht nur extrem hübsch, sie hatte auch einen wunderbaren Charakter und ein Herz aus Gold. Sie gab mir so viel, ohne es zu wissen. Bedacht darauf sie nicht zu wecken, schmiegte ich mich wieder an sie. Das klappte nur fast.

»Hmm... Rapha was ist los?«, murmelte sie verschlafen. Sie blinzelte ein paar Mal und sah mich müde an. »Nichts, alles gut. Schlaf weiter«, gab ich leise zurück. Sie schloss ihre Augen wieder und kuschelte sich an mich.

Ihre Hand landete oberhalb von meiner Brust, ziemlich genau an der Stelle, wo sich mein Herz befand. Dieses begann auf einmal unnatürlich schnell zu schlagen. Tja, ich würde lügen, würde ich sagen, dass Isabells Berührungen nichts bei mir auslösten.

Ich deckte sie wieder richtig zu und hielt sie schützend in meinem Arm. Dann schloss auch ich meine Augen und driftete langsam weg. Wir schliefen bis in den späten Vormittag hinein und verbrachten den restlichen Tag ziemlich ruhig.

Ich hatte darum gebeten, vorerst nicht mehr über das gestrige Thema zu reden, was Isabell zum Glück respektierte. Es war mir schwer genug gefallen, überhaupt darüber zu sprechen.

Das war damals schon bei meinen Jungs nicht einfach gewesen. Es hatte jedoch nur zur Folge, dass Aleyna und Farido bei allen unten durch waren und sie mich ein bisschen bemitleidet hatten. Meine Mutter und meine Schwester konnten mich schon eher trösten. Besonders Mama war in der Anfangszeit viel für mich da.

Ich war froh, dass ich meinem Vater zu diesem Zeitpunkt noch nicht von der Schwangerschaft berichtet hatte, denn so konnte ich es dabei belassen, ihm nur zu erzählen, dass Aleyna und ich uns getrennt hatten, weil sie mich betrogen hatte.

Isabell sprach das Thema zwar nicht mehr an, aber sie fragte mich über den Tag verteilt mehrmals, ob alles in Ordnung war oder ob sie mir etwas Gutes tun könnte. Das brauchte sie nicht. Mir reichte es völlig aus, dass sie da war.

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