19 | Unterwegs mit Abudi

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Raphaels Worte hatten mich nachdenklich gestimmt. Dass er so dachte, war bestimmt nicht ohne Grund. Ich würde gerne wissen, was ihm passiert war, dass er den Glauben an die Liebe scheinbar komplett aufgegeben hatte und sich für solch einen schlechten Menschen hielt. Denn das war er nicht, soweit ich das beurteilen konnte.

Er brachte mich zwar zwischendurch zur Verzweiflung, verhielt sich unsensibel und teilweise verletzend, aber ich wusste, dass er irgendwo tief in seinem Herzen ein Guter war. Das wusste ich von früher und auch heute zeigte er diese Seite noch, schließlich hätte er mich sonst nicht bei sich wohnen lassen und sich um mich gesorgt. Und daran hielt ich fest.

Ich wollte ihn verstehen und ich hoffte nach wie vor, dass wir mehr zusammenfanden. Er war mir einfach schon immer extrem wichtig und eine enge Vertrauensperson gewesen und das wollte ich eigentlich nicht aufgeben.

Aber es hing eben auch von Raphael ab und wenn der sich nicht ebenfalls bemühen sollte, würde ich es auch nicht mehr tun. Denn irgendwo hatte auch ich meine Grenzen.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass diese Einstellung alleine seinem Erfolg und dem damit verbundenen gewachsenen Interesse an seiner Person geschuldet war. Da war sicherlich noch etwas anderes vorgefallen. Doch ich traute mich nicht, ihn darauf anzusprechen. Wenn er dazu bereit war, sollte er von sich aus auf mich zugehen.

Drei Tage waren inzwischen vergangen und ich hatte ganz gut an das Zusammenleben mit Raphael gewöhnt. Wir schliefen beide Rücken an Rücken und mit dem größtmöglichen Abstand in seinem schwarzen Boxspringbett und ich konnte endlich den fehlenden Schlaf der letzten Wochen nachholen.

An Raphaels Seite schlief ich deutlich ruhiger und entspannter. Auch bei ihm schienen die Augenringe langsam, aber sicher zu verblassen. Er wirkte ausgeglichener. Wir hatten uns nicht mehr gestritten, sondern kamen im Gegenteil sehr gut miteinander klar.

Bis jetzt hatte ich keine Informationen aus Wien erhalten, was das Stalking-Thema anbelangte. Ehe das nicht geklärt war, so hatte ich mir geschworen, würde ich nicht zurück in meine Heimatstadt kehren.

Morgen würden Raphael und Abudi gemeinsam für den Release seines letzten Albums nach Wien fliegen. Sie hatten mir angeboten mitzukommen, jedoch hatte ich dankend abgelehnt. Auf der Party hätte ich sowieso nicht erscheinen können und gerade reizte es mich nicht sonderlich zu dem Ort zurückzukehren, an dem ein Irrer sein Unwesen mit mir trieb.

Ich sollte mich in Raphaels Abwesenheit nicht alleine in seiner Wohnung aufhalten, unter anderem, da sie mal wieder grundgereinigt werden sollte und der Dachdecker etwas am Haus ausbessern musste. Daher riet er mir, vorübergehend in die angemietete Airbnb Wohnung von Abudi zu ziehen.

So ganz verstand ich es nicht, aber ich stimmte seinem Plan zu. Ich konnte meine Sachen auch genauso gut bei Abudi erledigen. Dieser würde in einer Dreiviertelstunde vorbeikommen, mich abholen und zu seinem Apartment bringen.

In der Zwischenzeit suchte ich all meine Sachen zusammen, die in Raphaels Wohnung verteilt waren, und packte sie in meinen Koffer. Dabei stellte ich fest, dass ich dringend mal zu einem Waschsalon fahren musste, da ich kaum noch frische Kleidung hatte.

Das plötzliche Klingeln an der Haustür riss mich aus meinen Gedanken. »Ich geh schon«, rief Raphael. Es dauerte nicht lange, bis Abudi an der Schwelle zum Wohnzimmer aufgetaucht war.

»Na, Kleine, alles fit?«, begrüßte er mich. Mit meinen 1,74 m war ich im Vergleich zu ihm tatsächlich ziemlich klein. »Klar und bei dir?«

»Alles bestens. Bereit für den Umzug?«, wollte Abudi wissen. »Ich wäre soweit. Vor mir aus können wir los«, bestätigte ich. Ich schulterte meinen Rucksack und stellte meinen Koffer aufrecht hin.

Panzer | RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt