30 | Positiv oder Negativ

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Inzwischen waren etwa drei Wochen seit dem Vorfall im Hotel vergangen. Ob er überhaupt noch an mich dachte? Vermutlich nicht. Ich hatte seit dieser einen Nacht nichts mehr von Raphael gehört oder gesehen.

Zwar war er überall blockiert, aber er hätte mich noch anrufen können. Ich war mir nicht sicher, ob ich lieber froh oder traurig darüber sein sollte. Er hatte mir damit wehgetan und mich sehr enttäuscht. Ich konnte es immer noch nicht fassen.

In den letzten Wochen vor dem Abend im Club hatte ich das Gefühl gehabt, dass sich vielleicht langsam etwas zwischen uns entwickeln könnte. Raphael hatte sich anders verhalten, als er bei mir war. Er hatte sich im positiven Sinne verändert.

Ich hatte es so sehr gehofft, doch es war umsonst. Ich versuchte keinen Gedanken mehr daran zu verschwenden, alles auszublenden und zu verdrängen. Es war ein Fehler gewesen. Ich musste damit und mit ihm abschließen.

Mir kam jede Gelegenheit recht, um mich abzulenken und nicht darüber nachzudenken - egal, ob es eine meiner Freundinnen, meine Familie oder die Arbeit waren. Ich hatte sogar zu zwei alten Bekannten aus meiner Studienzeit per Zufall wieder Kontakt aufnehmen können. Ich hatte mich ein Mal mit Chiara getroffen, Paul hatte leider keine Zeit gehabt.

Wider Erwarten klappten die Ablenkungsversuche ziemlich gut. Meine Freunde gaben sich unglaublich viel Mühe und so ging es mir bald seelisch deutlich besser.

Zudem war es von Vorteil, dass ich es schaffte, konsequent zu bleiben. Der Halbitaliener bleib überall blockiert und ich zwang mich dazu, es so beizubehalten. Zu Raphaels Freunden, die teilweise auch meine eigenen waren, hatte ich ebenfalls den Kontakt vermieden.

Lediglich bei Abudi war das etwas schwieriger, da er seit Sales Geburtstagsfeier dauernd mit Samira unterwegs war und man sie kaum noch alleine antreffen konnte. Ich wusste nicht genau, inwieweit der Ägypter Bescheid wusste, was Raphael getan hatte. Er redete mit mir nicht über ihn, aber ich glaubte, auch er merkte, dass es mir gerade in den ersten Tagen danach gar nicht gut ging und dass Raphael und ich keinen Kontakt mehr hatten.

Heute Nachmittag hatte ich Samira mal wieder für mich. Die Zeit musste ich nutzen, um sie ein bisschen auszuquetschen. Immerhin wusste ich noch nicht genau, was das zwischen ihr und Abudi war, und sie verhielt sich ziemlich geheimnisvoll. Ich würde es ihr von Herzen gönnen, dass wenigstens sie ihr Glück finden würde.

Bei mir sah das leider anders aus. So sehr ich es auch versuchte, es war nahezu unmöglich, Raphael vergessen zu wollen. Es war viel zu viel zwischen uns passiert, als dass ich dieses Kapitel einfach so aus meinem Leben streichen könnte.

Auch wenn ich mich dagegen sträubte, musste ich der Realität ins Auge sehen: Ich war noch immer in Raphael verliebt - unglücklich verliebt, obwohl er mir das Herz gebrochen hatte. Ich verstand mich selbst nicht. Eigentlich müsste ich ihn abgrundtief hassen für das, was er getan hatte. Das tat ein Teil von mir auch. Aber ich hatte dennoch Gefühle für ihn. Sie waren vielleicht etwas schwächer geworden, aber sie waren noch da.

Es verging kein Tag, an dem ich nicht an Raphael dachte. Ich würde mehr Zeit brauchen. Ein paar Wochen, vielleicht ein paar Monate, bis ich über ihn hinweg war. Der Gedanke nagte an mir, aber ich war mir sicher, dass es keine andere, bessere Möglichkeit gab. Man konnte Vergangenes nicht mehr ungeschehen machen.

Ein Klingeln riss mich aus meinen Gedanken. Das musste Samira sein. Ich stand auf und betätigte den Türöffner. Kurz darauf war die hübsche Albanerin auf meiner Etage angelangt.

Sie hatte eine große Tasche dabei, da wir zusammen kochen wollten und sie auch ein paar Dinge mitgebracht hatte. Da wir beide Fans von der jugoslawischen Küche waren - für Samira war es ein Stück Heimat - hatten wir uns entschieden, Gerichte vom Balkan nachzukochen. Genauer gesagt hatten wir ein ganzes Drei-Gänge-Menü geplant.

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