36 | Flammen über Berlin

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In den letzten beiden Wochen musste ich immer wieder an Raphaels Geständnis denken. Es hatte mich extrem überrascht. Auch der Zeitpunkt war denkbar unerwartet, schließlich hatten wir noch nicht mal richtig Frieden geschlossen. Warum musste immer alles so kompliziert sein?

Hätte er sich seine Gefühle direkt eingestanden, wären alle anderen Sachen vermutlich gar nicht passiert und wir wären längst zusammen. Aber den direkten, einfachen Weg gab es in unserem Leben scheinbar nicht. Wir mussten immer Umwege gehen.

So langsam zweifelte ich auch daran, ob Raphael und ich überhaupt jemals mehr als Freunde sein könnten. Etwas anderes hatte bisher leider nicht geklappt. In unserer Jugend waren wir zwar beide ineinander verliebt gewesen, hatten uns aber nicht getraut, darüber zu sprechen und blieben bloß enge Freunde.

Jetzt, wo wir erwachsen waren und wieder zueinandergefunden hatten, hatte ich zunächst Gefühle für ihn entwickelt, die er nicht erwiderte. Durch einen einzigen Abend hatte ich mein Vertrauen in Raphael verloren und etwa zweieinhalb Monate später kam er plötzlich an und gestand mir, dass er sich verliebt hatte.

Ich wusste nicht mehr weiter. War ich bereit, Raphael eine weitere Chance zu geben und mich auf ihn einzulassen? Vielleicht sollte ich es versuchen. In den letzten Wochen hatte er einen enormen Wandel vollzogen. Er gab sich viel Mühe mit mir und kämpfte regelrecht darum, dass ich in seinem Leben blieb. Er gab zwar eine Richtung vor, ließ mich aber das Tempo und die Intensität bestimmen.

Das berührte mich. Kein anderer Mann hatte das bisher auf diese Weise für mich getan. Mein letzter Ex hatte mich gehen lassen und sich nicht weiter für mich interessiert.

Trotz allem hatte ich noch Zweifel. Die Angst vor einer erneuten Enttäuschung war weiterhin präsent. Ich hatte gemerkt, wie schwer Raphael sich damit tat, Gefühle zuzulassen und wie verletzend er manchmal sein konnte, um sich selbst zu schützen. Was, wenn er sich wieder so verschließen würde?

Seit meiner Party hatte ich nur noch gelegentlich mit ihm geschrieben. Er musste kurz danach geschäftlich nach Berlin reisen. Wann er wieder zurück in Wien war, konnte er nicht sagen. Vielleicht würden wir uns aber demnächst in Berlin sehen.

Ich hatte vor Kurzem einen Auftrag bekommen, bei dem ich für einige Tage in die deutsche Hauptstadt reisen musste. Als ich Raphael davon nebenbei erzählt hatte, bot er mir direkt an, sich um eine Unterkunft für mich zu kümmern. Ich lehnte dankend ab. Ich wollte dieses Mal in ein Hotel gehen und nicht in eine Wohnung, weil das zu viel Zeit neben der Arbeit in Anspruch nehmen würde. Im Hotel musste ich mich um nichts kümmern und wurde bedient. Da die Reise sehr kurzfristig stattfand, suchte ich mir gleich eine Unterkunft und einen Flug raus und buchte beides.

Bevor es morgen Abend losging, hatte ich einige Dinge vorab zu erledigen und musste zudem meine Ausrüstung überprüfen. Ich war gebeten worden, für eine Agentur einen kurzen Imagefilm zu drehen, weil der ursprünglich geplante Videograph krank geworden war und sie dringend Ersatz brauchten. Da ich die zweite Favoritin war, fiel die Wahl auf mich.

Mein Auftraggeber hatte angeboten, alle Spesen zu übernehmen und mir eine beachtliche Summe zu zahlen. Da konnte und wollte ich nicht ablehnen. Ich bedauerte es sowieso, dass die Fotografie und das Filmen bei mir inzwischen meistens zu kurz kamen.

Sobald ich mit der groben Planung fertig war, fuhr ich zu einem Fotogeschäft und besorgte mir einen weiteren Akku sowie eine Speicherkarte. Sicher war sicher. Zuhause packte ich einen kleinen Koffer und bereitete meine Tasche mit den wichtigsten Kamerautensilien vor. Ein letztes Mal testete ich meine Kamera, ehe sie auch zu meinem Gepäck wanderte.

Ich war so vertieft darin, alles zu planen, dass ich beinahe meinen Friseurtermin vergessen hätte. Hastig zog ich mich um, ließ alles stehen und liegen und sprintete zu meinem Auto. Zu spät kommen würde ich je nach Verkehrslage zwar sowieso, aber vielleicht hielt es sich noch in Grenzen.

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