7 | 72. Kapitel

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Die Reaktion kam prompt.

Das Gebrüll der Riesen untermalte den Moment, da sich die Todesser gemeinsam erhoben. Geschrei, Keuchen, ja sogar Gelächter erklang. Mein Bruder und der dunkle Lord waren wohl die einzigen, die von dem Tumult um sie herum nichts mitbekamen. Zwischen ihnen war nichts als das Feuer, das der Szenerie mit seinen zuckenden Flammen ein unheimliches Flair verlieh.

Dass ich selbst meinem Bruder in einigem Abstand folgte, wurde mir erst bewusst, als vor mir eilige Schritte erklangen. Ein zerzauster blonder Haarschopf schob sich in mein Blickfeld und eine Hand griff sanft nach meinem Unterarm. "Mariah!"

Ich brachte es zu kaum mehr als einem Nicken. Ein Zeichen, dass ich sie zur Kenntnis genommen hatte.

Narzissa Malfoy überbrückte den Abstand zwischen uns, trat dicht genug vor mich, damit ich ihr Parfüm riechen konnte. In der offenkundigen Absicht, niemanden in unserem Umfeld an unserem Gespräch teilhaben zu lassen, brachte sie ihre Lippen dicht an mein Ohr. "Hast du Draco gesehen?"

"Nein." Meine Zunge war so trocken, dass sich selbst das kurze Wort zähflüssig anfühlte. Über Narzissas Schulter hinweg beobachtete ich wie hypnotisiert meinen Bruder, den Jungen der lebte, wie er hoch erhobenen Hauptes seinem Ende entgegenschritt. Gerne hätte ich noch etwas hinzugefügt, aber mir war, als hätte man jegliche Gedanken und Erinnerungen aus meinem Geist getilgt. Es schien mir unmöglich, mich auf etwas anderes als das Schauspiel vor mir zu konzentrieren.

Da war kein Zögern, keine Unsicherheit in seinem Gang, bis plötzlich eine Stimme über die Lichtung gellte: "HARRY! NEIN!"

Den Quell des Schreis musste ich nicht lange suchen. Es war Hagrid. Der Wildhüter war gefesselt und zusammengeschnürt an einen Baum gebunden worden. Sein massiger Körper sträubte sich verzweifelt und schüttelte die Äste über ihm.

Tatsächlich zauderte Harry. Die Zerrissenheit in seiner Mimik brach mir das Herz und ich schob eine Hand über die meiner Schwiegermutter. Ihre Finger waren eisig.

"NEIN! NEIN! HARRY, WAS WILLST'N -?"

"RUHE!", schrie einer der Todesser und nahm Hagrid mit einem peitschenden Schwenk seines Zauberstabs die Stimme.

Selbst auf die Entfernung sah ich meinen Bruder schwer schlucken. Der Moment, da er sich entschied, sich wieder auf das zu konzentrieren, weshalb er hier war, war sichtbar.

Davon abgelenkt, kostete es mich einige Sekunden, bis ich begriff, was meine Schwiegermutter zu mir sagte: "Wir haben ihn auch nicht gesehen. Lucius hat ihn darum ersucht, die Schlacht zu pausieren. Er dachte, wenn wir -" Sie unterbrach sich selbst. Schlanke Finger legten sich an meine Wange, unter mein Kinn. Damit zwang sie mich, Harry kurzzeitig aus den Augen zu lassen. Ihr Blick war stechend, gleichzeitig kräuselten sich ihre Brauen in Sorge. "Wenigstens lebt ihr beide!"

"Wir beide?", wiederholte ich atemlos und mein Herz machte einen schmerzhaften Satz. Mit diesem einen Wort gelang es ihr tatsächlich, meine volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Verstohlen kontrollierte ich die nähere Umgebung. Keiner nahm von uns Notiz. Sie alle waren viel zu gebannt von dem sich anbahnenden epischen Aufeinandertreffen zwischen den beiden Erzfeinden.

Um meine Nervosität zu überspielen, senkte ich die Stimme so weit ich konnte und murmelte: "Ich dachte, du hättest genauso wenig etwas von Draco gehört wie ich?" Ron hatte zwar gesagt, er lebte, aber ich war selbst im Schloss gewesen. Ich hatte das vorherrschende Chaos erlebt. Lupin und Tonks waren der beste Beweis dafür, wie schnell ein Schicksal entschieden, ein Leben beendet sein konnte.

"Merlin, Mariah!" Tadelnd schüttelte Narzissa den Kopf und ich war mir sicher, unter anderen Umständen hätte sie über mich gelächelt. "Mein Sohn hat sich Sorgen um dich gemacht und Briefe geschrieben. Ich war selbst einmal in freudiger Erwartung, weißt du?"

Über diese altertümliche Bezeichnung verzog ich das Gesicht. "Hast du ihn aufgeklärt?"

Sie schüttelte den Kopf. "Ich habe ihm nur gesagt, wenn es Grund zur Sorge gäbe, würdest du ihn nicht im Unklaren lassen."

Ich hätte nicht gedacht, dass ich an diesem Ort noch so etwas wie Erleichterung verspüren konnte. Nicht, wenn die verbleibenden Herzschläge meines letzten lebenden Familienmitglieds gezählt waren. Und doch sank ich ein Stück weit in mich zusammen.

Meiner Schwiegermutter entging es nicht. Sie drückte meinen Arm. "Er wird sich freuen."

Und da war sie wieder. Die bittere Realität. Eilig, damit sie mir den flüchtigen Gedanken nicht an der Nasenspitze ansah, wandte ich den Blick ab.

Nur die Flammen bewegten sich noch, als Harry dem dunklen Lord fast schon bedächtig gegenübertrat. Selbst Nagini hatte aufgehört, sich zu ringeln.

Ich hörte meinen eigenen Puls in den Ohren hämmern, wäre am liebsten noch näher gegangen, um einen besseren Blick zu haben. Doch kaum setzten sich meine Füße in Bewegung, schob Narzissa sich mir wieder in den Weg. Eindringlich schüttelte sie den Kopf.

"Aber -", wollte ich protestieren.

Sie unterbrach mich mit einer emporgezogenen Braue. Die Ähnlichkeit zu Draco in dieser Geste war so verblüffend, dass ich tatsächlich den Mund hielt. Ich wusste, was er zu mir gesagt hätte, wenn er jetzt bei mir gewesen wäre. Und auch Narzissas Botschaft war klar. Ich war schwanger mit ihrem Enkelkind, dem Erben der Familie Malfoy und als angehende Mutter hatte ich meine Gesundheit zu schützen.

Etwas, das leichter gesagt, als umzusetzen war. Unruhig drehte ich meinen Zauberstab zwischen meinen Fingern. Auch für mich tickte die Uhr.

Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, in der der dunkle Lord und Harry einander nur anblickten. Ersterer seinen Kopf ein wenig zur Seite geneigt, während er meinen Bruder vor sich betrachtete. Ein seltsam freudloses Lächeln kräuselte seinen lippenlosen Mund.

"Harry Potter", sagte er ganz leise und es wirkte, als sei seine Stimme Teil des zischenden Feuers. Dennoch konnte wohl jeder der hier Anwesenden den Namen vernehmen. Ich erschauderte. "Der Junge, der überlebt hat."

Kein Todesser rührte sich. Mein Drang, weiter nach vorne zu drängen, war zum Erliegen gekommen, ich fühlte mich wie festgewachsen.

Wir warteten. Alles wartete. Hagrid kämpfte, womit er jedoch der Einzige war, der sich noch bewegte. Der Wald selbst schien verstummt.

"Sun is down, stars in the skies", begann ich stumm unser Kinderschlaflied zu singen, weil es mir aus irgendeinem unerfindlichen Grund richtig erschien. Tränen liefen mir übers Gesicht. Ich war über und über mit Blut befleckt, aber es kümmerte niemanden. Harry wusste nicht, dass ich hier stand. Dabei hätte er sich nur umdrehen müssen. Für einen flüchtigen Herzschlag wünschte ich mir, ich hätte ihm ein letztes Mal ins Gesicht sehen, ihm versprechen können, dass ich seinen Auftrag zu Ende bringen würde. Das Holz meiner Waffe schmiegte sich vertraut in meine Handfläche. "Close your drowsy little eyes."

Der dunkle Lord hob seinen Zauberstab. Sein Kopf war immer noch zur Seite geneigt, wie der eines neugierigen Kindes, als ob er sich fragte, was geschehen würde, wenn er weitermachte. Ich spürte den Zauber kommen, hielt selbst den Atem an.

Dann sah ich, wie sich der lippenlose Mund bewegte. Ein grüner Lichtblitz schoss aus dem weißen Stab.

Mein Bruder machte keine Anstalten, sich zu verteidigen. Tat das, was ihm, zumindest wenn es nach Dumbledore ging, seit jener Halloweennacht 1981 vorherbestimmt war.

Der Zauber traf ihn mitten in die Brust.

"Rolling waves are one the coast, don't forget we love you both!", brachte ich die Zeile zu Ende, an die ich mich seit jeher erinnerte, während ich beobachtete, wie Harry Potter zu Boden ging.

Unknown Potter III - Fight for the greater GoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt