7 | 27. Kapitel

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Das Rattern der Räder auf den Schienen wurde langsamer. Der Zug pfiff, die Bremsen quietschten. Ich atmete tief durch und riss endlich meine Aufmerksamkeit von der Welt hinter der Scheibe fort, wo der Himmel sich zusehends schwarz gefärbt hatte, während wir uns etwas mehr als die letzte halbe Stunde angeschwiegen hatten.

Wehmütig drehte ich den silbernen Ehering an meinem Ringfinger, dann endlich wagte ich es, Dracos Blick zu begegnen. Er las mir den Gedankengang an der Nasenspitze ab, nickte zur Antwort bloß. "Es sind nur zwei Wochen."

"Die mir jetzt schon wie eine Ewigkeit vorkommen", flüsterte ich in meinen nicht vorhandenen Bart. Keiner der anderen verstand mich.

Ein Rucken lief durch den Zug. Eine Handvoll Häuser noch, dann würden wir in den Bahnhof Kings Cross einfahren. Ich straffte die Schultern, versuchte es mit einem weiteren tiefen Luftholen. Wirklich helfen tat es nicht. Meine Finger bebten.

Draco griff danach. "Wir haben noch den ganzen morgigen Tag, an dem wir tun und lassen können, was wir wollen."

"Ist das ein Versprechen?"

Ein schmallippiges Lächeln. "Wir könnten shoppen gehen. Ein neues Kleid für dich, ein neuer Anzug für mich."

Ich seufzte tief und griff nach meiner Tasche, in der außer einem Pulli, einem Umhang und dem verzauberten Brief von Lupin nicht viel lag. Dementsprechend leicht war sie. "Lass mich raten, das Weihnachtsdinner erfordert Abendgarderobe?" Die Aussicht darauf versetzte mich keineswegs in Hochstimmung. Immerhin waren es kaum mehr dreißig Stunden bis dahin.

"Du hast in eine der alten achtundzwanzig eingeheiratet", sagte Blaise von der Seite. Sein Feixen wirkte nicht ganz echt, sein Lächeln nicht breit genug. "Was hast du erwartet? Ein Weihnachtsfest in Schlabberpulli und Jogginghose?"

Guter Punkt. Wieder seufzte ich tief und kam mir gleich darauf albern vor, weil ich in den letzten fünf Minuten nicht viel anderes zu tun schien. Dabei half es nicht im Geringsten.

Als ich kurz darauf hinter Draco her das Abteil verließ und die Türen sich mit einem Pfeifen öffneten, klopfte mein Herz wie verrückt. Es würde das erste Mal seit den Sommerferien sein, dass ich meine Schwiegereltern wiedersah. Dass ich dem dunklen Lord wieder gegenübertreten musste.

Ganz der vollendete Gentleman griff Draco vom Bahnsteig aus nach meiner Tasche und streckte mir dann die Hand entgegen, um mir beim Aussteigen zu helfen. Leise bedankte ich mich, konnte mich jedoch nicht so recht auf ihn konzentrieren, weil ich hinter ihm bereits Narzissa Malfoy herannahen sah. "Deine Mutter ist auch der Meinung, wie seien noch nicht alt genug, um alleine nach Hause zu apparieren, was?"

Angesichts meines düsteren Tonfalls zuckte Draco nur hilflos mit den Schultern, hob wie zur Entschuldigung meine Hand an seinen Mund und hauchte einen Kuss darauf. "Das übliche Begrüßungskomitee schätze ich."

"Was denken sie denn von uns?" Ich winkelte den linken Unterarm an. "Dass wir die erstbeste Chance ergreifen und meinem Bruder zur Hilfe eilen? Als ob das so einfach wäre."

Tadelnd sah er mich an, öffnete den Mund und unterbrach sich gleich darauf.

Narzissa war bei uns angelangt. "Da seid ihr ja." Sie hauchte ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange, ohne dabei im Geringsten die Miene zu verziehen. Dann griff sie nach meiner zweiten Hand und drückte sie. "Lucius wartet bereits auf uns. Ihr wisst, wie sehr er Unpünktlichkeit verabscheut!"

Darauf lagen mir einige Erwiderungen auf der Zunge, doch ich verkniff sie mir alle. Ein letztes Mal betrachtete ich die rote Lock, sog den rußigen Geruch ein und schenkte Harrys Freunden einen langen Blick. Ginny erwiderte ihn und selbst auf die fünfzehn Meter Entfernung sah ich die hochgezogene Braue der Rothaarigen. Als würde sie mich verhöhnen und mich fragen, welchen Wert ich McGonagalls Worten beimaß.

Mit zusammengebissenen Händen ballte ich die Hand zur Faust. Ich muss wissen, wem ich zu gehorchen habe. Davon hatten all jene Moralapostel keine Ahnung. Lauft erst mal meinen Weg in meinen Schuhen, bis ihr über mich urteilt, sandte ich ihr mental zurück und wusste gleichzeitig, dass sie es nicht verstanden hätte, wenn ich es ihr laut zugerufen hätte.

Brav senkte ich stattdessen den Kopf. Ich hätte noch nicht die Rolle der fügsamen Ehefrau spielen müssen. Narzissa bedachte mich zwar mit einem anerkennenden Stirnrunzeln, welches ich beinahe körperlich spüren konnte, aber vor ihr hätte ich diesen Platz nicht einnehmen müssen. Ich tat es trotzdem. Immerhin hieß es immer, früh übte sich und ich wollte nicht erst damit anfangen, wenn ich bereits vor dem Oberhaupt der Familie Malfoy stand.

Fünf Minuten später, als wir mit einem leisen Plopp in der Auffahrt von Malfoy Manor landeten, links und rechts von uns die hoch aufragenden Hecken und vor uns das metallene Eingangstor, fühlte sich mein Blut kalt an vor Beklemmung. Ich taumelte in einem Anflug von Schwindel gegen Draco, der mich mit einem Arm um meine Taille auffing und stützte. "Alles gut?"

Ich zwang mich zu einem tapferen Nicken, hob gleich darauf das Kinn hoch in die Luft, da Narzissa bereits vorauseilte. Mir blieb keine Zeit, mich von meiner Apparier-Übelkeit zu erholen. Das sagte ich auch Draco, der mir zwar noch einen langen Blick aus spiegelgrauen Augen zuwarf, sich dann jedoch umwandte. An seiner Hand folgte ich ihm auf das Haus Malfoy zu. Düster und mit der Versprechung all seiner Etikette ragte es vor uns auf.

Unsere Begrüßung war düster. Der Geruch nach Feuerholz und Staub empfing uns, vermischt mit einer leisen Note Minze, die mir von Draco so vertraut war. Eine Hauselfe, die uns das Eingangsportal öffnete, verbeugte sich tief bei unserem Erscheinen. Ich zwang mich dazu, sie mit keiner dankenden Geste zu bedenken, da ich mir sicher war, dass dies einer der Punkte gewesen wären, die sich einfach nicht schickten. Eine der Gesten, von denen ich mich hüten würde, sie unter Lucius Malfoys Nase auszuüben.

Düster stand er am Aufgang der Treppe nach oben und musterte uns aus jenen grauen Augen, die Draco von ihm geerbt hatte. Askaban hin oder her, er bot nach wie vor eine eindrucksvolle Erscheinung, wenn er sich Herr im eigenen Haus wähnte. Da taten sein länger gewordenes, silbrig blondes Haar und die dunklen Ringe unter seinen Augen keinen Abbruch, von denen ich wusste, dass sie da waren. Sehen konnte ich sie in seiner gegenwärtigen Position nicht, in der ihn das Licht der Fackeln nur von hinten beleuchtete.

"Vater!", grüßte Draco ihn und ich versank in einem kurzen Knicks.

Wieder einmal verfluchte ich diese Etikette. Mit bodenlangem Kleid mochte eine Geste dieser Art angemessen erscheinen, so jedoch fühlte sie sich nur ungelenk an. "Mr. Malfoy", sagte ich, sobald ich mich auf Dracos leisen Händedruck wieder aufrichtete.

"Filly, nimm meinem Sohn und seiner Frau ihre Mäntel und ihr Gepäck ab. Dann trag im kleinen Salon das Dinner auf." Wenigstens die Art, seine Untergebenen von oben herab zu behandeln, hatte er nicht verlernt. Narzissa bedachte er bloß mit einem Nicken, uns schenkte er keinerlei weitere Beachtung. Als er sich umdrehte, um in den ersten Stock hinaufzusteigen und sein Profil dabei sekundenlang vom Licht der Flammen perfekt umrissen wurde, war seine Zeit unter dem ständigen Einfluss nicht mehr zu verleugnen. Seine aristokratischen Züge waren in den zwei Monaten unserer Abwesenheit noch eine Spur schärfer geworden und obwohl er sich kerzengerade hielt, fehlte ihm die Eleganz seiner Bewegungen, die er seinem Sohn einst vorgelebt hatte.

Eiswasser schien mir durch die Adern zu fließen, welches auch Dracos sanfter Kuss in meinem Nacken nicht vertreiben konnte, ehe er mir meinen Mantel vollständig abstreifte und ihn achtlos der hilfsbereit wartenden Hauselfe in die Hände drückte.

"Er ist alt geworden", flüsterte ich ihm zu und sah meinen Schwiegereltern hinterher, die oben vor dem Porträt dreier Pfauen in den Korridor einbogen, in dem auch der kleine Salon lag.

Ein Achselzucken antwortete mir. "Wundert es dich? Wir sind auch nicht mehr jene, die wir vor all dem hier waren."

Er schüttelte sich seinen Mantel von den Schultern, warf ihn ebenfalls zu der Hauselfe, die unter dem zusätzlichen Gewicht sekundenlang schwankte, bis sie mit einem lauten Knall ins Nichts verschwand.

"Komm jetzt. Wir sollten sie nicht länger warten lassen."

Schicksalsergeben ergriff ich seine ausgestreckte Hand und folgte ihm die kalten Steinstufen hinauf. Dabei schienen wie üblich die Blicke von Generationen der Familie Malfoy auf mir zu lasten. Ob ich mich je daran gewöhnen würde?

Unknown Potter III - Fight for the greater GoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt