7 | 9. Kapitel

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Umso näher ich kam, desto schwerer fiel es mir, meine Maske aufrecht zu erhalten. Mein gleichgültiger Gesichtsausdruck kam ins Wanken und ich musste mir auf die Wange beißen, um mich durch den Schmerz unter Kontrolle zu halten. Mit einer Hand umklammerte ich meinen Zauberstab, die andere krallte ich in meinen Umhang. Sekundenlang erwog ich, mein Gesicht unter der Todessermaske zu verbergen.

Doch genauso schnell wie der Gedanke gekommen war, verwarf ich ihn auch wieder. Das Ministerium war gefallen, für Versteckspiele bestand kein Bedarf mehr. Außerdem wollte ich den Menschen in die Augen sehen, die meinem Bruder etwas bedeuteten. Wenn sie erkannten, wer ich wirklich war, würde das hoffentlich dazu beitragen, Harry von mir fernzuhalten. In Gefahr brachte er sich schon von ganz alleine, da musste ich nicht auch noch dazu beitragen.

Bellatrix war eine der ersten, die meine Anwesenheit bemerkte, ihr Lachen wurde noch schriller. Der Spott darin unüberhörbar, wobei ich mir unsicher war, ob es sich gegen mich oder gegen die Hochzeitsgäste richtete, von denen einige ebenfalls die Köpfe in meine Richtung wandten.

Das von der Sommerhitze trockene Gras knirschte unter meinen Schritten, mein Umhang raschelte bei jeder Bewegung. Ich wusste, dass Lucius Malfoy dicht hinter mir war, dennoch war es meine Gestalt, die sämtliche Blicke auf sich zog.

Ich hielt das Kinn hocherhoben und rief mir beinahe fieberhaft meine Taten der letzten Jahre ins Gedächtnis. Severus Snape hatte mir beigebracht, wie man spielte. Ich wusste, wie ich meine Gedanken verbarg und ich hatte es geschafft, dem dunklen Lord erhobenen Hauptes entgegenzutreten. Da spielte es keine Rolle, dass ich mich in schwachen Momenten am liebsten an der Schulter meines Ehemannes ausweinen würde. Hier und jetzt war ich nicht Mariah Elisabeth Potter, ich war Caitlyn Snape, das Mädchen, als das ich großgezogen worden war.

"Dein Bruder ist soeben geflohen", kreischte Bellatrix, ein Hauch von Triumph in der Stimme, kaum dass ich in Reichweite war. In ihren dunklen Augen blitzte es gefährlich, als sich unsere Blicke begegneten und ich hatte fast den Eindruck, die längst verheilte Narbe in meinem Gesicht stechen zu spüren. "Habt ihr das gehört?", wandte sie sich aufkreischend an die versammelten Ordensmitglieder, "Euer heiliger Auserwählter, das Baby Potter, ist lieber abgehauen, als an eurer Seite zu kämpfen. Er hat euch wissentlich unserer Gnade überlassen."

"Als ob ihr die kennen würdet!" Der Schrei kam aus einer der vorderen Reihen und beim näheren Hinsehen erkannte ich Ginny. Arg mitgenommen, das rote Haar klebte in einer blutigen Wunde auf ihrer Stirn. Ihr Festkleid war zerfetzt, doch ihr Wille schien ungebrochen. Wie eine Wildkatze wehrte sie sich schlagend und tretend gegen den Griff eines hageren Mannes, den ich noch nie gesehen hatte. Wahrscheinlich handelte es sich bei ihm um einen der Ministeriumsmitarbeiter, die mit der Machtübernahme umgedreht wurden.

"Wir wissen nicht einmal, ob Potter wirklich hier war." Beinahe wäre ich beim Klang meiner Stimme selbst zusammengezuckt. Wann war ich so kalt geworden? Als würde ich neben mir stehen und wäre nur noch Zuschauer in meinem eigenen Körper, trugen mich meine Schritte näher an das Weasley-Mädchen heran, an dem Harry so einen Narren gefressen hatte. Direkt vor ihr blieb ich stehen. "Wenn das allerdings ein Geständnis war, können wir uns die Suche nach ihm sparen. Magst du uns nicht sagen, wo er ist?"

Trotzig schob sie den Unterkiefer vor und schwieg. Mir war klar, dass sie fest zu Harry halten würde. Tatsächlich wäre ich enttäuscht gewesen, wenn dem nicht so gewesen wäre und doch überraschte mich ihre Selbstbeherrschung, mit der sie mir nun gegenübertrat.

"Ein Cruciatus würde deine Zunge vermutlich auch nicht lösen, oder?", fragte ich leise genug, um sicherzustellen, dass nur sie mich hören konnte.

Ginnys Augen verengten sich zu Schlitzen, die beinahe Professor McGonagall Konkurrenz hätten machen können. "Ich hatte dich wirklich für besser gehalten, Caitlyn."

Ich legte den Kopf schief, perfekt auf meine gleichgültige Rolle abgestimmt. Meine Finger, mit denen ich meinen Zauberstab hielt, zuckten, aber ich konnte mich nicht dazu aufraffen, ihn wirklich einzusetzen. Das war genau das, was ich befürchtet hatte. Ich war nicht in der Lage, einen Unverzeihlichen gegen die Leute einzusetzen, die mir in der Vergangenheit vielleicht sogar einmal etwas bedeutet hatten.

"Durchsucht das Haus", wies ich die umstehenden Todesser mit erhobener Stimme an. Zu meiner Überraschung löste sich etwa die Hälfte aus ihrer Starre und wandten sich gen Fuchsbau. Nun war es an meiner Stelle, Bellatrix einen Blick mit erhobener Augenbraue zuzuwerfen. Es war offenkundig, dass ich bei diesem Auftrag einen höheren Status innehatte als sie. Dieses Mal hatte ich die Befehlsgewalt.

Nur kurz erlaubte ich mir den Moment der stummen Selbstzufriedenheit, dann ließ ich den Blick über die übrigen Hochzeitsgäste schweifen. Mein erster Eindruck war richtig gewesen. Sie waren wie Lucius gesagt hatte, frühzeitig gewarnt worden und so waren bis auf die Ordensleute die meisten normalen Hochzeitsgäste disappariert. "Will mir einer von euch andern Informationen über den gegenwärtigen Aufenthaltsort meines Bruders geben?"

Mein Umhang schlug mir um die Beine, als ich eine Wanderung vor unseren Gefangenen begann. Schweigen schlug mir entgegen. Schweigen, dass ich dazu nutzte, jedem einzelnen in die Augen zu schauen und ihnen Glauben zu machen, dass ich unwiderruflich zu einer der Schergen des schwarzen Lords geworden war.

Mein Herz pochte nach wie vor heftig in meiner Brust, aber sein Rhythmus hatte sich beruhigt, als begänne ich selbst, tief in meinem Innern, diese Rolle zu glauben. Teilweise sah ich das Entsetzen darüber in den Augen derer, die mich einst geglaubt hatten, zu kennen.

Molly Weasley, ihre Wangen nicht mehr gar so rosig wie sonst, schenkte mir ein tiefes, wenngleich lautloses Seufzen, als ich an ihr vorüber schritt. Wie oft hatte sie mir ihre Hilfe angeboten? Hätte es etwas geändert, wenn ich mich ihr anvertraut hätte? Vermutlich nicht und doch hatte sie immer wieder versucht, an mich heranzukommen, egal wie sehr ich sie von mir gestoßen hatte.

In den Augen ihres Mannes, hochaufgewachsen und jetzt durch eine Verletzung an seinem Oberschenkel etwas gekrümmt, stand pures Mitleid, gepaart mit Unglaube und Schmerz. Vermutlich konnte er meinen Anblick nicht ertragen. Ich schenkte ihm ein zynisches Lächeln.

Ansonsten kannte ich nur wenige der Anwesenden, doch umso mehr ich betrachtete, desto bewusster wurde ich mir, dass mein Bruder wirklich hier gewesen war. All dies waren Menschen, die meinem Bruder etwas bedeuteten und bei denen er sich zweifellos sicher gefühlt hatte. Es gab Mittel und Wege, selbst einen so bekannten Zauberer wie den Auserwählten zu tarnen und da auch Ron und Hermine fehlten, gab es in mir keinen Zweifel, dass sie zu dritt auf der Flucht waren.

"Keiner?", fragte ich aufs Neue und hob meinen Zauberstab in einer spielerischen Geste so, dass ich ihn mit den Fingern beider Hände balancieren konnte. Für den Moment blendete ich die anderen Todesser aus, von denen sich ohnehin niemand seit meinen ersten Worten großartig bewegt hatte. Selbst Bellatrix stand reglos da. Ich spürte ihren Blick auf mir, mit dem sie mich beobachtete und vermutlich auf jeden kleinsten Fehltritt geierte.

Doch was hier für mich galt, galt genauso gut für sie. Der dunkle Lord würde von den Geschehnissen hier Wind bekommen und ich hoffte sehr darauf, dass er mich für wichtig genug erachtete, um mich vor Übergriffen der Black-Hexe zu schützen.

"Seid ihr euch sicher?" Ich klopfte mit meinem Zauberstab auf meine linke Handfläche, wobei rote Funken hervorstoben. Die Warnung war eindeutig, allerdings konnte ich auf eine Reaktion der Ordensleute vermutlich vergeblich hoffen. "Nun gut." Langsam wandte ich mich zu Bellatrix Lestrange um, wobei es mir bereits vor den Worten graute, die ich gleich aussprechen würde. "Kommen wir zu deinen Methoden."

Unknown Potter III - Fight for the greater GoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt