7 | 2. Kapitel

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Wenig später, als mein Schatten bereits vollständig von der Dunkelheit verschluckt wurde, hastete ich den gekiesten Weg entlang, geradewegs auf das Eingangsportal des riesigen Manors zu. Ich wusste, was mich dahinter erwarten würde und mir war klar, dass es meiner vollen Aufmerksamkeit bedurfte. Das Mal an meinem Unterarm stach immens und ich widerstand dem Drang nur mit Mühe, mit der Hand darüberzufahren.

Das Bild der dürren, blonden Frau hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt. Sie hatte mich mit Lily angesprochen, dem Namen meiner leiblichen Mutter. Aus Reflex zuckten meine Finger hinauf zu meinem Hals, ertasteten jedoch nichts weiter als blanke Haut. Der Schock war nicht mehr gar so schlimm, wie er kurz nach Ferienbeginn gewesen war. Ich hatte mehrere Wochen Zeit gehabt, um mich an das Fehlen meiner Kette zu gewöhnen.

Wieder schien die Stimme der Frau in meinen Ohren widerzuhallen. Die Worte, die sie an mich gerichtet hatte, kaum dass ich mich zu ihr umgewandt hatte: "Sie sind nicht meine Schwester. Wer sind Sie? Was machen sie an ihrem Grab?" Entsetzen hatte aus jedem einzelnen Ton gesprochen.

Am liebsten hätte ich die Frage zurückgegeben. War diese Muggel-Frau meine Tante gewesen? Ich hatte nichts zu ihr gesagt, hatte wie erstarrt da gestanden und seltsamerweise das absurde Rätsel verfolgt, wieso sie einen derartig langen Hals besaß.

Das schwere Portal vor mir schwang auf. Kaum nahm ich die Präsenz des dunklen Lords wahr, verdrängte ich diese Überlegungen in den hintersten Winkel meines Kopfes. Für solche Gedanken war später immer noch Zeit. Das Kinn erhoben verlangsamte ich meine Schritte minimal, während ich meine Okklumentikschilde verstärkte.

Eine Gänsehaut ließ mir die feinen Härchen am ganzen Körper zu Berge stehen, als ich das sich mir darbietende Bild in mich aufnahm. Greyback schabte sich mit einem seiner unangenehm langen Nägel ungerührt den Zahnbelag von den Zähnen, einige Todesser standen an der hinteren Wand und hatten die Köpfe gesenkt. Ihre Besen lagen zerzaust zu ihren Füßen und Risse an ihren Ärmeln kündeten von erheblichem Widerstand, den mein Bruder und seine Beschützer aufgeboten hatten.

Der schwarze Lord tigerte in der Mitte der Halle auf und ab. Sein Schatten schrumpfte zusammen oder zog sich in die Länge abhängig von der Position, in der er zum massiven Kronleuchter an der Decke stand. Nur wenige Kerzen brannten daran, flackerten unruhig in der Stille, als nähmen sie Anteil am Schicksal der Anwesenden.

Hastig ließ ich meine Augen über die Übrigen schweifen, bis ich den vertrauten Blondschopf erblickte. Er stand neben seinen Eltern am Geländer der steinernen Treppe und wirkte ungeheuer verloren. Sein normalerweise viel zu ordentliches Haar stand wild in alle Richtungen und erinnerte mich so schwach an die ungezähmte Mähne meines Bruders. Sein Vater neben ihm sah nicht viel besser aus. Mr. Malfoys eigentlich herrschaftlichen Wangen waren eingefallen, seine Augen blutunterlaufen und in seine Züge war ein gehetzter Zug getreten. Offenbar eine zwingende Nebenwirkung Askabans, unter der auch Bellatrix zu leiden hatte.

"Mariah."

Statt zusammenzufahren, überprüfte ich den Sitz meiner Okklumentikschilde und erwiderte den Blick aus blutroten Augen. Nachdem ich mich über das Wohlergehen meines Verlobten versichert hatte, hatte ich meinen Ziehvater in der hintersten Ecke des Raumes entdeckt, seine Gestalt fast unsichtbar in den düsteren Schatten um ihn herum. Sein Anblick hatte ausgereicht, um mich einen Moment aus dem Tritt zu bringen, weshalb ich nicht mitbekommen hatte, wie mein Herr sich mir zugewandt hatte.

"Wo warst du?", fragte der dunkle Lord mit trügerisch ruhiger Stimme, die in mir alle Alarmglocken zum Schrillen brachte. "Hatte ich dich nicht angewiesen zurückzubleiben?"

Seine Wut wurde von dem Stechen und Brennen an meinem Unterarm eindrucksvoll untermalt. Jeder hier im Saal musste sie spüren. Ich widerstand dem Drang, mein Kinn noch weiter zu recken. "Ich war in Spinner's End." Beinahe verhaspelte ich mich bei der Nennung des Ortes, konnte es allerdings durch einen tiefen Atemzug verschleiern. Ich war nicht umsonst als Caitlyn Snape aufgewachsen. Ich beherrschte das Lügen. Egal, wem ich gegenüber stand. "Ich habe ein altes Schulbuch von mir gesucht, es aber leider nicht gefunden."

Beiläufig spielte mein Herr mit dem langen Zauberstab zwischen seinen Fingern. Es war wieder sein eigener. Ob Lucius' Zauberstab zerstört war oder längst wieder bei seinem Besitzer, blieb ungeklärt. "Du warst also nicht zufällig bei deinem Bruder und hast mich hintergangen? Hast an seiner Seite gegen uns gekämpft?"

Irritiert setzte ich zum Sprechen an, biss mir auf die Zunge. "Welchen Sinn sollte das haben?"

Unruhige Bewegungen an den Wänden. Jeder von ihnen war zweifellos froh, nicht an meiner Stelle zu stehen.

Er konnte nicht ernsthaft denken, dass ich nach all dem, was ich für ihn aufgegeben hatte, zurück zu meinem Bruder rannte? Das sorgfältig aufgebaute Vertrauen von jetzt auf gleich durch eine derart unbedachte Tat zerstörte?

Doch als sich seine Nüstern blähten, was ihm einmal mehr das Aussehen einer Schlange verlieh, und er die Augen zusammenkniff, begriff ich, was Sache war. Ich hatte einfach den denkbar schlechtesten Zeitpunkt gewählt, um wieder hier in Malfoy Manor aufzutauchen. Die Begegnung mit der fremden Frau am Grab meiner Eltern hatte mich zu viel Zeit gekostet. In diesem Moment stellte ich den perfekten Sündenbock dar. Und der dunkle Lord brauchte ein Ventil für seinen Zorn.

Obwohl ich mich innerlich noch dagegen wappnete, kam das Zucken seines Zauberstabs viel zu früh. Ein Schrei entkam meinen Lippen, als mich der Cruciatus traf und mir die Beine unter dem Körper wegzog. Ich sah das verzerrte Gesicht des Zauberers, dem ich unfreiwillig die Treue geschworen hatte, dessen Züge jedoch keinerlei Regung zeigten. Die Gestalten an den Wänden verschwammen zu einer einzigen Masse, als ich gezwungen war, die Augen zu schließen.

Heiße Qual rann durch meine Adern und versenkte mich von innen, während tausende Messer meinen Körper von außen zu malträtieren schienen. Obwohl ich mir unter anderen Umständen lieber die Zunge abgebissen hätte, gelang es mir nicht, die Schreie zu unterdrücken. Meine Wangen waren feucht von Tränen. Ich schmeckte die salzige Flüssigkeit, vermischt mit etwas Metallischem.

Ich hatte das Gefühl, meine Qual würde ewig andauern. Nach wie vor schienen sich scharfe Klingen in meine Haut zu graben und mir einen Streifen nach dem anderen abzuschälen, doch unfassbarerweise war es schließlich vorbei. Der Schmerz verblasste und irgendwie wusste ich, dass der schwarze Lord disappariert war.

Wie ein Häufchen Elend blieb ich auf dem Boden liegen, versuchte krampfhaft, das Schluchzen zurückzudrängen, bis meine Kehle brannte und meine Muskeln zitterten. Die kühlen Finger meines Verlobten, welche mir das Haar aus dem Gesicht strichen, nahm ich kaum wahr. Dennoch flackerte ein kleines Glücksgefühl in meiner Brust, welches unwillkommener nicht sein konnte. Mein Bruder war entkommen. Fürs Erste ging es ihm gut.

Unknown Potter III - Fight for the greater GoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt