7 | 51. Kapitel

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Etwas packte mich an der Hüfte und warf mich mit der Wucht eines Sprengfluchs zurück. Hart prallte ich auf dem polierten Parkett auf, wo mir gleich darauf die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Eine Explosion von Kristall und Ketten um uns herum, dann eine Hand, die meinen Kopf schützend an eine Brust zog. Nur vage erkannte ich die glitzernden Kristallscherben, die in alle Richtungen stoben.

Erst Sekunden später realisierte ich, dass es sich bei meinem Retter um Draco handelte. Er mochte zwar das Schlimmste von mir abgehalten haben, dafür blutete sein Gesicht, das er nicht mehr hatte schützen können.

"Geht es dir gut?", fragte er atemlos und stützte sich mit den Händen auf dem Boden ab, um sein Gewicht von mir zu nehmen.

Mir blieb keine Zeit zum Antworten.

Ich sah Ron losrennen, erkannte den Moment, da Harry seine Chance ergriff. Er sprang über einen Lehnstuhl zu uns herüber, packte die zwei Zauberstäbe aus Dracos Griff. Mein Mann hatte ihn nicht kommen sehen, wandte viel zu spät den Kopf, um noch zu sehen, wie Harry die beiden Zauberstäbe auf Greyback richtete und einen Schockzauber schrie. Der Zauber riss den Werwolf von den Füßen.

Mein Bruder schenkte dem Ganzen nicht viel mehr Beachtung. Stattdessen bückte er sich auch zu mir herunter. Halb erwartete ich, er würde mir ebenfalls meine Waffe entwenden, als mir erst bewusst wurde, dass er Ebenholzstab nicht in meiner Hand lag.

Panik machte sich in mir breit. Suchend huschte mein Blick über den Boden, bis ich ihn etwa dreißig Zentimeter von mir entfernt zwischen den Scherben entdeckte. Der Stab von Bellatrix dicht daneben. Als Harry sich genau danach bückte, klopfte mir mein Herz bis zum Hals, als wollte es aus meiner Brust ausbrechen.

"Nein!", flüsterte ich und schämte mich nicht einmal für den flehenden Unterton.

Grüne Augen trafen auf meine, als Harry den Kopf hob. Die ungeschnittenen langen Strähnen seines Haars ließen ihn wie einen Fremden wirken und erinnerten mich so einen absurden Moment lang an Sirius.

Wie sein Pate war er gegenwärtig ein unschuldig vom Ministerium gesuchter Verbrecher, wodurch ihm Annehmlichkeit wie beispielsweise ein Besuch beim Friseur offenkundig verwehrt blieben. Für derlei weltliche Dinge blieb schlichtweg keine Zeit und das, obwohl er doch eigentlich etwas wie die einzige Chance der Zaubererwelt darstellte, mit heiler Haut diese düsteren Zeiten des Krieges zu überstehen. Er sollte gefeiert werden, an jeder Ecke Unterschlupf und Zuflucht finden.

Doch die Hexen und Zauberer hatten Angst, was ich ihnen nicht einmal verdenken konnte. Niemand wusste, wem zu trauen war. Merlin, nicht einmal ich war mir da sicher und ich stand gegenwärtig wenigstens augenscheinlich auf Seiten der Gewinner.

Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, wie mein Bruder es anstellen wollte, dem dunklen Lord ein für alle Mal den Gar aus zu machen. Aber er musste einen Plan haben, oder? Wieso sonst sollte er all diese Risiken eingehen, von denen ich mir sicher war, dass nur ein Bruchteil an die Öffentlichkeit drang? Er war im Ministerium eingebrochen, nach Godric's Hollow gegangen und hatte England trotz der auf seinen Kopf ausgesetzten Belohnung nie verlassen. Es wäre für ihn ein leichtes gewesen, in die USA auszuwandern oder in Frankreich unterzutauchen, womit er zumindest aus dem unmittelbaren Wirkungskreis seines Erzfeindes entflohen wäre.

Wieso also blieb er?

Zu gerne hätte ich ihn genau das gefragt, doch als ich blinzelte, war der Bann zwischen uns gebrochen. Die geschwisterliche Verbindung, die ich unterschwellig gespürt hatte, verpuffte ins Nirgendwo.

Auch mein Bruder riss sich los, pflückte Bellatrix Zauberstab vom Boden und trat mit dem Fuß gegen meinen, der daraufhin unter eines der Sofas und somit für den Moment außerhalb meiner Reichweite rollte.

"Dobby!" Narzissas Schrei ließ mich auffahren. Sie zeigte mit dem Zauberstab Richtung Tür und selbst Bellatrix, die mit ihrem silbernen Messer herumgefuchtelt hatte, erstarrte. "Du! Du hast den Kronleuchter herabstürzen lassen -?"

Ein kleiner Elf tapste in den Raum, den ich noch nie gesehen hatte. Er hatte tennisballgroße Augen und war etwa kniehoch. Bei meiner gegenwärtigen Position auf dem Boden befand er sich demnach genau auf meiner Augenhöhe. Ungewöhnlich für einen Hauselfen war allerdings seine Kleidung. An den Füßen trug er sogar Schuhe. Mit einem zitternden Finger deutete er auf meine Schwiegermutter. "Sie dürfen Harry Potter nicht wehtun", quiekte er.

"Töte ihn, Zissy!", kreischte Bellatrix, doch es gab einen weiteren lauten Knall, und auch Narzissas Zauberstab flog in die Luft und landete auf der anderen Seite des Raumes. Nun war keiner von uns mehr bewaffnet.

Als ich unbehaglich nach hinten tastete, bekam ich Dracos Bein zu fassen. Er hatte sich in eine kniende Position hochgearbeitet und starrte wie seine Mutter mit offenem Mund den Elfen an. Allerdings wirkte er dabei mehr verblüfft denn fassungslos.

"Du dreckiger kleiner Affe!", brüllte Bellatrix. "Wie kannst du es wagen, den Zauberstab einer Hexe in die Hand zu nehmen, wie kannst du es wagen, deinen Herren zu trotzen?"

"Dobby hat keinen Herrn!", quiekte der Hauself. "Dobby ist ein freier Elf, und Dobby ist gekommen, um Harry Potter und seine Freunde zu retten!"

Ich runzelte die Stirn. Was auch immer mein Bruder getan hatte, um die Loyalität dieses Wesens zu verdienen, er hatte gut daran getan. Doch er ließ Dobby keine Zeit, um seine Worte gänzlich auf die Anwesenden wirken zu lassen.

Harry fasste sich an die Narbe und verzog gequält das Gesicht. Wie er spürte auch ich das Herannahen des dunklen Lords. Mein Mal sprach Bände. Uns blieben womöglich nur noch Momente, Sekunden, Herzschläge, bis zu seinem Eintreffen.

"Ron, fang – und VERSCHWINDET!", schrie mein Bruder, der sich der Gefahr ebenso bewusst war wie ich. Er warf seinem Freund einen der Zauberstäbe zu, dann bückte er sich und zerrte die kleine Gestalt, die mir zuvor nur flüchtig aufgefallen war, unter dem Kronleuchter hervor. Es war ein Kobold, dessen Hand sich fest um das Schwert gekrallt hatte, welches Bellatrix früher am Abend so in Aufruhe versetzt hatte.

Harry schenkte mir noch einen langen Blick, in dem ich mir einbildete, etwas wie den Wunsch nach Vergebung erkennen zu können. Dabei war nicht er derjenige, der diese erbitten musste. Das wussten eigentlich wir beide.

Ein erschöpftes Emporziehen der Mundwinkel, das nicht ganz zur Andeutung eines Lächelns reichte, dann packte er die Hand des Hauselfen und wirbelte auf der Stelle herum, um zu disapparieren.

Das von Bellatrix geworfene silberne Messer, verschwand mit ihnen im Strudel der Magie.

Unknown Potter III - Fight for the greater GoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt