7 | 19. Kapitel

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Natürlich würde Draco es vorziehen, die Tage in Malfoy Manor und somit in London zu verbringen. Ich wusste, wie gerne er diesen Mauern hier entkommen wäre und war mir nicht sicher, ob das nur daran lag, was Ende letzten Schuljahres hier vorgefallen war. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, wenngleich in Wahrheit nur wenige Monate vergangen waren.

Doch abseits meiner Träume gab ich mein Bestes, die Erinnerung an jene Geschehnisse aus meiner Erinnerung zu verbannen. Denn sie waren Vergangenheit. Genauso wie Caitlyn Snape und Mariah Potter der Vergangenheit angehören mussten. Wenn ich mir das nur häufig genug sagte, würde ich es vielleicht auch irgendwann glauben. So hoffte ich.

"Mrs. Malfoy!"

Ein Ellenbogen wurde mir in die Seite gestoßen und überrascht blickte ich auf, nur um mich unmittelbar Professor Flitwick gegenüberzusehen. Ich hatte seinem Unterricht genauso viel Aufmerksamkeit geschenkt wie seinen Kollegen in den vorangegangenen Stunden. Vom gestrigen Tag ganz zu schweigen. Ohne Blaise Stupser hätte ich ihn gar gänzlich ignoriert, was sicher auch daran lag, dass ich längst nicht an das Malfoy, geschweige denn das Mrs. gewöhnt war.

"Ja, Professor Flitwick?", fragte ich zurück und hoffte inständig, er mochte mir keine Frage gestellt haben.

Ich hatte Glück. "Ich wollte lediglich sicher gehen, dass Sie meinem Unterricht noch beiwohnen." Für seine Verhältnisse schenkte er mir einen ungewöhnlich durchdringenden Blick, bei dem ich mich fast fragte, ob er bei seiner Kollegin Professor McGonagall in die Lehre gegangen sein mochte. Auch sein ungewohnt spitzer Kommentar passte zu dieser Theorie. "Offenbar kann ich mir die Mühe jedoch schenken. Wo auch immer Sie mit Ihren Gedanken sind. Hier offenbar nicht."

"Da haben Sie sogar recht", gestand ich mit einem gespielten Seufzen und sah meine Chance gekommen, einen frühen Strich unter den Tag zu setzen. "Sie haben sicher nichts dagegen, wenn ich mich in meinen Gemeinschaftsraum begebe."

"Um ehrlich zu sein -"

"Sehr gut, Professor." Ich erhob mich und schnappte mir meine Tasche. "Vielen Dank für Ihr Verständnis."

Der kleine Zauberer schnappte nach Luft, Empörung in den Zügen. "Ms. Snape ... ähm, ich meinte natürlich Mrs. Malfoy, ich -"

Den Rest hörte ich schon nicht mehr, da hinter mir die Tür zum Klassenraum ins Schloss fiel und ich mir erschöpft erlaubte, mich einige Sekunden dagegen sinken zu lassen. Das kühle Holz in meinem Rücken erdete mich und ich schloss sekundenlang die Augen.

Wenn mir das Leben hier jetzt schon wie ein einziger Trott vorkam, wollte ich nicht wissen, wie ich das Jahr überstehen sollte. Vielleicht war es genau das, was Draco gemeint hatte. In Malfoy Manor bekämen wir wenigstens mit, was geschah. Jedenfalls so weit die Todesser Kenntnis besaßen. Hier ... nun ja.

Ich hegte so die Ahnung, dass wir gänzlich dem Wohlwollen der Carrows ausgeliefert sein würden. Sie liefen ja jetzt schon gewichtig durch die Korridore und wachten mit Argusaugen bei jedem Essen in der Großen Halle. Leider fehlte ihnen die Eleganz, die Umbridge dabei trotz allem immer noch an den Tag gelegt hatte. Wenn man ihnen -

Hastig verwarf ich die flüchtige Idee wieder, verbot mir den Gedanken daran, dass die Rumtreiber sicherlich Feuer und Flamme dafür gewesen wären und machte mich mit meiner Tasche auf Richtung Bibliothek.

Das war der weitere Fluch meines momentanen Alltags. Ich hatte nichts zu tun und irgendetwas sagte mir, dass sich das wohl auch nicht allzu bald ändern würde. Mal abgesehen meiner Hausaufgaben vielleicht, mit denen ich jedoch knappe anderthalb Stunden später bereits fertig war und die somit auch nur für kurzweilige Zerstreuung gereicht hatten.

"Mariah?"

Mit gerunzelter Stirn sah ich von meiner Pergamentrolle auf, die ich gerade mit einem letzten gekritzelten Satz vollgeschrieben hatte. Vor mir stand ein etwas rundlicher junger Mann, der mir vage vertraut vorkam. Das Abzeichen auf seiner Brust wies ihn als Gryffindor aus.

"Also stimmt es wirklich. Ich wollte es Harry nicht glauben."

"Was stimmt wirklich?", schoss ich kühler als geplant zurück und beobachtete mit zusammengekniffenen Brauen, wie er sich näherte.

Er deutete auf die Sitzecke mir gegenüber. "Ist hier noch frei?"

"Was wird das?" Da außer ihm niemand zu sehen oder zu hören war, war ich mir ziemlich sicher, dass er alleine gekommen war. Die meisten anderen Schüler befanden sich auch noch im Unterricht oder konnten sich trotz oder gerade wegen der aktuellen Lage besseres vorstellen, als in der Bibliothek Bücher zu wälzen. "Verbrüderung mit dem Feind?"

"Wenn du es so nennen magst." Äußerlich entspannt lehnte er sich zurück und endlich fiel mir auch sein Name ein. Natürlich. Neville Longbottom. Es war beinahe peinlich, wie sehr die letzten zwei Nächte kaum Schlaf auf mein Erinnerungsvermögen schlugen. "Ich wollte nicht glauben, dass du Harrys Schwester bist. Immerhin bist du so -"

"Hinterlistig? Gemein? Böse?", schlug ich vor.

Seine Antwort nahm mir einiges an Wind aus den Segeln. "Anders als er."

"Bin ich das, ja?"

Der Gryffindor nickte. "Und irgendwie glaube ich nicht, dass du so bist, wie du vorgibst zu sein."

Bei seinen Worten konnte ich mir das Lachen nicht gänzlich verkneifen. Es klang hohl. Erschreckend fremd und plötzlich fragte ich mich, wie lange das letzte echte inzwischen her sein mochte. "Ganz unrecht haben die Gerüchte über euch Gryffindors nicht. Ihr seid dumm."

Ein nonchalantes Achselzucken. "Ich sage, was ich denke und handle danach. Solltest du vielleicht auch einmal versuchen."

Wenn ich das täte, wäre ich längst tot. Es zu sagen lag mir auf der Zunge, doch Merlin sei Dank konnte ich mich rechtzeitig zügeln. Stattdessen begann ich, meine Sachen zusammen zu kramen. Ich schraubte den Deckel auf mein Tintenfässchen, rollte das Pergament zusammen und klappte meine Bücher zu. "Sag mir, wieso du hier bist, Longbottom. Für dieses nette kleine Pläuschchen sicher nicht."

Neville kniff die Augen ein wenig zusammen, beugte sich nach vorne, um mich anzusehen. "Vielleicht wollte ich wissen, wie treu du ihm ergeben bist? Wie groß die Chancen sind -"

"Du bist ein Narr!" Ich erhob mich und warf meine Tasche über die Schulter. Ein Blick die angrenzenden Regale entlang und in die Gänge versicherte mir, dass wir für den Moment nach wie vor allein waren. Kein Lauscher an der Wand, soweit ich das sagen konnte. Gemälde hingen hier hinten an den Arbeitstischen ohnehin keine, aber zumindest bei Mrs. Pince konnte man nie sagen, wann und ob sie nicht plötzlich hinter einem stand.

Als ich mich über den Tisch beugen wollte, die Arme darauf abgestützt, konnte ich mir nur mit Mühe einen Schmerzenslaut verkneifen. Genauso schwer fiel es mir, den Instinkt zu unterdrücken, mit der Hand an meinen Unterarm zu fassen. Das Mal hatte zu brennen begonnen und auch, wenn ich anders als im letzten Jahr dieses Gefühl von seinem unmittelbaren Ruf unterscheiden konnte, wusste ich sofort, dass etwas geschehen sein musste.

Vielleicht war ich bleich geworden, jedenfalls richtete Neville sich ein wenig auf. Prüfend musterte er mich. "Alles in Ordnung mit dir? Kann man dir -"

Abermals fiel ich ihm ins Wort. Er war zu mutig und nett für diese Welt. Vielleicht war dies auch der Grund für meine warnenden Worte, die ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorpresste: "Du bist töricht und ein Narr, Longbottom, wenn du vergisst, dass die Wände hier Ohren haben. Es mag sein, dass du dich hier sicher fühlst, doch Dumbledore ist nicht mehr. Hogwarts ist nicht mehr das, was es einmal war."

"Ein Grund mehr, unseren Mann", er räusperte sich und klang obgleich der Situation unpassenderweise verlegen, "oder unsere Frau zu stehen. Wenn wir nicht mehr wissen, was das Richtige ist, wie sollen es da die Zauberer und Hexen dort draußen, die jünger oder älter sind als wir?"

"Du faselst wirres Zeug", knurrte ich und richtete mich auf. In erster Linie, um meinen schmerzenden Arm zu entlasten und unauffällig an meine Seite zu drücken. Es half kaum. Zumal seine kleine Rede meinen Respekt für ihn weiter wachsen ließ, ob ich es nun zugeben würde oder nicht. "Verschenke dein Vertrauen nicht leichtfertig - das hat mein Vater mir immer gesagt."

"Auf den Rat eines Mörders kann ich gut verzichten", schoss er hitzig zurück. "Du musst doch ebenfalls -"

Ich schenkte ihm ein bitteres Lächeln, was ihn mitten im Satz innehalten ließ. "Dann verzichte besser auch auf den meinen."

Unknown Potter III - Fight for the greater GoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt