7 | 45. Kapitel

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Mit dieser düsteren Weisheit hatte er mich beinahe unmittelbar allein gelassen. Kaum fiel die Tür leise hinter ihm ins Schloss, war ich runtergerutscht, hatte mich auf die Seite gedreht und die Knie an die Brust gezogen. Aus irgendeinem Grund war mir danach, mir die Seele aus dem Leib zu weinen und nur der feste Biss auf meine Unterlippe verhinderte, dass ich es lautstark tat.

Am nächsten Morgen hatte ich rot geweinte, verquollene Augen, allerdings ging es mir besser. Tief durchatmend drehte ich mich auf den Rücken und genoss die Kühle Morgenbrise, die durch die geöffneten Balkontüren hereindrang. Ich musste irgendwann über meinem Selbstmitleid eingeschlafen sein, denn ich hatte nicht einmal mitbekommen, wie Draco sich zu mir gesellt hatte. Ein weiteres Indiz dafür, wie mies es mir am Vorabend gegangen war. Der Brief meines Paten, das Gespräch mit meinem Ziehvater – es war eins zum anderen gekommen.

Ich drehte den Kopf, bis meine Wange wieder auf dem weichen Satin zum Liegen kam. Unglücklicherweise bildete ich mir ein, dass die Stelle nass war. Mein Mann schlief. Eine Hand in seinem Nacken, die andere auf seinem Bauch zur Faust geballt. Er trug, wie immer, wenn wir zu Hause waren, kein T-Shirt. Wohingegen ich nach wie vor in der durchgetragenen Kleidung steckte, die ich mir in Hogwarts für die Heimfahrt angezogen hatte. Da ich mir auch die Zähne nicht geputzt hatte, wunderte mich der widerliche Geschmack auf meiner Zunge wenig.

Als ich mich jedoch aufsetzte und die Beine über den Rand des Bettes schwang, murmelte eine verschlafene Stimme in meinem Rücken: "Mary. Du bist wach."

"Bin ich."

Ich ergriff die Hand, die suchend nach mir getastet hatte und hauchte einen Kuss darauf. Unsere Eheringe kamen aneinander zu liegen und ich betrachtete sie einige stille Sekunden lang, ehe ich zu Draco aufsah. Er war nach wie vor damit beschäftigt, sich den Schlaf aus den Augen zu blinzeln, wobei er mühsam ein Gähnen unterdrückte.

"Wie spät ist es?", murmelte er.

Achtlos zuckte ich die Achseln. "Es ist schon hell. Vermutlich längst Zeit aufzustehen."

"Wenn die Pfauen noch nicht wach sind, bezweifle ich das." Abermals kämpfte er gegen ein Gähnen an und verlor. "Komm wieder ins Bett, Mary."

"Wann bist du schlafen gegangen?", fragte ich und schob ein Bein wider besseren Wissens zu einem halben Schneidersitz zurück aufs Bett. Papier knisterte unter meiner Bewegung. Der Brief. Nach wie vor in seinem Originalzustand. Es war leichtsinnig, ihn so offen hier herumliegen zu lassen, das wusste ich selbst, und so schob ich ihn unauffällig weiter unter die Bettdecke. Später würde ich ihn ins Kaminfeuer werfen, nahm ich mir fest vor.

Draco bekam davon nichts mit. Ihm waren seine Augen wieder zugefallen, dennoch antwortete er: "Keine Ahnung. Muss irgendwas nach Mitternacht gewesen sein. Du hast schon geschlafen."

"Hat dein Vater dich so lange in Beschlag genommen?"

Ein tiefes Seufzen. Schließlich sagte er: "Auch."

"Auch?" Als ich mich zu ihm hinüberlehnte, runzelte ich die Stirn. Der Geruch, der an ihm haftete, kam mir irgendwie vertraut vor. Es dauerte einige Herzschläge, dann realisierte ich es. "Lass mich raten? Dein Vater und das ein oder andere Glas Feuerwhiskey?" Genau so hatten die Jungs aus dem Quidditchteam immer gerochen, wenn sie bei einem unserer abendlichen Treffen eine der geschmuggelten Flaschen köpften.

Zur Antwort bekam ich ein unbestimmtes "Hm".

Ich zog seine Hand in meinen Schoß. "So schlimm?"

Wieder dieser undefinierbare Laut.

"Wenn du darüber reden magst -?"

"Ehrlich gesagt würde ich gerade am liebsten, dass du dich wieder hinlegst und wir noch eine Runde schlafen." Während er das sagte, verzog er das Gesicht. "Ich fühle mich wie nach meinem ersten Mal."

Unweigerlich biss ich mir auf die Wange, um mein Grinsen zu unterdrücken. "In deinem Interesse hoffe ich doch sehr, dass du von deinem ersten Mal Alkohol und nicht deinem ersten Mal Sex sprichst." Ein Glück, dass er mich nicht ansah und mitbekam, wie meine Wangen meine kühnen Worte Lügen straften. Denn die aufsteigende Hitze war unverkennbar.

Ein drittes Mal gebrummte Zustimmung. Offenkundig hatte er den Inhalt meiner Worte schon nicht mehr richtig begriffen. Der Griff seiner Finger um die meinen hatte ebenfalls nachgelassen, als der Schlaf langsam wieder Überhand über ihn gewann. Sachte hauchte ich ihm einen Kuss auf die Wange. "So verlockend dein Angebot auch ist, mein edler Prinz, muss ich leider ablehnen." Zu schade, dass mein foppender Tonfall wohl nie bei ihm ankommen würde. "Ich habe einen Haufen Arbeit mitgebracht."

Das war keine Lüge oder Ausrede. Nicht so ganz jedenfalls. Noten waren mir ehrlich gesagt egal geworden und von daher hatte sich die Schule für mich zur Nebensache entwickelt. Die Fächer, die mir Spaß machten, vertiefte ich und blieb am Ball, andere wiederum ließ ich auf der Strecke. Ich hatte mir nie wirkliche Gedanken darüber gemacht, welchen Beruf ich einmal ergreifen wollen würde. Der Auror, der damals im Ministerium einen Nachmittag lang auf mich aufgepasst hatte, hatte sicherlich kurzzeitig meine Faszination für seinen Beruf geweckt. Diese Karriere würde ich jedoch nicht einschlagen können.

Zum einen war da das prickelnde dunkle Mal an meinem Unterarm, was mir wie jeden Tag dunkel und unheimlich entgegenleuchtete, als ich mir den verknitterten Pullover über den Kopf zog und achtlos auf die Truhe neben meine Handtasche warf.

Ich beeilte mich damit, mir hastig ein neues Oberteil aus dem Schrank zu fischen. Ebenfalls langärmlig. Obwohl die Temperaturen es sicherlich bald wieder zugelassen hätten, kürzere Sachen anzuziehen, vermied ich es. Ich wollte nicht konstant an das Tattoo denken müssen und magisch verbergen konnte ich es nicht.

Und dann war da noch die andere kleine, aber feine Tatsache, dass der Beruf des Aurors unter der Herrschaft des dunklen Lords mehr oder weniger obsolet geworden war. Wir waren die Bösen und wir machten die Gesetze. Selbst wenn sich das eines Tages ändern sollte, würde ich wohl kaum eine Laufbahn auf der Gehaltsliste des Ministeriums einschlagen können. Auch eine Stelle im St. Mungo Hospital fiel somit weg, dabei hätte es mich wirklich interessiert, mich täglich mit verschiedenen Kräutern und Tränken zu beschäftigen.

So widmete ich mich momentan einer meiner anderen Interessen. Es waren Zauber. Keine schwarzmagischen, aber solche, die uns in der Schule trotzdem nicht unbedingt beigebracht wurden, weil der Lehrplan sie nicht vorsah. Filly hatte mir auf mein Geheiß mehrere Bücher zu diesen Themen besorgt, die allesamt auf der Frisierkommode lagen und darauf warteten, von mir studiert zu werden.

Nützliche kleine Spielereien, die mir im Fall der Fälle beim Überleben helfen würden. Jene Zauber, die mein Bruder seinen Freunden im Rahmen seines ganz privaten Duellierclubs beigebracht hatte. Lustigerweise hatte mich ausgerechnet die Erwähnung von Dumbledores Armee auf die Idee gebracht.

In einem meiner düsteren Momente hatte ich in Erwägung gezogen, in die Fußstapfen der Rumtreiber zu steigen und zu lernen, wie ich zum Animagus wurde. Dann hätte ich es eventuell irgendwann Sirius nachmachen und Askaban so entkommen können. Als ich jedoch begann, mich mit dem Thema zu beschäftigen, verwarf ich den Gedanken recht bald wieder. Die Gefahren, die damit einhergingen, waren enorm und da ich nicht einmal einen Patronus auf die Kette bekam ...



Unknown Potter III - Fight for the greater GoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt