7 | 6. Kapitel

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Ein Schrei weckte mich am nächsten Morgen. Erschrocken fuhr ich hoch und griff nach meinem Zauberstab, der die Nacht auf dem kleinen Tischchen neben meinem Bett verbracht hatte. Die Decke hinderte mich allerdings am Aufstehen.

Einige Sekunden lang kämpfte ich mit dem schweren Stoff, ehe mich ein weiterer Schrei innehalten ließ. Die Stirn gerunzelt ließ ich den Blick durch den hellen Raum schweifen und versuchte den Quell des Lauts auszumachen. Er erklang erneut und dieses Mal regte sich etwas neben mir.

"Mary?" Verschlafen blinzelte Draco aus seinem Kissen empor. Sein Blick war ein wenig verschleiert, während er noch immer mit den letzten Überbleibseln des Schlafes kämpfte.

Meine Aufmerksamkeit wurde durch einen abermaligen Schrei wieder zum Fenster gelenkt und ohne darüber nachzudenken, zog ich meine Beine nun endgültig unter der Bettdecke hervor. Ich fröstelte dank der kühlen Luft im Zimmer. Auch der Boden war kalt und am liebsten hätte ich meine Füße gleich wieder ins wärmende Bett gezogen oder hätte mich auf die Zehenspitzen gestellt. Da mir so allerdings der sichere Stand verloren ginge, verzichtete ich darauf. Den Zauberstab schützend vor meine Brust gehalten, trat ich näher ans Fenster.

Die Bettlaken raschelten, als Draco sich aufrichtete. Ein flüchtiger Blick bestätigte mir, dass ihm der Stoff bis auf die Hüfte hinabgerutscht war. "Was hast du?" Besorgnis schwang in seinem Tonfall mit. "Das sind nur die Pfauen."

Ich runzelte die Stirn. Die Pfauen der Malfoys. Die Albinos, auf die Mr. Malfoy laut Dracos Aussage so stolz war und die mir bereits zu unserer Verlobung einen solchen Schreck eingejagt hatten. Aber wieso stand die Sonne schon so weit ins Zimmer? "Wieso ist es fast Mittag, Draco?"

"Wie kommst du ..." Er verstummte und mir war klar, dass er in diesem Moment einen Blick auf die Uhr geworfen haben musste. "Wir haben ziemlich lang geschlafen."

"Es war einfach eine ziemlich lange Nacht", murmelte ich und überbrückte auch noch die letzte Distanz zum Fenster. Seitlich schob ich mich heran und obwohl ich nicht mehr mit einer brenzligen Situation rechnete, hielt ich meinen Zauberstab nach wie vor bereit, als ich vorsichtig hinab in die Gartenanlage sah. Tatsächlich lagen weiße Federn auf dem Rasen verstreut und die beiden Streithähne stolzierten nach wie vor in einem festen Abstand umeinander herum. Beide präsentierten sie ihre Schwanzfedern, als wollten sie ihrem Gegner mit ihrer Größe imponieren. "Du hattest recht."

"Natürlich hatte ich recht." Selbstgefällig verschränkte der junge Malfoy die Arme hinter dem Kopf, wobei sich die Muskeln an seinen Armen spannten. Ich wurde nicht rot – dafür war ich inzwischen zu beherrscht – allerdings spürte ich die Wärme, die mir beim Betrachten seiner Gestalt den Hals hochkroch. Das Bild wurde nur von seiner Blässe getrübt, von der sich das dunkle Mal an seinem Unterarm überaus deutlich abhob.

Auch bei mir war es mehr in Bewegung als üblich. An mir selbst hinabsehend, registrierte ich zwei Dinge. Zum einen brannte das Mal stärker als die letzten Tage und ich bildete mir ein, dass es darüber hinaus einige Nuancen dunkler war. Zum anderen war ich nackt. Wie am Tage meiner Geburt stand ich unbekleidet da und kein Fetzen Stoff verbarg mich vor den Blicken meines Ehemanns. Und umso wacher dieser wurde, desto intensiver wurde das leise Pink auf seinen Wangen.

"Es sollte nicht so komisch sein, sollte es?" Seine Stimme war beinahe so rau wie am gestrigen Abend, seine Miene ernst. "Wir kennen uns jetzt  seit Ewigkeiten ..."

"Ich weiß." Ausnahmsweise fehlten selbst mir die Worte. In einem Anflug der Nervosität erlaubte ich es mir, mit einer Hand durchs Haar zu fahren, ehe ich mich abwandte und zu seinem Kleiderschrank hinüberging. Ich hatte meine Kleidung noch nicht umgeräumt – das Meiste befand sich entweder in meinem Koffer den Gang hinunter oder in meinem Zimmer in Spinner's End – aber für den Moment würde es wohl auch eines von Dracos Hemden tun. Alles war besser, als mein kratziges Hochzeitskleid wieder anziehen zu müssen, das genau wie gestern Abend auf dem Schemel am Fußende des Bettes lag.

Ein schwerer Atemzug veranlasste mich dazu, mich wieder zu ihm umzudrehen. "Was?", fragte ich, die Stirn in Falten gelegt. Das schwarze Oberteil war mir viel zu groß und so blieb mir nichts anderes übrig, als die Ärmel mehrmals umzukrempeln. Vollkommen auf diese Aufgabe fokussiert, entging mir sein wehmütiger Blick.

"Ich hätte nie gedacht, dass du in meinen Sachen so gut aussehen könntest."

Ich hob eine Augenbraue. Kurz überlegte ich, ob ich etwas darauf erwidern sollte, entschloss mich letztendlich aber, das Thema zu wechseln. "Du solltest dir auch etwas anziehen. Wir sollten hinuntergehen. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass etwas nicht stimmt."

Draco neigte den Kopf. Gerade als ich mich abwenden wollte, streckte er eine Hand nach mir aus. "Komm noch einmal her." Als ich zögerte, fügte er hinzu: "Bitte."

Mir war es unmöglich zu sagen, woher mein abermals flatternder Herzschlag kam. Es war seltsam. Trotz oder vielleicht gerade aufgrund der vergangenen Nacht verhielten wir uns einander gegenüber wie Fremde. Wir tanzten umeinander herum wie trottelige Riesen, die Angst um die Unversehrtheit der Eisdecke unter ihren Füßen hatten. Und dennoch war die Berührung unserer Finger vertraut, gab mir zumindest unterschwellig ein Gefühl der Sicherheit zurück, als ich mich neben ihm auf die Bettkante setzte.

"Alles okay zwischen uns?"

Überrascht erwiderte ich seinen Blick. "Wieso sollte es nicht? Zwischen uns hat sich nichts verändert." Außer vielleicht die Tatsache, dass wir inzwischen verheiratet waren und dass ich sehnlichst hoffte, er möge jetzt nicht aufstehen und sich mir ebenso präsentieren wie ich mich ihm eben. So eine Ironie, dass mir der Gedanke an den Cruciatus weniger Angst machte als die Möglichkeit, meinen Ehemann bei Tageslicht in voller Pracht zu sehen.

In seinen grauen Augen tobte ein Sturm. "Habe ich dir letzte Nacht ..." Ein Zögern, ehe er sich auf total untypische Art auf die Unterlippe bis. "Habe ich dir irgendwie wehgetan?"

Milde schüttelte ich den Kopf. "Hast du nicht."

Erleichterung zeigte sich in seinen Zügen. "Dann ist ja gut." Ich sah den Moment, in dem ihm noch etwas Weiteres einfiel. Wieder biss er sich auf die Unterlippe und krampfte seine Finger fester um meine. Die Region um seine Nase herum wurde blass. "Wir haben vergessen zu verhüten."

"Haben wir nicht." Auf seinen fragenden Blick ergänzte ich. "Mein Vater war so umsichtig, mir ein Verhütungsmittel unterzujubeln." Und heute war ich irgendwie froh darum.

Er nickte. "Gut. Aber du weißt, dass meine Familie früher oder später einen Erben von uns erwarten wird, oder?" Seine Worte kamen zögernd.

Gedankenverloren spielte ich mit dem Ehering an meinem Finger. "Aber nicht heute. Nicht morgen."

Unknown Potter III - Fight for the greater GoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt