Die Aushilfe

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- Jaime -

"Mum, wir sind dann weg!", rufe ich ins Haus und warte auf die gedämpfte Antwort meiner Mutter, bevor ich die Haustür zuziehe. Plötzlich ertönt ein lautes Bellen und ich drehe mich um, spüre schon das breite Grinsen, das sich über mein Gesicht ausbreitet.

Wie ein weißer Blitz kommt Ticky auf mich zugeflogen. Ihre Pfoten scheinen den Boden nicht einmal zu berühren. Lachend gehe ich auf der Veranda in die Knie und breite die Arme aus und nur Augenblick später springt mich mein Border Collie-Mischling an und wirft mich vor Freude fast um.

"Hey, Ticky! Nicht so stürmisch", schnaufe ich und versuche mich ihrer feuchten Zunge zu entziehen, bevor ich ihr weiches Fell mit den Fingern durchkämme und sie an mich ziehe. Ihr freudiges Fiepen wird wieder lauter und sie wuselt um mich herum, als hätte sie mich jahrelang nicht gesehen und nicht nur einen Tag.

Sie ist heute mit Dad und Kenny unterwegs gewesen, als sie eine Herde Rinder von den Grenzen unseres Landes weggetrieben haben. Die Gefahr, dass die Tiere auf die naheliegende Straße geraten könnten, war einfach zu groß.

Endlich kommt Ticky zur Ruhe und setzt sich hechelnd und schwanzwedelnd zu meinen Füßen hin. Liebevoll fahre ich ihr über den Kopf. Bis auf die Schnauze ist ihr Kopf vollkommen braun, genau wie ihre treuen Augen, ansonsten strahlt sie schneeweiß.

Schließlich höre ich den durchdringenden Pfiff, mit dem mein Vater mich daran erinnert, dass wir los müssen. Ein letztes Mal streichle ich Ticky, dann schicke ich sie ins Haus und jogge die Veranda hinunter und quer über den Hof zu Dad, der bereits mit laufendem Motor auf mich wartet.

"Wir sind ziemlich spät dran", murmelt er mit gerümpfter Nase und dreht eine Weile am Radio herum, bis er ein Lied gefunden hat, das ihm gefällt. Leise dudelt es im Hintergrund, während die eintönige Landschaft an uns vorbeizieht.

Ich lasse den Blick gedankenverloren über die vorbeiziehende Landschaft gleiten. Plötzlich taucht das Bild von zwei strahlend grünen Augen mit einem dunklen Ring um die Iris vor meinem inneren Auge auf.

Dieser Chester von gestern Abend steckt wohl immer noch in meinem Kopf fest. Gerne hätte ich genervt aufgestöhnt und die Augen verdreht, aber ich lasse es bleiben, um keine verwirrten Blicke von Dad zu provozieren. Er würde nicht locker lassen, bis er die ganze Geschichte aus mir herausgequetscht hat.

Wieso muss gerade jetzt ein verboten heißer Typ hier in dieser winzigen Stadt auftauchen? Und wieso schaffe ich es nicht, ihn aus meinen Gedanken zu verbannen? Er ist nicht einmal auffallend nett gewesen...

Ich senke den Blick auf meinen Schoß und schließe kurz die Augen, um mich auf etwas anderes zu konzentrieren.

"Dad?", murmle ich schließlich leise. Er brummt nur fragend, also fahre ich fort: "Janet hat gestern angerufen... Sie meinte, sie will uns helfen, einen Ersatz für Ginny zu finden und dass sie vielleicht jemand kennt, der geeignet wäre."

Eine Weile schweigt Dad nachdenklich und ich starre abwesend durch die Windschutzscheibe, in Gedanken wieder einmal bei dem Moment, in dem ich realisiert habe, dass Janet mich betrogen und einfach durch diesen Idioten Aaron ausgetauscht hat. Das abfällige und triumphierende Grinsen, das er mir entgegengeworfen hat, kann ich auch nach Monaten nicht vergessen.

Ich weiß nicht, was mehr wehgetan hat - dass ich meine beste Freundin und erste Liebe verloren habe oder die Tatsache, dass ich es an Aaron O'Bryan musste.

War sie wirklich meine erste Liebe? Oder war sie einfach eine Freundin, mit der ich so eng war, dass ich kein Problem hatte, es eine "Beziehung" zu nennen?

Catch Me, Cowboy!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt