- Chester -
Wenn sich die anderen gestern Abend gewundert haben, warum ich eine halbe Stunde später mit zerdrückten Haaren wieder nach unten gekommen bin, obwohl ich Jaime nur nach oben helfen wollte, dann haben sie es nicht angesprochen.
Dementsprechend habe ich es unbehelligt in mein Bett geschafft, nur um dort dann unruhig an die Decke zu starren, meine Gefühlswelt ein einziges Chaos.
Nicht nur hat Jaime mich gebeten, bei ihm zu bleiben, obwohl es sein eigenes Bett und kein unfreundliches Krankenhauszimmer war, nein, er hat mich tatsächlich geküsst - aus freiem Willen und ohne Mordgelüste in den Augen, nur um dann in meinen Armen einzuschlafen.
Was ich davon halten soll?
Keine Ahnung.
Aber eins weiß ich zu hundert Prozent: es hat mir verdammt gut gefallen und ich will es wieder tun.
Mit einem leisen Ächzen hieve ich jetzt das Stück des Baumstamms, das ich gerade zersägt habe, auf die Ladefläche des Pick-Ups. Raymond und ich haben heute Vormitttag die Aufgabe, einen Baum, der über Nacht umgefallen ist, von der blockierten Straße zu entfernen. Es ist zwar nicht die Straße nach Blue Buffalo Creek, aber eine oft benutzte Abkürzung zu unseren hinteren Weiden und fast genauso wichtig.
Ray klaubt einige Äste zusammen und schmeißt sie ebenfalls auf die Ladefläche. Der Schweiß steht ihm glänzend auf der Stirn und ich kann die Ader an seiner Schläfe pochen sehen. Kein Wunder, bei über dreißig Grad, spotte ich stumm und reibe mir mit dem Handgelenk über die eigene feuchte Stirn.
"Wenn dieser verfluchte Baum nicht bald mal durchgesägt ist, dann binde ich ihn einfach ans Auto und fahre los", droht Ray und schüttelt den Kopf. Ich kann nur ein zustimmendes Grunzen ausstoßen, während ich gerade aus meiner Wasserflasche trinke.
"Willst du auch?" Er nimmt die Flasche und kippt den restlichen Inhalt hinunter. Ich stoße ihm kopfschüttelnd gegen die Schulter, woraufhin er nur grinsend die Hände mit der leeren Flasche hebt.
"Du hast es mir angeboten, Chest. Jetzt schau nicht so ungläubig, ich hatte halt Durst!"
Schnaubend streife ich mir meine Handschuhe wieder über und mache mich daran, die restlichen, bereits zersägten Baumteile einzusammeln.
"Jetzt schuldest du mir ein Bier bei Mick", witzle ich, um Ray ein wenig aufzuziehen.
Er ist mit Abstand derjenige, mit dem ich am meisten Spaß haben kann. Und wie erwartet lacht er dröhnend auf und wackelt mit den Augenbrauen.
"Alles klar, Herr Geschäftsmann. Heute Abend wollten wir sowieso mal wieder runterfahren, dann bekommst du dein Bier."
Zufrieden grinsend nicke ich. "Klingt perfekt."
Wir brauchen noch etwa zwei Stunden, bis die Straße wieder frei befahrbar ist und als wir uns endlich auf die Autositze fallen lassen, würde ich für eine Dusche wahrscheinlich mein Leben verkaufen.
Mein Hemd klebt derart an meiner Haut, dass ich mich kaum noch bewegen kann und Ray geht es ähnlich, wie ich an seiner leidenden Miene unschwer erkenne.
"Heilige Scheiße, ich fühl mich wie aus einem Wasserbecken gezogen", stöhnt er und drückt irgendwelche Knöpfe, sodass das Radio anfängt zu spielen. Der Motor erwacht wenig später mit einem tiefen Brummen zum Leben und kaum dass ein wenig Wind durch die offenen Fenster weht und mein Gesicht kühlt, fühle ich mich schon ein bisschen besser.
Mit geschlossenen Augen genieße ich die Rückfahrt, während Ray leise vor sich hin singt.
Irgendwann fragt er dann: "Hey, wie geht es eigentlich Peter Pan? Sein Bein sah heute morgen schon wieder top aus."
DU LIEST GERADE
Catch Me, Cowboy!
RomanceJaime Williams lebt das Klischee eines Cowboys: dreckige Schuhe, einen Hut in der Stirn und ein freches Grinsen auf den Lippen. Außerdem arbeitet er auf der Ranch seiner Eltern und er liebt es. Nichts ist schöner als die Zeit bei den Pferden oder d...