Wenn Blicke töten könnten

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- Chester - 

Die nächsten Stunden brauchen wir, um eine relativ langgezogene Steppe zu durchqueren. Der Tag schreitet immer weiter voran und es wird deutlich wärmer, sodass Jaime und ich unsere Jacken ausziehen und wir schließlich eine kurze Pause machen, um unsere Pferde zu tränken. Auch Jaimes Hündin stürzt sich dankbar auf das kühle Frisch des winzigen Bachlaufs, an dem wir angehalten haben.

Seufzend strecke ich den Rücken durch und lege den Kopf blinzelnd in den Nacken, um mich von den Sonnenstrahlen kitzeln zu lassen. Meinen Hut habe ich für einen Moment abgezogen, um meinen angeschwitzten Haaren die Chance zu geben, wieder zu trocknen. Es gibt wohl kaum ein schlimmeres Gefühl als das Jucken, nachdem man geschwitzt hat.

Jaime hat sich währenddessen an seinen Satteltaschen zu schaffen gemacht und zwei der Sandwiches hervorgeholt, die seine Mutter für uns gemacht hat. Er fängt meinen Blick kurz mit verkniffener Miene, dann wirft er mir einen der beiden in einer lässigen Bewegung zu und beginnt wortlos zu essen.  

Ich widme mich dem Brot und beobachte währenddessen die Rinder, die nicht weit entfernt stehen und ruhig grasen. Meine Gedanken sind jedoch bei dem blonden Cowboy, der mich seit Stunden mit Blicken zu erdolchen scheint. 

Vor einer Weile hat er versucht, ein Gespräch mit mir anzufangen. Natürlich muss er aber gleich über meine Eltern sprechen wollen, es ist ja nicht so, als gäbe es weniger sensible Themen zum Einstieg. Seufzend fahre ich mir durchs Gesicht. Jaimes Verhalten zehrt an meinen Nerven, denn er spricht nicht aus, was er denkt. Dann könnte ich ihm wenigstens die Meinung sagen. 

Mein Blick gleitet über seine schlanke, muskulöse Figur, während ich ihn dabei beobachte, wie er Honeys und Gismos Sattelgurte wieder festzieht, damit wir bald weiterreiten können. Dabei arbeiten seine Schultermuskeln unter dem dunklen Hemd, das ihm sehr schmeichelt. Weil er seinen Hut in den Nacken geschoben hat, stehen seine hellbraunen Haare in alle Richtungen ab und als er mir einen kurzen Blick über die Schulter zuwirft, lässt das Sonnenlicht seine sonst hellbraunen Augen glühen wie flüssiges Gold.

Jaime Williams ist ätzend, nervtötend und hat irgendwas gegen mich, aber er ist verdammt hübsch. Schnaubend schüttle ich über mich selbst den Kopf. Alles klar, jetzt fange ich auch noch an, mir den einzigen Kerl, der mich nicht ausstehen kann, im Bett vorzustellen. Starke Leistung, Chester. 

Nichtsdestotrotz jagt mir die Vorstellung eine prickelnde Gänsehaut über den Rücken. Bilder von Jaimes muskulösem Oberkörper auf dessen gebräunter Haut der Schweiß glänzt, zucken durch meinen Kopf. Seine halb geschlossenen Augen würden glühen wie Feuer und seine unordentlichen Haare sind perfekt, um die Finger darin zu vergraben... 

"Hey, Chester! Wir reiten weiter", ruft Jaime in diesem Moment und holt mich so aus meiner Fantasie. Ein wenig erschrocken von mir selbst fahre ich mir übers Gesicht und stemme mich wieder auf die Beine hoch. 

Das geht definitiv in eine Richtung, die nicht gut für mich ist. 

...

Gismo ist ein guter Kerl. Zuverlässig wie ein Uhrwerk trottet er an der rechten Flanke der Rinderherde entlang und verhindert durch Langsamer- oder Schnellerwerden selbstständig das mögliche Ausbrechen von einzelnen Tieren. Auf der anderen Seite machen Jaime und seine helle Stute dasselbe. Der Border Collie, Ticky, huscht um uns herum und treibt die Tiere an, sodass ich entspannt die Umgebung beobachten kann.

So könnte es ruhig noch eine Weile weitergehen. Wir reden nicht, kommen aber gut voran und das Zusammenspiel im Team ist erstaunlich gut. Ab und zu spüre ich Jaimes Blick auf mir und wenn ich diesen erwidere, kneift der blonde Cowboy meist die Augen ein wenig zusammen und wir funkeln uns herausfordernd an, bis einer keine Lust mehr hat und wegsieht.

Catch Me, Cowboy!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt