- Chester -
Leise vor mich hin summend ramme ich die Heugabel in den Haufen Heu, den ich mit der Schubkarre durch die Stallgasse schiebe und heble die passende Portion Heu in Lucky Strikes Box. Er bekommt noch kein Kraftfutter, denn er muss erst langsam an die Stallhaltung gewöhnt werden.
Dann schließe ich seine Tür wieder und gehe weiter zu Honeys Box, die mich bereits mit freudigem Schnauben erwartet. Kaum dass das Mineralfutter und der Hafer den Trog erreichen, versinkt ihr helles Maul darin und sie beginnt zufrieden zu fressen.
Schmunzelnd schiebe ich den Futterwagen weiter. Noch drei Boxen und dann bin ich fertig.
Während ich wenig später den Futterwagen schon wieder über den Hof Richtung Scheune schiebe, macht sich bereits Vorfreude in mir breit. In weniger als zwanzig Minuten werde ich bei Jaime auf dem Dorffest sein.
Plötzlich kommt es mir so vor, als würde ich Motorgeräusche hören. Da ich jedoch gerade in der Scheune stehe und den Wagen abgestellt habe, kann es auch sein, dass ich es mir eingebildet habe. Also verharre ich und lausche.
Im ersten Moment ist es still und ich denke schon, dass ich es mir nur eingebildet habe, doch dann ertönt das Schlagen einer Autotür. Verwundert umrunde ich den Futterwagen und trete aus der Scheune heraus auf den Hof.
Den schwarzen SUV sehe ich sofort. Gerade will ich auf den Wagen zugehen, um den Fahrer zu fragen, ob er sich verfahren hat oder etwas besonderes sucht, als sich die Fahrertür öffnet und eine Gestalt aussteigt, die ich sofort wiedererkennen würde.
Meine Schritte stocken und von alleine bleibe ich stehen, zu überrascht und geschockt, um irgendwas zu machen. Der große, ernst dreinblickende Mann mit den ordentlichen, grau melierten Haaren und den stechenden grünen Augen entdeckt mich und kommt mit wehendem Mantel auf mich zu. Seine schwarzen Lackschuhe sehen seltsam fremdartig auf dem staubigen Untergrund aus.
Etwa einen Meter vor mir bleibt er stehen und mustert mich ausdruckslos. Ich reiße mich zusammen und richte mich weiter auf, um keine Schwäche zu zeigen. Nicht vor ihm.
"Hallo Dad", begrüße ich ihn mit fester, ausdrucksloser Stimme und atme innerlich auf, dass man mir meinen Schock nicht anhört.
Er mustert mich von oben bis unten, einen Hauch von Missfallen im Gesicht, das erkenne ich an den tiefen Falten um seine Mundwinkel, die sich noch vertiefen. Ich habe diesen Ausdruck schon so oft bei ihm gesehen, dass mich die Vertrautheit des Anblicks unangenehm erschaudern lässt.
"Hallo Chester. Wie ich sehe, hast du dir tatsächlich einen Job gesucht."
Der Spott in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Er hält nicht viel von der körperlichen Arbeit, die ich dem Bürojob immer vorgezogen hat. Leider ist er die Personifikation des bürokratischen Geschäftsmannes.
Tief durchatmend fixiere ich ihn und komme auf den Punkt.
"Was willst du hier?"
Dass es mich tatsächlich überrascht, dass er mich gefunden hat, lasse ich mir nicht anmerken. Wieso sollte es ihn interessieren, dass ich mit allem mir möglichen versucht habe, unauffindbar zu bleiben?
Dad lächelt sein typisches, feines Spottlächeln und erwidert: "Du wüsstest es, wenn du meine Anrufe in den letzten Tagen angenommen hättest. Ich bin hier, weil ich dich vor eine Entscheidung stelle."
Er macht eine Kunstpause, wahrscheinlich um mir das Blut in den Adern gefrieren zu lassen - mit Erfolg. Wieder einmal fühle ich mich wie der kleine Junge, der zitternd vor Angst darauf wartet, die Strafe seines eiskalten Vaters zu erhalten, weil er zu spät zum Abendessen gekommen ist.
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Catch Me, Cowboy!
RomanceJaime Williams lebt das Klischee eines Cowboys: dreckige Schuhe, einen Hut in der Stirn und ein freches Grinsen auf den Lippen. Außerdem arbeitet er auf der Ranch seiner Eltern und er liebt es. Nichts ist schöner als die Zeit bei den Pferden oder d...