Die Bitte

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- Chester -

Ein sanftes Prickeln auf meiner Schulter weckt mich. Es ist kein ruckartiges, unangenehmes Aufwachen, sondern ein seichtes Gleiten von Schlafen zu wach sein.

Zufrieden brummend blinzle ich gegen das gedämpfte Sonnenlicht im Zelt an und mein Blick findet sofort Jaimes, der mich mit einem Lächeln in den warmen, hellbraunen Augen beobachtet. Er ist die Ursache für das Prickeln an meiner Schulter, denn seine Finger malen kleine Kreise auf die Haut dort.

"Guten Morgen", murmelt er und ihm ist anzuhören, dass er sich genauso gut fühlt wie ich mich. Die Erinnerung an den Grund für unsere Zufriedenheit lässt mich schmunzeln.

Wir liegen noch eine Weile einfach da, genießen das Vogelgezwitscher und die Nähe des anderen, die eine angenehme Wärme im Schlafsack erzeugt und dazu führt, dass ich gar nicht aufstehen will.

Irgendwann seufzt Jaime und fragt mit wenig Motivation in der Stimme: "Hast du die Aufbauaktion für das Dorffest auf dem Schirm? Das ist heute."

Fragend runzle ich die Stirn, bedeute ihm so, es mir zu erklären. Anscheinend habe ich so einiges noch nicht mitbekommen, obwohl ich hier schon eine Weile lebe.

"In vier Tagen ist das Dorffest von Blue Buffalo Creek. Die ganze Stadt samt Umgebung hilft vorher beim Aufbau - heute um 15 Uhr ist Beginn. Das Fest ist aber immer toll, es lohnt sich also, die paar Fässer zu schleppen oder das Zelt aufzubauen. Nichts dramatisches, aber Mick ist Teil der Organisation und bittet uns jedes Jahr, mit unserem Traktor vorbeizukommen."

Jaime sieht mich gespannt an. So, als würde ich jetzt nein sagen und alle anderen die Arbeit machen lassen. Statt ihm auf seine stumme Frage zu antworten, rümpfe ich die Nase.

"Wieso heißt es "Dorffest"? Das macht keinen besonders organisierten Eindruck, wenn ich ehrlich bin."

Darauf nickt Jaime nur, grinst aber. "Das würde nur jemand fragen, der nicht von hier ist." Als ich ihm neckend in die Rippen stoße, lacht er und küsst mich auf die Schulter, was mich schlagartig besänftigt. 

"Das Fest wird schon seit Ewigkeiten jährlich veranstaltet, also seit der Zeit, als Blue Buffalo Creek noch ein kleines Siedlerdorf war. Der Name ist trotzdem bis heute geblieben."

Plötzlich ertönt ein leises Piepen und lässt uns beide zusammenfahren. Während ich noch versuche herauszufinden, woher das Geräusch kommt, wühlt Jaime mit einem leisen Knurren in seinen Sachen, bis er ein Handy in der Hand hält und den Bildschirm einschaltet.

Amüsiert beobachte ich ihn. "Na, hast du diesmal doch dein Handy dabei?", raune ich verschwörerisch und zwinkere, als er mich finster anfunkelt. "Ja, leider. Mum hat gerade geschrieben, dass wir bitte heimkommen sollen, weil Kenny und Ray schon mit dem Traktor in die Stadt gefahren sind und wir die Pferde noch rausstellen sollen, bevor wir auch fahren."

Verstehend nicke ich und kämpfe gegen das Bedürfnis an, einfach mit ihm hier liegen zu bleiben. Zügig ziehen wir uns an, packen das Zelt zusammen und satteln die Pferde, sodass wir innerhalb von zwanzig Minuten schon wieder auf dem Heimweg sind.

...

"Chester! Das sind die Außenwände für die Zelte! Die müssen dort an den Haken befestigt werden", teilt mir Vivien mit, die gerade mit einem Hammer und Dutzenden von Wegweisern vorbeigerannt kommt.

Erleichtert zu wissen, was ich eigentlich tun soll, marschiere ich zu den bereits aufgebauten Zeltgerüsten und fange an, die Planen an die erwähnten Haken zu hängen. 

Während Jaime und die anderen mit Mick für die Getränke und das Essen eingeteilt sind, soll ich mich mit Vivien und Janet um die Zelte und deren Dekoration kümmern. Vivien wirbelt pausenlos umher, immer mit etwas anderem beschäftigt, und Janet bin ich bis jetzt noch nicht begegnet. Anscheinend gibt es irgendwo anders noch Zelte, die aufgebaut werden müssen.

Catch Me, Cowboy!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt