Friedensangebote

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- Jaime -

Jesse grinst mich an und ich kann gerade noch ausweichen, bevor mich der Strahl des Wasserschlauchs voll ins Gesicht erwischt.

Empört fluchend lasse ich den leeren Wassertrog fallen, den ich gerade über den Hof getragen habe und sprinte auf den Mexikaner zu, der sich schon in weiser Voraussicht aus dem Staub gemacht hat, den Schlauch aber immer noch hinter sich herziehend.

Chester und ich sind jetzt seit drei Tagen wieder zurück zu Hause und die Stimmung ist viel entspannter. Er kommt immer besser mit den anderen Jungs und meinen Eltern klar und auch wenn wir weiterhin Abstand zueinander halten, herrscht keine eisige Kälte mehr zwischen uns. Das macht den Alltag und die Arbeit viel einfacher, ich weiß lediglich nicht, wie ich dem schwarzhaarigen Cowboy, der mich mitten in der Steppe geküsst hat, begegnen soll.

"Hey, Schlafmütze, nicht in der Gegend rumstehen!", brüllt mir ein breit grinsender Kenny vom anderen Ende des Hofs entgegen und hebt seinen Hut vom Kopf, woraufhin ich ihm den Mittelfinger zeige, während ich das Lachen an meinen Schultern rütteln spüre.

Schließlich stapfe ich zurück zu dem Trog, der im Sand liegt und schleppe ihn Jesse hinterher auf die Koppel, der sich mit einem Schmunzeln erbarmt, ihn dort mit dem Schlauch zu füllen. Während das Wasser munter vor sich hin plätschert, stupst Jesse mich leicht an, sodass ich fragend zu ihm aufblicke.

"Ist eigentlich alles geklärt zwischen Chest und dir? Ihr wirkt weniger angespannt in der Anwesenheit des anderen."

Seine dunklen Augen mustern mich aufmerksam, während ich mich gegen den weißen Holzzaun neben mir lehne und in die Sonne blinzle, um ihm nicht ins Gesicht blicken zu müssen. Ich werde sicher nicht den Kuss erwähnen. Außerdem komme ich mir ein bisschen dumm vor, wenn Jesse mich so fragt, als hätten Chester und ich einen überflüssigen Zickenkrieg ausgefochten. Was ja faktisch auch stimmt. Aber gerade das frisst an meinem Stolz.

Dennoch antworte ich wahrheitsgemäß: "Es ist nicht perfekt, aber deutlich besser. Es hat nur etwa hundert Anläufe gebraucht, bis er mir wenigstens ein bisschen über sich erzählt hat, aber immerhin", versuche ich einen Witz, um mit dieser Antwort davon zu kommen.

Jesse seufzt und lehnt sich neben mich, den Blick auf das glitzernde Wasser im Trog gerichtet, das im Kreis wirbelt.

"Weißt du, Jaime, verurteile ihn nicht dafür, dass er so ist wie er ist. Jeder hat seine Dämonen und jeder flüchtet mal vor irgendetwas. Du könntest auch anders mit Janet umgehen, anstatt den Kontakt einfach abzubrechen."

Entgeistert starre ich ihn an, aber er hält meinem Blick stand. Am liebsten hätte ich ihn angefahren dafür, dass er Janet jetzt erwähnt, aber ich lasse es ihm durchgehen, weil er mein Freund ist und weil ich langsam realisiere, dass er recht hat. Chester und ich sind uns eigentlich sehr ähnlich, was Problembewältigung angeht.

Schweigend beiße ich mir auf die Lippe, nehme all meine Aufrichtigkeit zusammen und nicke schließlich ergeben. "Du hast recht, Jesse. Ich sollte nicht so ein Idiot sein."

Jesse grinst und klopft mir auf die Schulter, während er den Schlauch aus dem vollen Trog nimmt und ihn knickt, damit das Wasser gestoppt wird. "Das waren jetzt deine Worte."

Lachend hebe ich die Hände. "Stimmt. Aber danke für die ehrlichen Worte."

Der andere Cowboy hebt den Hut und deutet eine Verbeugung an: "Stets zu Diensten." Und dann ist das Thema für ihn gegessen, er läuft einfach los zum nächsten Wassertrog, ohne auf mich zu warten, leise vor sich hin pfeifend.

Catch Me, Cowboy!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt