Die Ranch

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- Chester -

Stöhnend schlage ich die Augen auf und fasse mir an die Stirn. Das Pochen in meinem Schädel ist so heftig, dass ich befürchte, gleich kotzen zu müssen. Vorsichtig taste ich nach meinem Handy, dessen schriller Ton meine Situation auch nicht besser macht. Dann greife ich nach der Wasserflasche auf dem kleinen Nachttisch und stelle fest, dass daneben sogar zwei Schmerztabletten liegen. 

Ein wenig verwundert danke ich dem Verantwortlichen  - vielleicht bin ich es selbst gewesen - in Gedanken und spüle sie mit einigen großen Schlucken runter. Schließlich schlage ich die Bettdecke zurück und schwinge die Beine mit einer bösen Vorahnung über die Bettkante. Sofort packt mich ein unangenehmes Schwindelgefühl und ich muss die Zähne zusammenbeißen, um dem heftigen Brechreiz entgegenzuhalten. 

Ich hätte gestern nicht so viel trinken sollen, stelle ich reuevoll fest und gleichzeitig weiß ich, dass ich es wahrscheinlich noch öfter machen werde. Die Gedanken lassen sich einfach nicht anders stummschalten. 

Plötzlich flackert eine vage Erinnerung in meinem Bewusstsein auf und lässt mich innehalten. Der Rancher und sein Cowboy-Sohn... Verdammt, ich habe einen Job!

 Seufzend stütze ich die Ellbogen auf die Knie und reibe mir über mein taubes Gesicht. Natürlich muss ich das einzige Jobangebot, das ich hier bekommen habe und zudem erschreckend dringend brauche, völlig im Rausch annehmen, sodass ich mich jetzt kaum noch daran erinnern kann. Das kommt davon, wenn man sich um zwei Uhr nachmittags schon abschießt. 

Leise fluchend stemme ich mich mit einem angestrengten Ächzen auf die Füße und ziehe im Laufen ein frisches Shirt aus meiner Reisetasche, bevor ich im angrenzenden Bad verschwinde. 

... 

"Guten Morgen, Chester", begrüßt mich Mick lächelnd, als ich zu ihm unter das selbstgezimmerte Dach trete, unter dem er hinter dem Laden seiner Frau eine kleine Werkstatt eingerichtet hat. Zu unserer Linken befindet sich die Garage, in der ich meinen dunkelbraunen Wallach Peter Pan unterstellen darf. Egal, wie schäbig ich wirken mag, aber das werde ich dem Barbesitzer nie vergessen. 

"Morgen, Mick." 

Ich sehe seinen prüfenden Blick, der über meinen Körper wandert und reibe mir bedrückt den Nacken. Mir ist sofort klar, was er mir mitteilen will. "Tut mir leid wegen gestern Nachmittag... das war so nicht geplant gewesen", füge ich also etwas leiser hinzu. 

Ich hoffe, dass er mir ansieht, dass ich die Wahrheit sage, denn ich habe wirklich vorgehabt, die Chance, die Mick mir verschafft hat, zu nutzen. Leider weiß ich nicht, ob ich das getan oder völligen Mist gebaut habe. 

Eine Weile sieht er mich schweigend an, dann runzelt er die Stirn und seufzt. 

"Du musst dich nicht bei mir entschuldigen. Ich möchte nur, dass du die Gelegenheit nicht wegwirfst. Joe ist ein guter Mann und er wird dich fair behandeln, aber du musst deine Probleme in den Griff bekommen, klar?" 

Sein Ton ist sanft, er versucht offensichtlich, seine ruppigen Worte abzumildern, dennoch treffen sie mich. Ich weiß, dass er recht hat, aber ich kann ihm nicht versprechen, dass sich der Dreck um mich herum einfach in Luft auflöst. 

Ich nicke nur stumm und reibe mir den Nacken, bevor ich in Richtung der Garage gehe, um Peter Pan zu besuchen. Mick folgt mir und während ich das alte Holztor aufschiebe, lehnt er sich gegen die Wand links von mir und meint: 

"Joe erwartet dich im Laufe des Tages. Ich würde dir meinen Pferdehänger ja zum Transport anbieten, aber der hat einen Achsenbruch. Wenn du möchtest, fahre ich dir deine Sachen zur Ranch, dann kannst du deinen Braunen hinführen. Es ist ja nicht weit und sein Bein sieht auch wieder besser aus."

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