Hör auf.

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- Jaime -

Die Wut und das Unverständnis, die in seinen jetzt dunklen, waldgrünen Augen wirbeln wie Sturmwolken, schüren das Feuer in meinem Inneren weiter. Wieso ist er denn jetzt wütend auf mich?

Mit einem frustrierten Ächzen schmeiße ich die Hände in die Luft. "Was willst du hören, Chester? Dass ich wütend bin, weil ich gerade nicht nur von der Person verhöhnt wurde, die mir jahrelang so nah stand, dass ich das nie für möglich gehalten hätte?!  Oder dass ihr verfluchter Freund meint, er könne mich beleidigen, nur weil er jetzt Janet hat?! ICH HABE KEINE AHNUNG, WAS DAS SOLLTE!", schreie ich ihn an.

Anstatt jedoch ebenfalls laut zu werden, steht er einfach da, die Arme vor der Brust verschränkt und die Miene finster. Der Alkohol hat mir die Kontrolle über meinen Körper entrissen, sodass ich nach meinem Ausbruch kurz das Gleichgewicht verliere und einen Schritt zur Seite taumle.

Ich mustere ihn wütend, suche in seinem Gesicht nach einem Grund, auch auf ihn loszugehen. Irgendwas, damit ich diese Aggression in meinem Inneren loswerden kann. Dann fällt mir die Platzwunde an seiner Unterlippe wieder auf und ich verziehe das Gesicht.

Als ich einen Schritt auf ihn zumache, weicht er erst kurz zurück und mustert mich mit skeptisch hochgezogenen Augenbrauen. Es ist so offensichtlich, dass er einen erneuten Angriff erwartet, dass ich unwillkürlich verletzt zusammenzucke. Erst als ich behutsam mit den Fingern über seine Lippe fahre, entspannt er sich ein wenig.

Ich spüre die Schwellung genauso deutlich wie seinen schweren Blick. Was mich aber noch schlechter fühlen lässt, ist die Tatsache, dass ich darin keinen Vorwurf finde.

"Es tut mir leid."

Die Worte kommen gemurmelt und undeutlich zwischen meinen Lippen hervor, aber Chester versteht sie, denn er seufzt erneut und umfasst sanft meine Hand, die immer noch an seinem Kiefer liegt.

"Jaime, du musst dich nicht bei mir entschuldigen. Ich möchte nur eins: Wenn du Probleme hast - oder wütend bist, ganz egal -, dann komm bitte zu mir und hör auf, dich zu betrinken. Frustsaufen ist keine Lösung für Probleme und es ist feige - Ist es nicht das, was du mir die ganze Zeit vorgeworfen hast?"

Seine Worte stechen, auch wenn sie wahr sind. Ich entziehe ihm meine Hand etwas zu grob und beiße die Zähne zusammen.

"Vielleicht habe ich mir diese Taktik auch nur von jemandem abgeschaut, der offensichtlich sehr viel verdrängen muss!"

Und damit habe ich eine Grenze überschritten. Das weiß ich und, auch wenn es nicht für mich spricht, es war beabsichtigt. Chesters Blick verschließt sich sofort und und zuckt förmlich vor mir zurück.

"In Ordnung. Ich gehe jetzt", lässt er mich kalt wissen und dreht sich schon zurück zur Bar, als ich einen heftigen Fluch ausstoße und mich ihm in den Weg stelle.

"Bleib hier. Bitte! Es tut mir leid, ich..." Um die richtigen Worte bemüht lege ich den Kopf in den Nacken. Mein Kopf funktioniert so furchtbar langsam. "Ich bin sehr dünnhäutig, wenn es um Jane-"

Ich halte abrupt inne, als ich Hände spüre, die sich sanft um meine Wangen legen. Als ich den Blick wieder senke, sehe ich direkt in Chesters Augen, die jetzt so dunkel sind, dass sie auch braun sein könnten. Er mustert mich so direkt, dass ich es kaum aushalte.

"Jaime..."

Mein Name ist nur ein Seufzen, das über seine Lippen kommt, aber es jagt mir einen Schauder über den Rücken, der mir den Atem raubt. Dann, ganz leicht, spüre ich seine Lippen auf meinen.

Ehe ich mich versehe, habe ich meine Arme um seinen Nacken geschlungen und erwidere seinen Kuss mit allen, was ich habe. Verzweifelt flehe ich ihn um seine Nähe an und er gewährt sie mir, das erste Mal seit Tagen.

Catch Me, Cowboy!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt