//Emilia//
Es war ein herrlicher Herbsttag mit noch warmen Temperaturen. Unsere Aufnahmen hatten wir jeweils getrennt von einander, was vielleicht für unsere Konzentration auch besser so war. Dennoch bemerkte ich immer bei meinen Aufnahmen, wie Wincent mich mit leuchtenden Augen ganz aufmerksam betrachtete. Wir mussten beide mehr lächeln als geplant und strahlten, doch das Ergebnis konnte sich mehr als sehen lassen. Am Ende des Tages hatten wir ein wunderbares Video im Kasten.
Ich hatte gerade meine Sachen zusammen gepackt und wollte Richtung Hotel aufbrechen, da erreichte mich ein Anruf von Kathi."Hey Süße! Was gibt's? Wie geht's dir?", plapperte ich drauf los.
"Oh Mila! Endlich erreiche ich dich!", Kathi klang anders, irgendwas zwischen verzweifelt und hysterisch.
"Entschuldige! Heute war doch der Videodreh ...", weiter kam ich nicht.
"Mila? Ich hab ... also ... es ist was passiert. Und ich weiß nicht, wie ich gerade damit umgehen soll." Mir rutschte das Herz ein wenig in die Hose ... das konnte natürlich viel bedeuten und mir kreisten schon die wildesten und schlimmsten Gedanken im Kopf.
"Was ist los Kathi? Sag schon ... "
"So ein scheiß. Man Mila, ich sitz' hier gerade mit gefühlt tausend Schwangerschaftstest im Badezimmer, übrigens positiv, bin kurz vorm Nervenzusammenbruch und meine beste Freundin ist nicht da!" Und damit fing sie bitterlich zu weinen an.
"Schwanger?", ich musste erst einmal verarbeiten, was sie da gerade vom Stapel gelassen hatte und versuchte kurz meine Gedanken und Emotionen zu kontrollieren.
"Aber ... also ...", ich atmete kurz tief ein und aus, damit wenigstens eine von uns einen kühlen Kopf bewahrte. "Das ist doch toll, Mäuschen!", war genau der falsche Ansatz, denn jetzt fing sie nur noch doller an zu weinen. Normalerweise würde man der besten Freundin vielleicht in dem Moment raten, sich den Eltern anzuvertrauen. Aber Kathis Vater hatte sich schon vor Jahren von seiner Familie abgewandt, um sich im Ausland ein neues Leben aufzubauen und ihre Mutter verstarb vor einigen Jahren. Sie hatte nur noch ihre Großeltern mütterlicherseits und mich."Weißt du was? Du versuchst jetzt erstmal deine Gedanken zu sortieren. Mach dir eine Badewanne und eine heiße Schokolade oder so. Ich versuche gleich im Hotel den nächst möglichen Flug zurück nach Hamburg zu kriegen und dann bin ich voll und ganz für dich da!"
"Wirklich?", wenigstens für diesen einen Moment hatte ich Kathis Weintirade stoppen können. Ich konnte vor meinem inneren Auge genau sehen, dass sie gerade diesen überraschten Blick mit den großen Augen aufgesetzt hatte.
"Aber natürlich. Ich schick dir nachher meine Flugzeiten! Und denk dran, dass ich dich lieb hab!"
"Du bist die Beste, Mila! Bis später!"
Im Hotel angekommen, ließ ich mich erstmal aufs Sofa fallen und versuchte, dass alles zu verarbeiten. In der Minibar konnte ich Wein finden. Mit einem Glas von dem portugisieschen Wein setzte ich mich an mein IPad und suchte die nächsten Flugzeiten. Den Flug um 23 Uhr sollte ich kriegen. Ein vorsichtiges Klopfen an meiner Zimmertür riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich kurz zusammen zucken. Natürlich stand Wincent im Türrahmen.
"Hey ... hast du vielleicht Lust was trinken zu gehen? Das gesamte Team möchte auf die erfolgreich abgeschlossen Dreharbeiten anstoßen." Da war wieder das Funkeln in seinen Augen und das schiefe Grinsen auf seinen Lippen. Dabei wurde mir gleichzeitig heiß und kalt wenn ich an die letzte Nacht dachte. Doch sein Lächeln verschwand relativ schnell, denn Wincent hatte hinter mich geschaut und den gepackten Koffer entdeckt.
"Oh, du hast schon gepackt?""Wincent, es tut mir leid. Ich muss noch heute Abend wieder zurück nach Neustadt. Kathi brauch mich jetzt einfach. Um 23 Uhr geht mein Flug." Während ich redete, strich ich ihm kurz über die Wange. In seinem Blick lagen Schmerz und Enttäuschung.
"Okay, dann will ich dich nicht aufhalten. Ich bringe dich zum Flughafen." Dankbar über das Angebot verabschiedete ich mich noch schnell vom restlichen Team, ehe wir Richtung Flughafen aufbrachen.
Die Fahrt verlief relativ schweigsam. Mir tat es irgendwie ein bisschen weh Wincent so niedergeschlagen zu sehen. Vorsichtig nahm ich seine rechte Hand in meine und drückte sie leicht. Mit einem kleinen Lächlen sah er zu mir rüber. Am Flughafen brachte Wincent mich noch bis zum Gate. "Na dann ... guten Flug und wir sehen uns wenn ich auch wieder da bin", es war schon mehr eine Frage. "Danke Wincent. Fürs Fahren und generell", ich umarmte ihn zum Abschied und konnte dabei seinen Duft einatmen. Eine Mischung aus AfterShave und Meer. Nach einen kurzen Blick in seine Augen ergriff ich einfach die Initiative und küsste ihn. Auch wenn ich nicht wusste, wo der Mut dazu herkam. "Bis bald", hauchte ich ihm zu und drehte mich Richtung Check-In um.
//einige Stunden später//
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich endlich in Neustadt an. Leise öffnete ich die Wohnungstür, stellte mein Gepäck im Flur ab und schaute wo Kathi sein könnte. Sie lag in ihrem Bett, hatte sich ganz klein gerollt und schlief tief und fest. Sachte setzte ich mich auf die Bettkante, strich Kathi eine Strähne aus dem Gesicht. Ich konnte genau sehen, dass ihre Augen stark gerötet waren. Sie blinzelte mich kurz an. "Hey, da bist du ja!", murmelte sie schlaftrunken. "Ja, ich bin jetzt hier. Alles wird gut, Kathi! Und jetzt schlaf weiter", flüsterte ich ihr zu. "Bleibst du heute Nacht bei mir?", fragte sie noch, bevor sie wieder in den Schlaf fand. Das hatte Kathi früher schon immer gefragt, sie konnte in stressigen Situationen noch nie gut allein sein und das brauchte sie auch nicht.
Ich zog mich noch schnell um, schrieb Wincent kurz eine WhatsApp, dass ich gut angekommen bin und mich morgen bei ihm melde, bevor ich mich zu Kathi ins Bett legte.

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An Wunder
FanfictionZwei Beziehungen, die zerbrechen. Zwei irgendwie ähnliche Geschichten. Sie die Betrogene, er der Verlassene. Eine schicksalhafte Begegnung für zwei jungen Menschen, die selbst noch nichts davon ahnen. Und so nimmt die Geschichte von Emilia und Win...