Kapitel 5

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Gelangweilt lauschte ich dem Unterricht meines Mathelehrers, welcher die ganze Klasse über öde Themen volllaberte. Keiner hier interessierte sich dafür, aber dennoch täuschte ich etwas Aufmerksamkeit vor, da ich mir keinen zusätzlichen Ärger einbrocken wollte. Anna, die einige Plätze neben mir saß, bemerkte meine Langeweile und entschied kurzerhand mir einen Zettel zu schreiben. Diesen gab sie ihrem Banknachbarn, welcher ihn weiter reichte, bis er schließlich bei mir ankam. Vorsichtig, und vor allem unauffällig, faltete ich das kleine Papier auf und las mir ihre Botschaft durch.

' Na wie lief es gestern mit dem süßen Jungen? Ich will alles wissen ;) '

Bitte was? Ich konnte mich immer noch an nichts erinnern, also antwortete ich kurzerhand mit einer ehrlichen Antwort. Ich nahm meinen Stift und schrieb ihr ein paar Wörter auf den Zettel.

' Welcher Junge? Ich weiß von nichts :/ '

Als ich fertig war, reichte ich diesen zurück an die Person, die ihn mir gegeben hat und stückweise kam er wieder an seinen Absender zurück. Anna las ihn sich fix durch und schaute mich mit einem 'Das meinst du doch nicht ernst' - Blick an. Sie griff nochmals nach ihrem Stift und das Ganze ging nochmal von vorne los. Gerade als ich das Stückchen Papier wieder entgegen nehmen wollte, wurde es mir von meinem Lehrer abgenommen, welcher mich schon genervt anschaute.

"Shields und Winters, Nachsitzen!", sagte er streng und blickte uns beide dabei eindringlich an. Na toll, das hatte ich gerade noch gebraucht. Ich konnte diesen Lehrer aufs Äußerste nicht ausstehen! Mein Blick wanderte wieder zu Anna, die eben so angepisst dreinblickte wie ich. Mr. Ronalds war einer der nervigsten und unausstehlichsten Lehrer dieser Schule und er ließ sich keine Chance nehmen, seinen Schülern so richtig eins auszuwischen.

Den Rest der Stunde passte ich sowieso nicht mehr gescheit auf und auch der restliche Schultag verlief so wie immer. Es passierte nichts Besonderes und als die Schulglocke klingelte hätte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als endlich nach Hause zu gehen, doch das konnte ich mir ja jetzt abschminken. Mit gehörig schlechter Laune ging ich auf das Zimmer zum Nachsitzen zu, öffnete die Türe und sah in der hintersten Reihe auch schon meine Freundin sitzen, die die Zeit ebenso zügig absitzen wollte wie ich. Ich setzte mich auf den Platz neben sie und starrte auf die Aufgaben, welche auf meinem Schreibtisch vor mir lagen. Ganz sicher würde ich die jetzt nicht machen, immerhin hatte ich nichts falsch gemacht.

Schätzungsweise vergingen zehn Minuten ehe uns der Lehrer darauf aufmerksam machte, dass er noch etwas Wichtiges erledigen musste und wir doch, nachdem wir unsere Zeit abgesessen hatten, gehen konnten. Er verließ das Zimmer und keine Minute später stand Anna auch schon mit ihren Sachen auf, um sich aus dem Staub zu machen.

"Du willst einfach gehen?", fragte ich sie etwas erstaunt. Ich hatte nämlich keine Lust auf ein verlängertes Nachsitzen, sollten wir erwischt werden.

"Der kommt doch eh nicht wieder. Na komm schon, ich werde hier nicht meine Zeit verschwenden.", meinte sie selbstsicher und stolzierte auf die Tür zu. Ich tat es ihr gleich und so verschwanden wir aus dem Raum. Während wir zu ihrem Auto gingen, unterbrach ich die Stille zwischen uns und entschied mich dazu, sie auf den gestrigen Abend anzusprechen. Vielleicht konnte sie meinem Gedächtnis ja auf die Sprünge helfen.

"Hey wegen gestern: Ich kann mich wirklich an fast nichts erinnern. So viel habe ich eigentlich noch nie getrunken..", bevor ich mehr sagen konnte, unterbrach sie mich.

"Mach dir keine Vorwürfe! Ich kann dir gerne erzählen woran ich mich noch erinnern kann, aber machen wir das doch ganz entspannt beim Mittagessen, okay?", redete sie mit einer ruhigen Stimme auf mich ein.

Ich nickte nur und stieg in ihr Auto ein. Was hätte ich auch sagen sollen? Dass ich jetzt eigentlich nach Hause wollte? Dort würde ich doch ohnehin nichts Besonderes machen außer auf dem Bett zu liegen und Netflix zu schauen. Vielleicht würde mir etwas Gesellschaft ja ganz gut tun, so oft traf ich mich nämlich nicht mit Anna, geschweige denn mit dem Rest der Clique.

"Es gibt da so ein nettes Restaurant ganz in der Nähe, mit veganen und vegetarischen Gerichten. Angeblich soll das Essen dort echt sehr gut schmecken."; sagte sie beiläufig.

Das hörte sich jetzt schon nach einem sehr teuren Restaurant an, so viel konnte ich schonmal sagen. Eigentlich hatte ich gar nicht so viel Geld übrig, aber so wie ich Anna kannte, würde sie sowieso darauf bestehen, es mir auszugeben.

* * *
Gleich als wir das Restaurant betraten, wurde uns ein gemütlicher Platz abseits der anderen angeboten, sodass wir unsere Ruhe hatten. Anna bestellte sich gleich mal eine gesunde Limonade und bevor ich ebenfalls etwas sagen konnte, nahm sie mir schon meine Entscheidung ab und bestellte mir das Gleiche. Als die Kellnerin wieder weg war, fing Anna direkt die Konversation an.

"Du weißt wirklich nichts mehr? Seit wann trinkst du überhaupt so viel", fragte sie mich neugierig.

"Ich...naja...", es verschlug mir wortwörtlich die Sprache. Was sollte ich auch darauf antworten, keine Ahnung was mit mir los war. Ehe ich überhaupt etwas zustande bringen konnte, nahm sie mir schon das Wort ab.

"Also du hast so einige Cocktails getrunken, Ashley hat dich auf der Tanzfläche gesehen, danach bist du in Unterwäsche schwimmen gegangen und als dir das Wahrheit oder Pflicht Spiel nicht mehr zugesagt hat. hast du dir noch mehr zu trinken geholt. Nun ja, das Wichtigste zum Schluss: Du hast mit einem echt süßen Jungen die Party verlassen. Eigentlich wollte ich dich ja fragen, ob da mehr lief, aber du...", brabbelte sie mich voll, aber bei dem Satz griff ich ein.

" Nein, da lief bestimmt nichts. Ich bin heute in meinem Bett aufgewacht...alleine.", sagte ich selbstsicher. Bevor ich weiterreden konnte, kamen mir die Ereignisse wieder in den Kopf und der ganze Abend spielte sich blitzartig in meinem Kopf ab. Ich konnte mich wieder an das Meiste erinnern, vor allem der letzte Teil der Nacht wurde mir jetzt wieder ins Gedächtnis gerufen. Ein Junge hatte mich nach Hause gefahren, er war so fürsorglich gewesen. Ich erinnere mich noch genau an seine braunen Locken und braunen Haare, aber an seinen Namen konnte ich mich nicht erinnern. Irgendwas mit J vielleicht?

"Wie hieß er eigentlich?", stellte Anna die Frage, welche sich gerade in meinem Kopf aufgetan hatte.

"Gute Frage, sein Name ist mir entgangen...", meinte ich nachdenklich.

"Ach komm, ihr habt doch bestimmt Nummern ausgetauscht. Schau doch mal auf dein Handy."

Da hätte ich natürlich auch selbst drauf kommen können. Ich griff nach meinem Smartphone und ging meine Kontakte durch, bis ich einen Namen erblickte, der mir bislang nicht bekannt war.

"Jace!", antwortete ich ihr schließlich auf ihre Frage.

"Schreib ihm doch mal. Ich bin mir sicher du möchtest ihn wieder sehen.", grinste mich Anna an.

"Ich weiß nicht...", stammelte ich, da ich mir irgendwie unsicher war. Ich war letzte Nacht vollkommen betrunken, vermutlich wollte er mich gar nicht sehen. Und selbst wenn, was sollte ich denn bitte schreiben?

Ohne zu zögern schnappte mir Anna mein Handy weg und tippte zügig eine Nachricht ein. Ich versuchte ihr mein Handy wieder wegzunehmen, doch ohne Erfolg. Als ich es wieder bekam, hatte sie bereits eine Nachricht abgeschickt.

'Hey Jace, gestern Nacht war echt schön. Treffen wir uns die Woche nochmal? Schreib mir gerne ;) '

"Was zur Hölle? Sowas würde ich doch nie schreiben!", sagte ich ihr empört ins Gesicht. Was würde er denn bloß von mir denken? Wahrscheinlich, dass ich nur auf das Eine aus war. Oh man, Anna!

Nach unserem Gespräch und dem Mittagessen passierte nicht mehr viel. Es wäre schön gewesen, hätte meine Freundin mich noch nach Hause gefahren, aber anscheinend war ihr wieder irgendetwas dazwischen gekommen. Das ist schon so oft vorgekommen, langsam ging es mir wirklich auf die Nerven. Immer war irgendetwas oder irgendjemand wichtiger als ich.

You're mine - a kidnapper story ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt