Kapitel 14

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Ich erwachte aus einem tiefen und sehr ausgiebigen Schlaf, welchen ich so schon sehr lange nicht mehr gehabt hatte. Es fühlte sich so an, als wäre ich seit Tagen im Koma gewesen, ehe sich mein Körper dazu entschloss, daraus auszubrechen. Zögernd öffnete ich meine Augen, woraufhin ich auf die Decke blickte, welche mir so nicht bekannt vorkam. Das hier war anscheinend nicht mein Zimmer, aber wieso war ich dann hier? Langsam drehte ich meinen Kopf nach rechts, da ich etwas an meinem Arm spürte, das ich mir nicht gleich erklären konnte. Schockiert bemerkte ich, dass an meinem Arm eine Kanüle angeschlossen war, welche mit einer Infusion verbunden war, welche anscheinend immer noch am Laufen war. Meine erste Reaktion war es, mich aufzuraffen und die Nadel so schnell wie möglich aus meiner Haut hinauszuziehen. Mein Vorhaben konnte ich so jedoch nicht umsetzen, da mich ein stechender Schmerz in meiner Magengrube davon abhielt. Ich ließ mich die wenigen Zentimeter zurück in das Bett plumpsen und ehe ich mich versah, kamen die Erinnerungen auf einen Schlag wieder zurück.

Es gab eine Auseinandersetzung zwischen mir und Jace, welche mit einem schwerwiegenden Schuss endete. Ich hatte die selbstbewusste Rolle übernommen, welche ich lediglich zu meinem eigenen Schutz aufgesetzt hatte. Nicht, dass ich unbedingt schüchtern war, aber das was ich da abgezogen hatte, war einfach nicht ich gewesen. Keine Ahnung wieso ich das gemacht hatte, letztendlich war ich nämlich selbst Schuld an meiner Verletzung. Ich hatte versucht Jace die Pistole aus der Hand zu reißen und dabei den Schalter betätigt, welcher mich jetzt an das Bett gebunden hatte. Erst jetzt kam mir in den Sinn, dass ich eigentlich im Krankenhaus hätte sein müssen, stattdessen befand ich mich aber immer noch in diesem verklemmten Haus. Hatte er mich etwa selbst verarztet? Jedenfalls ging ich davon aus, da die Rettungskräfte im Leben nicht rechtzeitig da gewesen wären. Zudem zweifelte ich daran, dass er sie überhaupt gerufen hätte. Schließlich gab er alles dafür, dass ich hier bei ihm blieb. Ich verstand immer noch nicht, was er bloß an mir hatte, immerhin spielte ich nicht gerade nach seiner Pfeife und hatte mich auch schon oft genug gegen Jace behauptet, und trotzdem hielt er an mir fest.

Ich konnte mir nicht erklären warum, aber ich empfand für ihn keinen Hass mehr. Heißt nicht, dass ich ihn jetzt plötzlich mochte, aber er hätte mich verdammt nochmal sterben lassen können, doch er tat es nicht. Dank ihm lebte ich noch. Gut, hätte er mich in erster Reihe nicht entführt, wäre das sowieso nie passiert, aber trotzdem verdankte ich ihm mein Leben. Er war nicht Schuld an meinem Schuss gewesen, das war ganz alleine ich. Plötzlich fühlte sich mein Kopf an, als würde er platzen. Das ganze Nachdenken bescherte mir starke Kopfschmerzen und am liebsten wäre ich direkt wieder eingeschlafen, doch ich wollte wach bleiben. Ich wollte mit Jace reden... und zwar vernünftig.

Ich konnte jetzt schlecht zu ihm hinlaufen, aber so wie ich ihn kannte würde er früher oder später sowieso hier auftauchen. Sicher würde Jace nach mir sehen kommen, sonst hätte er mich genauso gut sterben lassen können. Keine Minute später kam er tatsächlich durch die Tür hinein und sah ziemlich fertig aus. Unter seinen Augen hatten sich heftige Augenringe gebildet, seine braunen Locken waren zerzaust und seine Haut wurde von sanften Fältchen geziert. Er sah so aus, als hätte er seit Tagen nicht richtig geschlafen... oder überhaupt geschlafen. Langsam kam er auf mich zu und begrüßte mich mit einem müden Lächeln.

"Guten Morgen, Claire. Hast du gut geschlafen?" Meinte er das ernst? Er tat so, als wäre nichts weiter passiert, als wäre es ein Tag wie jeder andere. Da ich ihn nun aber nicht gleich wieder anmaulen wollte, versuchte ich mich zusammenzureißen und ruhig zu bleiben.

"Kann man so sagen... Wie lange war ich denn außer Gefecht?", ich wusste, dass es unmöglich nur ein paar Stunden gewesen sein konnten, denn ich fühlte mich viel zu schwach. So fühlte man sich auf jeden Fall nicht nach einem kleinen Schläfchen.

"Eine Woche, so lange hätte es eigentlich nicht sein sollen, aber...", er klang völlig verzweifelt.

"Wie bitte?! Eine ganze Woche?!", sofort schoss ich mit meinem Körper hoch, was ich jedoch im nächsten Augenblick sofort bereute. Ich stoß einen kleinen Schmerzschrei aus und ließ mich wieder zurück in die Laken sinken. Mist, die Wunde machte mir echt zu schaffen.

"Ganz ruhig, Claire.", er kniete zu meiner Rechten und umschloss sanft mein rechtes Handgelenk. "Du musst dich schonen. An wie viel kannst du dich erinnern?"

"An alles. Ich weiß, dass der Schuss meine Schuld war...", gab ich zu. Keine Ahnung wieso, aber ich wollte nicht, dass er sich Vorwürfe machte.

"Ich hätte die Pistole an erster Stelle nicht zur Hand holen sollen, dann wäre das nie passiert.", ich konnte ihm ansehen, dass er es ernst meinte.

"Ist schon gut. Habe ich Recht mit der Annahme, dass du selbst dich um meine Verletzung gekümmert hast?", schoss ich einfach heraus, immerhin fragte ich mich das schon die ganze Zeit. Als Antwort nickte er einfach und blickte mich immer noch voller Sorgen an.

"Alles ist gut verlaufen, du solltest in wenigen Wochen wieder ganz bei Kräften sein...Bevor du fragst: Ich habe mein Medizin Studium abgeschlossen, also keine Sorge, dir und deiner Wunde wird es gut gehen."

"Daran hatte ich ehrlich gesagt auch keine Zweifel, alleine schon wegen der Infusion. Wer hat denn sonst sowas zu Hause.", meinte ich etwas beiläufig zu ihm, um die Stimmung aufzulockern. Ich wollte nicht, dass er mich weiterhin mit diesem Blick musterte. Als er darauf nichts erwiderte, fuhr ich fort: "Könntest du mir eventuell die Infusion entfernen, ich glaube die brauche ich jetzt nicht mehr." Ich wollte einfach nur die Nadel aus meiner Haut draußen haben.

"Ja, natürlich.", antwortete er mir und machte sich auch direkt daran. Den Schlauch, welcher in den Beutel mit der Flüssigkeit mündete, zog er vorsichtig heraus und räumte ihn geschwind weg, ebenso wie den dazugehörigen Ständer. Als nächstes machte er sich daran, die Nadel herauszuziehen, welche anschließend direkt im Müll landete. Zu guter Letzt klebte er mir noch ein Pflaster auf die Einstichstelle, welche leicht anfing zu bluten. Dabei ging er so sanft und präzise vor wie ein Arzt mit jahrzehntelanger Erfahrung. Ich war mich sicher, dass er in seinem Beruf zu den Besten zählte.

"Danke",  murmelte ich. Als nächstes jedoch belastete mich ein ganz anderer Gedanke. Ich musste aufs Klo, und zwar dringend. Zweiter Gedanke: Was hab ich dann bitte die letzte Woche gemacht? Ich musste das ganze Bett eingenässt haben. Oh man, war das peinlich. Jedoch durchbrach ich jetzt einfach die kurze Stille und sprach meinen ersten Gedanken laut aus. "Hey... Ich muss wirklich dringend auf die Toilette. Kannst du mir helfen dahin zu kommen?", ich blickte etwas verlegen drein, da mir das schon leicht peinlich war, aber andererseits hatte er sich ja in den letzten Tagen auch drum gekümmert...

"Natürlich, warte kurz.", er ging zu seinem Schrank und holte ein übergroßes T-Shirt raus, welches er mir überzog, nachdem er mich kurz hochgezogen hatte. Ich war nur in Unterwäsche dagelegen, was mich jetzt aber irgendwie auch nicht gestört hatte. Trotzdem fand ich es süß, dass er daran gedacht hatte, meinen Körper jetzt zumindest halbwegs zu bedecken. In Anschluss hob er mich im Brautstyle hoch und trug mich ins nebengelegene Bad und setzte mich direkt vor der Toilette auf meine Beine ab. Dort stützte ich mich ab und konnte noch sehen, wie Jace das Bad verließ und die Tür hinter sich schloss. 

Nachdem ich mein Geschäft erledigt hatte und die Spülung betätigte, schlurfte ich zum Waschbecken, um mir sowohl meine Hände als auch mein Gesicht zu waschen. Ich wollte mich gar nicht im Spiegel betrachten, da ich sowieso aussah wie der letzte Dreck. Eigentlich hätte ich auch eine Dusche vertragen können, aber mein Körper würde das nicht zulassen. Ich konnte mich nach diesen zwei Minuten kaum mehr auf den Beinen halten und erreichte gerade noch die Tür, bevor ich beinahe zusammenbrach. Jace hatte noch im rechten Moment die Tür aufgerissen und mich aufgefangen, bevor ich zu Boden gefallen wäre.

"Alles gut, ich hab dich.", beruhigte er mich. Er fand aber auch immer die richtigen Worte und wusste genau, wo er ansetzen musste, um mich am rechten Fleck zu treffen...ob es nun negativ oder positiv war. Jetzt gerade war ich ihm dankbar dafür und ließ mich von ihm ins Bett tragen, dieses Mal aber in Meines. Vermutlich hatte er mich davor in seinem Zimmer schlafen lassen, da er dort seine Utensilien aufzubewahren schien, jetzt aber ließ er mir wieder meine Freiheit, so gut es eben von seiner Seite aus ging. Wegrennen konnte ich jetzt so oder so nicht, aber wollte ich das überhaupt noch? Ich war verwirrt und in meinem Kopf kreisten tausend wirre Gedanken, das kam bestimmt vom Schmerzmittel, ohne wären die letzten Tage nämlich ziemlich unangenehm gewesen.

You're mine - a kidnapper story ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt