Kapitel 9

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"Wieso sollte ich? Was willst du bitte mit mir machen?", ich wusste auch nicht, woher dieses plötzliche Selbstbewusstsein herkam, aber ich würde ganz sicher nicht feige dastehen und mir von Jace Befehle geben lassen. Ich schaute ihn eindringlich an und wartete auf eine Reaktion von ihm, welche auch einige Sekunden später eintrat.

"Na schön, du hast es so gewollt.", meinte er gefällig und schleifte mich an meinem Arm hinter sich her. Sein Griff zerquetschte mir gefühlt meinen Oberarm und obwohl ich versuchte, mich mit aller Kraft zu wehren, wollte es einfach nicht klappen.

"Verdammt, lass mich los!", schrie ich ihn an, während wir auf eine mir noch unbekannte Tür zugingen. Ohne zu zögern öffnete er diese und mein Blick glitt in einen dunklen, engen Raum, in welchen ich unsanft hinein gestoßen wurde. Mit einem lauten Knall landete ich auf dem Boden und ehe ich mich versah, krachte hinter mir die Tür zu. Daraufhin hörte ich, wie Jace die Tür mit einem Schlüssel verschloss und sich von mir entfernte. Ehe er sich aber endgültig aus meiner Reichweite verabschiedete, meinte er noch, ich habe jetzt genügend Zeit, über mein Verhalten nachzudenken. Wie konnte er nur? Lautstark hämmerte ich gegen die Tür in der Hoffnung, diese irgendwie aufzubekommen, doch vergebens. Ich hatte panische Angst in engen Räumen. Dass es hier kein Licht gab, machte es kein Stück besser. An Klaustrophobie litt ich schon seit Jahren, nachdem es einen dummen Vorfall an meiner Schule gab. Es war Halloween und wir Schüler irrten im Schulhaus umher, um die Räume für den nächsten Tag etwas aufzupeppen, sodass die Schüler was zu lachen haben würden. Die Lehrer hingegen waren schon immer genervt von den Streichen gewesen, erlaubten uns aber immer unsere Halloween Tradition. Wie dem auch sei, ich wollte mit Anna etwas aus dem Raum des Hausmeisters holen. Meine Freundin verzog sich aber kurz vorher, da ihr Freund nach ihr gerufen hatte. Ich hingegen begab mich in die dunkle Kammer, welche allerdings zu meinem Bedauern nur von außen zu öffnen war, war sie einmal verschlossen. Wie es der Zufall wollte, knallte die Tür zu und ich verbrachte die ganze Nacht in diesem engen, dunklen Raum. So hilflos hatte ich mir zu dem Zeitpunkt noch nie gefühlt. Anna hatte mich im Stich gelassen und ich konnte nur dahocken und auf Hilfe warten. Seit diesem Vorfall vermied ich es so gut es ging, mich in solchen Räumen aufzuhalten, da ich sonst immer an jenes Ereignis zurückdenken musste.

Panik kroch in mich hoch, da ich der Willkür von Jace ausgesetzt war. Dieser Psycho wusste genau, wo meine Ängste und Schwächen waren und würde auch nicht davor zurückschrecken, diese gegen mich zu verwenden. Ich versuchte es mit kontrolliertem Atmen, doch das brachte absolut nichts. Tränen rollten unkontrolliert mein Gesicht runter, da ich das hier nur schwer aushielt. Ich wollte hier raus, so schnell wie möglich. Es fiel mir immer schwerer zu atmen und ich bildete mir ein, dass mir hier nicht mehr genügend Luft zur Verfügung stand. Mein Körper verkrampfte sich und begann zu zittern, was ich nicht verhindern konnte. Die Kammer war gerade groß genug, dass ich meine Beine im Sitzen ausstrecken konnte, während ich mich an die Tür lehnte, welche hoffentlich alsbald geöffnet werden würde. Erneut donnerte ich gegen die Tür und schrie Jaces Namen, doch natürlich passierte nichts. Zudem fing auch noch mein Kopf an zu dröhnen, was mich nun komplett verzweifeln ließ. Es war aussichtslos, wobei ich genau wusste, dass ich hier wieder rauskommen würde. Dennoch ließen meine Beschwerden kein Stückchen nach. Letztendlich gab ich das Geschreie auf und umklammerte meine Knie, auf welche ich langsam meinen Kopf legte. Meine Tränen verstummten nach einer Weile und mich erfüllte eine gewaltige Leere, genauso wie damals an Halloween. Mein Blick war leer und starrte in die Dunkelheit des Raumes. Meine Atmung wurde ganz langsam und ruhig, wobei ich fast eins mit der Leere in mir wurde. Mein Zeitgefühl hatte ich verloren, es kam mir vor wie Stunden, genau sagen konnte ich das nicht. Da ich nicht wollte, dass meine Beine einschliefen, änderte ich mehrmals meine Position, so gut es eben ging, bis ich letztendlich mit meinem Sichtfeld Richtung Tür verharrte.

So ganz in mich selbst gekehrt bemerkte ich erst gar nicht, dass die Tür sachte geöffnet wurde. Erst als ein Lichtstrahl mein Auge erreichte, blickte ich langsam auf, wobei sich meine Augen erst an die plötzliche Helligkeit gewöhnen mussten. Vor mir stand Jace, welcher mir selbstgefällig seine Hand hinhielt, welche ich aber gekonnt ablehnte. Ich raffte mich selbst auf und wollte mich an Jace vorbei drücken, der mich aber mal wieder zurück hielt. Ehe er jedoch etwas sagen konnte, sprang ich ihm ins Wort: "Mach das nie wieder!", meinte ich eindringlich, jedoch mit einem deutlichen Hauch von Angst. Das gerade eben nahm mich immer noch mit, auch wenn ich versuchte, es so gut es eben ging, zu unterdrücken. Mit großen Augen schaute ich ihn an und ergänzte schließlich noch, dass ich jetzt gerne auf mein Zimmer gehen würde. Daraufhin ließ er mich wortlos los und ließ mich hinauf gehen. Dort angekommen schmiss ich mich aufs Bett und starrte gedankenverloren an die Wand. Glücklicherweise war mein Zimmer hier groß und besaß hohe Wände, sodass ich mich nicht eingeengt fühlte. Ich lag zusammengekauert mit dem Rücken zur Tür da, als mich eine mir bekannte Stimme aus meinen Gedanken riss.

"Weißt du, es hätte gar nicht so weit kommen müssen.", meinte Jace mit einer ruhigen Stimme. Als ich daraufhin nichts erwiderte, fuhr er fort: "Ich hoffe doch sehr, du hast deine Lektion gelernt, Claire." Als er meinen Namen aussprach, zuckte ich leicht zusammen. Wie war ich bloß in diese Situation geraten? Was hatte ich bitte in meinem Leben falsch gemacht, um hier zu landen. Klar könnte es auch schlimmer sein, schlimmer ging es immer, aber ich war immer noch ahnungslos. Ich wusste nicht, ob ich hier je wieder rauskommen würde, ob ich meine Mutter wiedersehen würde, ob ich das überhaupt überlebte... Tausende Gedanken kreisten in meinem Kopf herum und alles was ich diesem Moment wollte war es, alles zu verdrängen und einfach meine Ruhe zu haben.

"Hast du vielleicht eine Schlaftablette?", fragte ich ihn behutsam, während ich mich zu ihm umdrehte. Erst wollte er mir widersprechen, doch als ich hinzufügte, dass ich im Schlaf zumindest nicht abhauen konnte, gab er schließlich nach und ging meiner Bitte nach. Er reichte mir die Tablette und ein Glas Wasser und wenige Minuten später war ich auch schon eingeschlafen. Theoretisch hätte er jetzt sonst was mit mir machen können, doch irgendetwas sagte mir, dass er das nicht tun würde. Hätte er mir ernsthaft etwas antun wollen, wäre das schon längst geschehen. Mit diesem letzten Gedanken fiel ich ins Land der Träume.

You're mine - a kidnapper story ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt