Kapitel 35

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Jaces POV:

Nach Claires Suizidversuch waren nun schon einige Tage vergangen, doch die triste Stimmung hatte sich immer noch nicht gelegt. Wieso hatte sie das tun wollen? Hatte sie es hier bei mir denn wirklich so schlecht? Sie hatte sich bestimmt viel zu viele Gedanken über alles gemacht. Verübeln konnte ich ihr das nicht, schließlich war ich maßgeblich daran Schuld. Ich hätte die Tür zu meinem Zimmer zusperren sollen, aber ich hatte mir darüber nicht wirklich Gedanken gemacht, da ich dem Anschein war, dass ich Claire vertrauen konnte.
In erster Linie hätte ich ihre Mutter aber nicht umbringen sollen. Ich bereute es zwar nicht, aber diese Aktion war nicht geplant gewesen und ist somit auch alles andere als ideal gelaufen. Um das Auto hatte ich mich gekümmert. Es befindet sich mittlerweile auf dem Schrottplatz und besteht wahrscheinlich nun kaum mehr als aus ein paar Blechen. Ein Freund von mir hatte sich darum gekümmert und wie erwartet auch keine Fragen gestellt. Die Leiche habe ich auch noch an jenem Tag entsorgen müssen, da der Gestank der Verwesung sonst unerträglich geworden wäre. Sie liegt im Wald vergraben und zwar so, dass sie garantiert keiner mehr finden wird, dafür lege ich meine Hand ins Feuer.

Na jedenfalls hat Claire auf die Tat alles andere als gut reagiert und konnte damit auch augenscheinlich nicht umgehen. Erst hat sie mit mir geschlafen und wollte sich dann vor lauter Schuldgefühlen das Leben nehmen. Als ich sie da oben auf dem Balkon gesehen habe, ist mir wortwörtlich fast das Herz stehen geblieben. Sie zu verlieren wäre das Schlimmste, das mir je passieren könnte. Claire war anders als die anderen Mädchen. Sie war etwas ganz Besonderes, weswegen ich sie auch ausgewählt hatte. Ihr starker Charakter vermischte sich mit ihrer zweigeteilten Gefühlslandschaft. Einerseits war das dieses zerbrechliche, emotionale Mädchen, das so aussah, als würde es gleich zusammenbrechen. Andererseits gab es die starke Frau, die für ihr Ziel kämpfte und niemals aufgab, komme was wolle. Alle anderen Mädchen waren immer das eine oder das andere, aber nie eine Kombination aus beiden gewesen. Irgendwann musste ich mich dann ihrer Anwesenheit entledigen. Meistens waren sie dabei aber selbst Schuld, da sie entweder versucht haben zu fliehen oder mich attackiert haben. Gut, zugegebenermaßen hat Claire das auch mehrfach versucht, aber bei ihr war es einfach etwas anderes. Ich könnte ihr nie etwas antun.

Völlig in meine Gedanken versunken bemerkte ich gar nicht, dass mein Telefon bereits mehrfach geklingelt hatte. Ohne lange darüber nachzudenken wischte ich über den Bildschirm, um den Anruf anzunehmen, noch ehe ich bemerkte, wer mich da eigentlich anrief. Vielleicht hätte ich es mir dann zweimal überlegt, ob ich rangehen würde oder nicht.

Letztendlich meldete ich mich am Telefon mit meinem Namen und wartete dann auf die Antwort auf der anderen Seite der Leitung. "Jace Lewis, mit wem spreche ich?"

"Hallo Herr Lewis, Detective Schumann am Apparat. Es geht um den Fall Shields. Kürzlich haben sich uns ein paar neue Fragen ergeben, weswegen ich Sie bitten würde, aufs Revier zu kommen."

"Aufs Revier? Ich dachte Sie haben von mir schon alle erforderlichen Informationen bekommen, Herr Schumann."

"Nun ja, der Fall wurde aufgrund einer Zeugenaussage wieder ins Rollen gebracht. Ich bitte Sie hiermit freundlich aufs Revier zu kommen, damit wir dort hoffentlich ein für alle Mal alles klären können.", gab mir der Detective neutral wieder.

"Na schön, wann soll ich vorbeikommen?", fragte ich fast schon etwas genervt.

"Am besten noch heute, wenn es sich einrichten lässt."

"Ich werde da sein. Bis dann." Mit diesen Worten legte ich auf, ohne überhaupt eine weitere Antwort abzuwarten. Wer zur Hölle war denn nun schon wieder bei der Polizei gewesen? Das galt es jetzt herauszufinden, denn wer auch immer das war, hatte mich gerade verdammt wütend gemacht. Ich musste dafür sorgen, dass diese Person ihre Klappe hielt, sonst geriet ich womöglich wirklich noch in Schwierigkeiten, und das nicht meinetwegen.

Ich ging vom Balkon in mein Zimmer und zog mir flink an, da ich noch meine Schlafsachen anhatte. Es war erst sieben Uhr morgens, weswegen ich davon ausging, dass Claire noch schlief. Nachdem ich mir eine Jeans, ein T-Shirt und eine etwas förmlichere Jacke angezogen hatte, begab ich mich leise die Treppen runter, um Claire nicht aufzuwecken. Unten angekommen bemerkte ich jedoch rasch, dass sie schon wach war. Sie saß auf dem Sofa und blickte aus dem Panoramafenster in Richtung des Waldes. Wie schön sie doch war, auch wenn sie gerade nur ihren Schlafanzug trug.

Es dauerte nicht lange, bis sie mich bemerkte und mich erstmal eine Weile musterte, ehe sie sich zu Wort meldete. "Morgen, Jace." Ihre Stimme klang noch etwas rau, woraus ich schloss, dass sie noch nicht allzu lange wach war.

"Guten Morgen, Claire. Wieso bist du schon so früh wach?", fragte ich sie behutsam.

"Konnte nicht schlafen.", ertönte ihre Stimme kaum merklich. Sie wartete kurz, ehe sie fortfuhr: "Wohin geht's?"

Ich überlegte erst kurz, ob ich sie anlügen sollte, damit sie sich keine Gedanken machte, im Endeffekt entschied ich mich dann aber doch dazu, ihr die Wahrheit zu sagen. "Aufs Revier, die wollen mir noch ein paar Fragen stellen."

Ich sah in ihren Augen so etwas wie Hoffnung aufblitzen, als ich die Worte aussprach. Sie wollte also wirklich hier weg und hoffte jetzt vermutlich, dass die Polizei Indizien gegen mich fand. Im nächsten Augenblick verschwand die Hoffnung aber aus ihren Augen und zurück blieb...naja, schwer zu sagen. Ein Mischmasch aus Trauer, Verzweiflung und...Wut? Ich wurde aus diesem Mädchen einfach nicht schlau. Wahrscheinlich verdrehte sie mir deswegen immer den Kopf. Ich konnte in ihrer Umgebung meistens keine rationalen Entscheidungen treffen, da ich so fixiert auf sie war.

Ehe ich noch weiter in Gedanken verfallen konnte, beschloss ich mich rasch von ihr zu verabschieden und dann endlich loszufahren, um das Gespräch hinter mich zu bringen. "Na wie dem auch sei, ich muss jetzt los. Bis später, Claire."

"Bis dann.", wieder war es kaum mehr als ein Flüstern, aber ich konnte es klar und deutlich hören. Ich warf ihr noch einen letzten Blick zu, bevor ich letztendlich in der Tür verschwand.

You're mine - a kidnapper story ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt