Nach dem letzten Gespräch mit Jace hatte ich mich tagelang in meinem Zimmer verkrochen und ihn so gut es ging vermieden. Zudem hatte ich absolut keinen Appetit, weshalb ich fast nichts gegessen habe. Hin und wieder hat mir Jace mal ein Tablett mit Essen in mein Zimmer gestellt, aber auch da vermied ich es, ihn anzusprechen geschweige denn ihn überhaupt anzusehen. Ich musste einige Sachen erstmal sacken lassen und dabei half mir die Nähe zu meinem Kidnapper rein gar nicht, zumals er ja für so ziemlich alles verantwortlich war. Er schien es auch nicht im Geringsten zu bereuen, was mich noch mehr meinen Kopf zerbrechen ließ. Ich hingegen bekam mein Gefühlschaos einfach nicht in den Griff. Einerseits hasste ich ihn über alles. So viel Leid wie er hatte mir noch keiner zugefügt. Andererseits war da ein kleiner Teil in meinem Inneren, der noch an das Gute in Jace glaubte. Es gab wirklich Momente, in denen seine Gefühle zum Vorschein kamen und wo er sich mir öffnete. Ich wollte glauben, dass er nicht vollends ein Monster war, aber bei jedem Gedanken an meine Mum glaubte ich das immer weniger.
Stumm blickte ich auf den noch fast vollen Teller, den mir Jace heute morgen in mein Zimmer gestellt hatte. Toast mit Rührei. Eigentlich eines meiner Lieblingsgerichte, jedoch bekam ich nicht mehr als zwei Bissen vom Toast runter. Ich fühlte mich elend und hatte bestimmt schon seit ein paar Tagen nicht mehr geduscht, was man mittlerweile auch riechen konnte. Kurzerhand raffte ich mich auf und steuerte auf das Bad zu, wo ich meine Klamotten direkt auf den Boden warf und in die Dusche stieg. Ich machte nicht einmal Musik an, sondern drehte einfach den Wasserhahn auf.
Das kalte Wasser prasselte meinen Rücken runter und sofort kehrte das Leben wieder in mich zurück. Die Regendusche war ein wahrer Luxus, ebenso wie der Rest dieses Hauses, doch die Umstände ließen nicht zu, dass ich irgendetwas davon auch wirklich auskosten konnte. Nach einigen Minuten stellte ich das Wasser ab und griff zu einem Shampoo, welches angenehm nach Pfirsich roch und dessen Duft sofort das ganze Bad einnahm. Sanft massierte ich es in meine Kopfhaut ein und atmete dabei tief ein- und aus. Als ich damit fertig war, und mich ganz nebenbei schon ein Stückchen besser fühlte, wusch ich meine Haare aus und nahm mir anschießend meinen Körper vor. Es gab hier ein passendes Duschgel zur Pfirsich-Reihe, also schnappte ich mir dieses, gab einen großen Klecks auf meine Handfläche und rieb meinen Körper damit ein. Anschließend rasierte ich mich noch, einfach damit ich mich besser fühlte und endete dann meine Dusch-Session mit kaltem Wasser. Das war wirklich entspannend gewesen, wieso hatte ich das nicht schon früher gemacht?
Vorsichtig stieg ich aus der Dusche, griff nach einem Handtuch und band es um meinen Körper rum. An Klamotten hatte ich natürlich nicht gedacht, aber in meinem Zimmer waren ja mehr als genug davon vorhanden. Ich blickte mich noch kurz im Spiegel an und war eigentlich ganz zufrieden mit meinem Aussehen. Endlich sah ich wieder wie ein Mensch aus. Meine blauen Augen funkelten mir durch den fast vollkommen beschlagenen Spiegel entgegen. Sie waren zwar hell und wach, dennoch fehlte da dieser Funken. Ich riss mich wieder von meinem Spiegelbild los und ging geradewegs durch die Badezimmertür in mein Zimmer rein. Dort steuerte ich den Kleiderschrank an und merke dabei gar nicht, dass ich nicht alleine war. Erst als mich eine Stimme aus meinen Gedanken riss, blieb ich auf halbem Wege stehen und drehte mich schreckhaft um.
"Claire, ich muss mit dir reden.", raunte mir die Stimme von Jace entgegen, welcher auf einem Stuhl gegenüber von meinem Bett saß. Wahrscheinlich hatte er bis gerade eben geschlafen, da seine Haare leicht verwuschelt waren und seine Augen noch recht müde aussahen.
"Herrgott noch mal, kannst du nicht einmal klopfen?!", fuhr ich ihn an. Dass ich gerade nur mit einem Handtuch bekleidet vor ihm stand, war mir gerade egal. Er sollte verdammt nochmal meine Privatsphäre respektieren.
"Hättest du mich denn hereingebeten?", konterte er daraufhin.
"Höchstwahrscheinlich nicht.", meinte ich nur, ehe ich ihn dazu aufforderte mir zu sagen, warum er nun hier war.
"Es tut mir leid.", antwortete er einfach nur.
Das reichte mir natürlich als Antwort nicht, also hakte ich nach. "Was genau tut dir leid, Jace? Dass du mich entführt hast? Dass du meine Mutter umgebracht hast, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken? Oder das, was du all denen vor mir angetan hast? Du musst dich da schon etwas präziser ausdrücken." Während ich ihm eine Aufzählung all seiner Taten gab, ging ich ein paar Schritte näher auf ihn zu.
Jace beobachtete mich aufmerksam, ehe er zu einer Antwort ansetzte: "Alles! Das war nicht richtig gewesen und ich hoffe wirklich du kannst mir eines Tages verzeihen." Er blickte mich unschuldig an und da war sie wieder, diese Verletzlichkeit. Für eine Sekunde hätte ich ihm sogar vertraut, doch das änderte sich wieder im Nullkommanix. Er hat meine Mutter umgebracht! Das werde ich ihm nie verzeihen können.
"Ich...glaube nicht, dass das möglich ist.", erwiderte ich nun wieder ruhiger.
Auf meine Antwort hin erhob er sich, was mich Zusammenzucken ließ. Er ging langsam auf mich zu und schaute mir dabei permanent in die Augen. Ein Zittern überkam mich wieder und das nicht, weil mir etwa in dem Handtuch kalt war, sondern weil ich nicht abschätzen konnte, wie er jetzt reagieren würde. Letztendlich blieb er aber ruhig vor mir stehen und strich mir eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. Mein Zittern hörte immer noch nicht auf, sondern verstärkte sich vielmehr. Erwartungsvoll blickte ich zu ihm rauf und wartete nun darauf, was er als nächstes tat.
Einige Sekunden vergingen, in denen seine Mundwinkel immer weiter nach oben gingen, bis er mich letztendlich nur noch angrinste.
"Was ist jetzt bitte so lustig?", fragte ich etwas verwirrt.
"Dass du dachtest, dass ich es ernst meine. Denkst du wirklich ich bereue das, was ich getan habe?", daraufhin lachte er los.
"Ich habe es gehofft...", setzte ich an, jedoch wurde ich unterbrochen.
"Du bist so vorhersehbar, Claire. Nach allem, was ich getan habe, hast du immer noch Hoffnung in mich. Ich werde mich nie ändern, das hättest du von Anfang an erkennen müssen."
Ich war so baff von seinem plötzlichen Stimmungswechsel, dass ich außer einem Stottern nichts hervorbrachte. Währenddessen beugte sich Jace noch weiter zu mir runter und flüsterte mir anschließend noch Folgendes in mein Ohr: "Und weißt du, was das Beste daran ist? Dir gefällt es auch noch!"
Nach diesen Worten entfernte ich mich schlagartig von ihm und wollte ihn eigentlich weg stoßen, jedoch kam er mir zuvor und umklammerte meine beiden Handgelenke, sodass ich meine Arme gar nicht mehr bewegen konnte.
"Du bist krank, Jace! Lass mich verdammt nochmal los.", brachte ich schließlich hervor.
Anstatt meiner Bitte nachzugehen, verstärkte er seinen Griff aber sogar noch und drückte mich gegen die Wand neben meinem Bett.
"Du weißt genau, dass du das nicht willst."
Das Schlimmste daran war, dass er Recht hatte...mal wieder. Trotz seiner grauenhaften Taten fühlte ich mich immer noch zu ihm hingezogen. Insgeheim wollte ich sogar bei ihm bleiben und genau deswegen hasste mich so sehr. Hingegen jedes vernünftigen Menschenverstandes tat ich jetzt etwas, das ich schon die ganze Zeit hatte tun wollen.
Das nächste Kapitel habe ich auch schon direkt vorgeschrieben. Na, was meint ihr kommt jetzt? Bekommt er eine Schelle oder will ich auf etwas anderes hinaus? 😏😌🤫
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You're mine - a kidnapper story ✔
Teen Fiction"...Mein nächster Blick wanderte dann zur Tür am anderen Ende des Zimmers. Sollte ich diese Chance ergreifen? Bevor ich jedoch losrennen konnte, ermahnte mich seine Stimme streng. "Versuch es erst gar nicht, Claire! Es gibt nur eine Regel hier, und...