Kapitel 26

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Während wir auf dem Sofa saßen und uns einen relativ eintönigen Film anschauten, hatte Jace so ziemlich die ganze Flasche alleine ausgetrunken. Ich beobachtete ihn aus meinem Augenwinkel jedes Mal aufs Neue, wenn er sich sein Glas nachschenkte. Als nichts mehr von der bräunlichen Flüssigkeit vorhanden war, wollte er gerade aufstehen, um sich Nachschub zu besorgen, doch ich hielt ihn mit einem sanften Griff an seinem Handgelenk davon ab. Einen betrunkenen Jace konnte ich jetzt echt nicht gebrauchen, auch wenn es mir kurz in den Sinn gekommen war, dann einfach zu fliehen. Andererseits hatte ich jetzt, da er noch 'nur' angetrunken war, die Möglichkeit ihn auszufragen. Anna hatte mir immer gesagt, dass man betrunken nur die Wahrheit ausspricht. Ich wollte unbedingt mehr über Jace wissen, vor Allem um ihn besser einschätzen zu können. Vielleicht verplapperte er sich ja irgendwie, was mir womöglich helfen würde. Ich drehte mich mit meinem Oberkörper zu Jace um und begann mein 'Verhör', was ich natürlich geschickt versuchte zu tarnen.

"Sag mal, bin ich eigentlich die erste Person, die du entführt hast?", fragte ich ihn unschuldig und wartete seine Antwort ab.

Er zögerte kurz, ehe er antwortete: "Hättest du dir keinen besseren Zeitpunkt dafür aussuchen können?" Als ich stumm blieb und ihn erwartungsvoll anstarrte, gab er mir dann aber doch eine Antwort: "Nein", sagte er nur knapp und seine Stimme wurde etwas leiser.

"Was ist mit ihnen passiert?" Ich ahnte Schlimmes, aber vielleicht hatte er ja doch eine schlüssige Erklärung, so wie er es so oft hatte.

"Sie werden uns nicht weiter stören..."

"Was soll das jetzt bitte heißen? Hast du sie...?", ich wollte den Satz gar nicht beenden, so schrecklich war die Vorstellung, dass er dies bejahte.

"Und wenn schon..."

Das war weder ein klares Ja noch ein klares Nein. Verflucht, saß ich hier mit einem Mörder auf der Couch oder spielte er gerade nur mit mir?! "Ja oder nein, Jace?", fügte ich anschließend hinzu.

Er starrte mir eindringlich in die Augen und mich überfuhr eine schaurige Gänsehaut. "Ja" Seine Stimme war so eiskalt und zeigte auch keine Reue. Als ich ihm damals auf der Party begegnet war, hätte ich niemals damit gerechnet, einem Mörder in die Fänge zu geraten...und doch war es bei meinem Glück passiert.

"Wirst du mich töten?", fragte ich mit zittriger Stimme. Was brachte es, die Frage noch weiter hinauszögern. Ich wollte es wissen, und zwar jetzt.

"Nicht, wenn du dich an die Regel hältst. Erinnerst du dich noch, Claire?"

"Wie könnte ich das vergessen...", murmelte ich vor mich hin.
'Versuche nicht zu fliehen', das hatte er mir am ersten Tag mehr als eindringlich in meinen Kopf gepflanzt. Bisher hatte ich es nur einmal versucht und da hatte er mich direkt an der Tür wieder abgefangen. Damals wusste ich noch nicht mal, was für ein Psycho er war. Jetzt aber, da ich über seine Taten Bescheid wusste, sollte wohl bald ein zweiter Fluchtversuch her...wenn sich mir die Gelegenheit dazu bietet. Jetzt aber wollte ich erstmal mein Verhör fortsetzen, von welchem er mich gerade etwas abgebracht hat.

"Wie viele waren es?"

"Vier.", er zögerte noch nicht einmal mit einer Antwort, woraufhin sich mein Körper umso mehr versteifte. Seine Emotionslosigkeit machte mir verdammt nochmal Angst. Unauffällig rückte ich ein Stück von ihm weg, jedoch schien er es bemerkt zu haben, denn er rückte nach.

Tausende Fragen auf einmal schwirrten in meinem Kopf herum, doch ich konnte sie nicht alle auf einmal stellen. Ich versuchte mich auf das Wesentliche zu konzentrieren und so gut es ging, meine Gefühle beiseite zu schieben. Aber was sollte ich fragen?
Weshalb mussten sie sterben? Na offensichtlich weil sie seine scheiß Regel missachtet haben.
Hattest du überhaupt schon mal eine richtige Beziehung? Nein, das brachte mir jetzt nicht wirklich was.
Hattest du eine traumatische Kindheit? Das könnte zumindest seine Verhaltensweisen erklären, aber würde er mir wirklich etwas darüber erzählen? Naja, ich konnte die Frage so in der Art stellen.

"Weshalb tust du das alles? Ist etwas in deiner Vergangenheit vorgefallen?", fragte ich so vorsichtig wie möglich, rückte dennoch wieder ein ganzes Stück von ihn weg.

"Meine Vergangenheit geht dich nichts an, Claire!", gab er leicht bissig zurück.

"Wieso denn nicht? Ich werde dieses verdammte Anwesen doch wahrscheinlich eh nie mehr verlassen..." Hatte man mir bis jetzt nicht anmerken können, dass ich verzweifelt war, dann hatte ich es hiermit zum Ausdruck gebracht.

"Na schön, mein Vater hat mich in meiner Kindheit misshandelt. Ich war froh, als er endlich verreckt ist und ich mir mit seinem Geld dieses Haus hier kaufen konnte. Meine Mutter hat davon natürlich gewusst, hat sich darum aber nicht geschert. Na wie auch immer, sie wird auch nicht mehr lange unter uns weilen.", die Art, wie er mir das ganze erzählte, ohne jeglichen Ausdruck, war fast schon unheimlich.

"Das...tut mir leid.", brachte ich nur hervor. Wahrscheinlich fühlte er sich einfach nicht geliebt und wollte sich deswegen gewaltvoll jemanden an seine Seite zerren. Nichtsdestotrotz war er immer noch ein Psychopath. Er hat verdammt noch mal vier Leute...Moment mal zählte sein Vater da auch dazu? "Bist du für den Tod deines Vaters verantwortlich?"

"Oh nein, er ist schmerzvoll an Krebs gestorben, anders hat er es nicht verdient. Meine Mutter hingegen dürfte bald einen kleinen Unfall haben, dann bin ich diese Heuchler endlich ein für alle mal los. Und was dich angeht, Claire...", er rückte so nah an mich ran, dass ich seinen Atem an meiner Wange spüren konnte, "...versuch einfach nicht zu fliehen, dann passiert dir auch nichts."

Mir war eiskalt und ich wollte einfach nur weg von ihm, weg von hier. Trotz seiner Warnung würde ich bei der nächstbesten Möglichkeit die Flucht ergreifen, dazu hatte ich mich entschlossen. Jace entfernte sich wieder von mir und begab sich in die Küche, während ich immer noch auf dem Sofa saß. Ich starrte aus dem riesigen Panoramafenster in die Ferne und meinte erst, dort jemanden gesehen zu haben, aber das hatte ich mir wohl nur eingebildet. Beim genaueren Hinsehen konnte ich dort außer Gebüsch nämlich nichts erkennen.

Ich beschloss kurzerhand einfach mein Zimmer aufzusuchen und mich in mein Bett zu verkriechen. Oben angekommen entschied ich mich dann aber dazu, eine Dusche zu nehmen. Ich musste einmal gründlich über alles nachdenken und da war eine heiße, lange Dusche genau das Richtige, vor Allem wenn mir die Wasserkosten absolut egal sein konnten. Ich entledigte mich meiner Klamotten, schmiss dieses einfach auf den Boden und stieg dann in die Dusche. Das heiße Wasser prasselte mir meinen Rücken hinab, was mich ein wenig entspannen ließ. Dieses Bad war wirklich ein Highlight, davon hätte ich zuhause nur träumen können. Wie ich meine Mum doch vermisste, ich wollte sie einfach wieder umarmen und mich sicher fühlen. Hoffentlich würde ich sie überhaupt noch einmal sehen. Jetzt bloß nicht pessimistisch werden. Ich würde meine Mutter wieder sehen, ganz bestimmt!

Als ich mit duschen fertig war, wickelte ich mir ein Handtuch rum und ging in mein Zimmer, um mich dort umzuziehen. Spontan entschied ich mich für eine kurze, graue Jogginghose und ein schwarzes Top, das sogar einen BH eingebaut hatte. Plötzlich fiel mir etwas ein: Waren das die Klamotten der Mädchen, die vor mir hier waren? Bei dem Gedanken wurde mir schlecht. Hatte man denn nie nach ihnen gesucht? Konnte Jace wirklich einfach so mit alldem durchkommen? Ich hoffte wirklich, dass er eines Tages für alle Taten büßen würde!


So ich hab jetzt Jace mal als den Psychopathen schlechthin dargestellt, hope you like it. Und denkt ihr, dass da wirklich jemand im Wald war oder dass sich das Claire nur eingebildet hat? Stay tuned und findet es (im wahrscheinlich nächsten Kapitel) raus. Habt einen schönen Tag! ♡

You're mine - a kidnapper story ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt