Kapitel 27

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Ich musste wohl auf dem Bett eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte war es zwei Uhr nachts. Müde lurte ich aus dem Fenster, aus welchem der Mond das halbe Zimmer erhellte. Am liebsten wäre ich jetzt raus auf den Balkon gegangen, aber der war ja seit jeher zugesperrt, damit ich auf keine dummen Gedanken kam. Das große Fenster konnte ich gerade mal kippen, was zumindest etwas frische Luft in mein Zimmer brachte, dennoch fehlte es mir hier definitiv an Freiheit. Ich fühlte mich hier drinnen wie ein Tier in einem Käfig. Noch dazu kam der Fakt, dass mir jetzt bewusst war, dass ich jederzeit sterben konnte, da ich nun wusste, wozu Jace in der Lage war. Dieses Zimmer fühlte sich in diesem Moment definitiv viel zu beklemmend an, also beschloss ich kurzerhand nach unten zu gehen.

Leise schritt ich durch meine Tür hinaus und gerade als ich die Treppe hinunter gehen wollte, kam mir ein Gedanke. Geschwind drehte ich mich in die entgegengesetzte Richtung um und ging auf das Zimmer von Jace zu und erkannte direkt, dass die Tür einen Spalt offen stand. Nichtsdestotrotz hielt mich das nicht von meinem Vorhaben ab, weshalb ich sie noch etwas breiter öffnete und in das Zimmer hinein schaute. Da er ebenfalls die Vorhänge nicht zugezogen hatte, konnte ich klar und deutlich erkennen, wie er friedlich in seinem Bett schlief. In diesem Moment sah er so unschuldig aus, als hätte er nie all diese grausamen Dinge getan. Aber nein, er war nicht unschuldig. Er war ein Monster und ich wollte so schnell wie möglich weg von hier. Wo er wohl seine Schlüssel aufbewahrte? Vielleicht in der Kommode neben seinem Bett? So leise wie nur möglich kam ich ihm näher und betrachtete dabei jeden seiner Gesichtszüge und jeden Atemzug. Sein Herz schien regelmäßig zu schlagen und sein Gesicht sah entspannt aus, weswegen ich mir erstmal keine Sorgen darum machte, dass er aufwachte. Ich schlich um das Bett herum und steuerte auf die Kommode zu, welche ich direkt versuchte zu öffnen. Euphorisch zog ich an dem Griff, wurde aber enttäuscht. Verschlossen! So ein Mist, er hatte also aus seinen Fehlern gelernt. Wo befand sich nun also der Schlüssel für die Kommode? Kurz überlegte ich, ehe mir eine Idee kam: Unter seinem Kopfkissen. Würde ich das riskieren? Ach komm, scheiß drauf. Wenn das meine einzige Chance ist, hier rauszukommen, dann werde ich sie verdammt nochmal nutzen.

Ganz behutsam ließ ich meine Hand unter sein Kopfkissen gleiten und zuckte hektisch zusammen, als es so aussah, dass sich seine Augen öffneten. Fehlalarm, wahrscheinlich träumte er gerade nur irgendwas. Ich fuhr fort und konnte tatsächlich einen Schlüssel ertasten. So sachte, wie es nur ging, umschloss meine Handfläche diesen und zog ihn Stück für Stück unter dem Kopfkissen hervor. Anschließend öffnete ich damit die Schublade und entdeckte augenblicklich einen fetten Bund. Geschwind zog ich diesem heraus und sah ihn mir genauer an. Mit einem Lächeln auf dem Lippen betrachtete ich meine Beute und war fest davon überzeugt, dass es dieses Mal klappen würde. Hier befanden sich sogar seine Autoschlüssel: Jackpot! Nicht, dass ich Autofahren könnte, aber das konnte ja nicht so schwer sein. Außerdem war ich darauf angewiesen, da ich die vielen Meilen durch den Wald ganz bestimmt nicht zu Fuß zurücklegen würde. Die Schublade verschloss ich wieder, damit es nicht so auffiel und den Schlüssel platzierte ich einfach über seinem Kopfkissen, da ich nicht riskieren wollte, ihn jetzt zu wecken.

Nach einem letzten Kontrollblick verließ ich das Zimmer wieder und machte mich auf den Weg nach unten. An der Eingangstür probierte ich alle möglichen Schlüssel aus, bis ich endlich den richtigen fand und mir so meinen Weg in die Freiheit bahnte. Die Tür schloss ich wieder und mein nächstes Ziel war Jaces Auto. Zu meinem Glück stand es vor dem Haus und nicht, so wie sonst, in der Garage. Flink rannte ich darauf zu, schloss das Auto auf und ließ mich auf den Sitz gleiten. Der Autoschlüssel kam in das dafür vorhergesehene Schloss und wurde einmal von mir umgedreht, sodass der Motor sofort ansprang. Okay was jetzt? Meinen Führerschein hatte ich noch nicht in der Tasche, weswegen ich erst etwas überfordert war. Okay, ganz ruhig. Ich löste erst einmal die Schaltung von der Park-Stellung. Während ich mit der Fußsohle die Kupplung durchdrückte, schaltete ich in den ersten Gang und ging dann ganz langsam wieder von dem Pedal runter, sodass mir der Motor nicht wieder sofort abwürgte. Jetzt konnte ich Gas geben. Gesagt getan, ich drückte aufs Gas und fuhr einfach drauf los. Den Weg aus dem Wald raus kannte ich natürlich nicht, aber ich würde hier schon rauskommen, wenn ich einfach die ganze Zeit geradeaus fuhr.

Bestimmt war ich schon eine gute Meile gefahren, als das Auto plötzlich langsamer wurde. Was zur...? Sekunden später blieb es vollkommen stehen und der Motor sprang auch nicht wieder an. Geschockt blickte ich auf die Anzeige, die mir signalisierte, dass kein Benzin mehr vorhanden war. Nein, nein, NEIN! Wieso hatte dieses Arschloch den Tank nicht nachgefüllt!?! Jetzt war ich mitten im Wald und wusste nicht, was ich tun sollte. Sitzen bleiben konnte ich nicht, denn wenn er mich hier und so fand war ich komplett am Arsch. Mit einem mulmigen Gefühl stieg ich aus und sah mich um, wurde aber dadurch auch nicht schlauer.

Zurück konnte ich jedenfalls nicht, also entschied ich mich für die vermutlich noch dümmere Idee, zu Fuß weiter zu gehen. Bereits nach einer weiteren Meile taten mir schon die Füße weh, aber aufgeben kam für mich nicht in Frage. Gerade als ich weitergehen wollte, hörte ich ein Rascheln im Gebüsch. Jace? Nein, der schlief tief und fest. Da es mitten in der Nacht war, tippte ich einfach mal auf ein Tier. Hoffentlich kein Wolf oder ähnliches. Etwas panisch schritt ich einfach weiter, ehe ich von jemandem einen Schlag auf den Kopf verpasst bekam.

"Aua, was zur Hölle!?", fing ich das Fluchen an. Ich fiel zu Boden und drehte mich augenblicklich um, um das Gesicht meines Angreifers zu sehen. Erst dachte ich wirklich, dass es Jace war, jedoch belehrte mich die sanfte Stimme eines Besseren.

"Claire, mein Schatz. Bist du es wirklich?", stotterte sie etwas verdutzt. Vermutlich hatte sie mit Jace gerechnet und nicht mit mir. In der Dunkelheit des Waldes konnte man trotz des Mondes gerade einmal Umrisse erkennen.

"Danke für die nette Begrüßung, Mom.", kam es mal wieder sarkastisch von mir.

"Das tut mir leid, ich dachte du wärst Jace...", murmelnd sie, während sie mir ihre Hand hinhielt und mich hochzog. Daraufhin fiel ich ihr einfach wortlos in die Arme. Wie ich sie doch vermisst habe! "...Ich wusste einfach, dass du hier bist, auch wenn die Polizei dich nicht ausfindig machen konnte. Geht es dir gut? Hat dieser Jace dir wehgetan?", ratterte sie erwartungsvoll all ihre Fragen herunter.

"Mir geht es gut, lass uns einfach von hier verschwinden, ehe er herausfindet, dass ich mich aus dem Staub gemacht habe.", antwortete ich relativ sachlich.

"Mein Auto steht nicht weit von hier weg, komm wir gehen." Sie hielt mir erneut ihre Hand hin. Ich griff danach und sie zog mich zügig nach vorn. Das war doch alles viel zu einfach gewesen, oder täuschte ich mich da? Ich vertraute diesem 'Glück' einfach nicht, schließlich ging doch immer etwas schief. Trotzdem liefen wir hoffnungsvoll weiter, als uns das Knarzen eines Astes hellhörig machte. Was war das? Ruckartig blieb ich stehen und blickte mich um, erkannte aber nichts. Meiner Mutter ging es da nicht anders, doch gerade als wir weiter gehen wollten, ließ uns eine tiefe Stimme aufschrecken. Eine Gänsehaut durchzog meinen ganzen Körper und ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst.


Sorry für den Cliffhanger, aber der musste einfach sein 😅 Außerdem bin ich mega müde und sollte jetzt mal schlafen gehen, da ich morgen Schule hab und früh aufstehen muss.
Falls ihr noch zur Schule geht: Habt ihr wieder Präsenzunterricht?

You're mine - a kidnapper story ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt