Kapitel 9

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Wie versprochen war Ivan am nächsten Tag nicht an der Schule, aber ich bemerkte zwei neue Gesichter, die mich aufmerksam musterten.

Einen Jungen und ein Mädchen.
Sie saßen allein an einem Tisch.
Eine Seltenheit hier, denn in der Mensa herrschte immer Platzmangel, doch scheinbar verstörte ihr kämpferisches Aussehen nicht nur mich.

Beide hatten offensichtliche Narben in ihrem Gesicht und trugen sportliche, enggeschnittene Kleidung.
Das Mädchen fokussierte mich plötzlich und ich sah erschrocken zu Boden.

"Ist was?" Eves Stimme schreckte mich aus meinen Gedanken.

"Nein, nein", meinte ich und hob beschwichtigend die Hände. "Ich dachte nur, dass mir etwas heruntergefallen wäre."

Zum Glück gab Eve sich mit dieser Erklärung zufrieden und widmete sich wieder ihren Pommes.
Auch die beiden Werwölfe hatten ihren Blick wieder gesenkt, doch als ich den Kopf etwas weiter drehte, erschrak ich.

Graham starrte mich aus gelben Augen an und ein Freund musste ihn an der Schulter festhalten.
Fast konnte ich ihn wieder knurren hören.

Ich schluckte nervös und räumte mein Geschirr weg.
Gleich begann die nächste Stunde.
Im selben Augenblick erhoben sich auch die beiden Werwölfe.

Ich hatte sie bereits heute morgen in jedem meiner Kurse gesehen und fragte mich wieder, wie Ivan das wohl gemacht hatte.
Der Schulgong ertönte und meine Schritte steuerten auf den Biologiesaal zu.

Diesen Kurs hatte ich mit Graham zusammen und ich konnte nur hoffen, dass auch die Neuen hier waren, denn Eve hatte Bio so schnell es ging abgewählt.
Als ich mich setzte, glitt mein Blick sofort durch den Saal.

Graham steuerte direkt auf mich zu.
Innerlich flehte ich, dass jemand anderes sich neben mich setzen würde, doch der Werwolf grinste breit und legte noch einen kleinen Sprint ein, bevor er sich auf den Stuhl fallen ließ.

"Ich weiß, was er getan hat", flüsterte Graham und ich spürte seine Alkoholfahne an meinem Hals.
"Und er wird dafür bezahlen."

Seine Augen waren vollkommen gelb gefärbt, als er wieder nach vorne sah und ich es wagte meinen Kopf in seine Richtung zu drehen.
Hoffentlich würden die beiden Werwölfe noch auftauchen.
Mein Blick glitt wieder zur Tür.

Da, mein Lehrer - und hinter ihm schlüpfte auch das Mädchen herein.
Sie ließ sich direkt vor uns nieder, was Dave zum Knurren brachte.

"Kennst du sie überhaupt?", fragte er schließlich und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Ich antworte nicht, was Dave dazu brachte, sich weiter zu mir zu lehnen.
"Das ist Richarda Missoni, eine italienische Söldnerin. Sie hat in sieben Rudelkriegen gekämpft und schon unzählige Adelige beschützt. Nun, da stellt sich fast die Frage, wer sie denn dieses Mal angeheuert hat. Und für wen."
Er lachte spöttisch.
"Nun für einen russischen Fürsten ist ihre Sold wohl zu verschmerzen."

Verwirrt sah ich Graham an. Ivan hatte nie über seine Familie gesprochen, mich nie zu sich eingeladen.
"Er hat nie reich gewirkt", hauchte ich, mehr zu mir selbst.
Das Gedankenkarussel begann sich wieder zu drehen.
Genau das hatte Graham wohl gewollt.

"Glaub ihm kein Wort", unterbrach uns plötzlich eine Stimme mit italienischem Akzent.
"Ricca", meinte sie grinsend und strich sich durch ihr dunkles Haar,  "Richarda Missoni."

Das Mädchen nickte Graham zu und mir wurde klar, dass sie wirklich Söldnerin war.
"Das ist ein Freundschaftsdienst für Ivan", fügte Richarda noch hinzu bevor sie sich wieder zur Tafel drehte.

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