Der Whiskey schimmerte rötlich im Kaminfeuer. Alkohol war das einzige, dass ihn jetzt beruhigen konnte.
Alkohol und seine Zigarre.
Der Werwolf drehte sie in den Fingern.
Er meinte immer noch das Blut seiner Freunde an ihnen kleben zu sehen.
Unter seinem Blick wurden die ungepflegten Nägel immer länger, bis sie sich schließlich zu Krallen formten.
Ja, er war ein Monster.
Ein Verräter.
In Frankreich hätten sie ihn dafür zerfleischt, doch hier in Amerika waren die Gesetze genauso weich wie die Werwölfe.
Nichtsnutze, dachte er bei sich, arrogante Nichtsnutze.
Der Mann zog an seiner Zigarre und bließ den Rauch in den Raum.
Graham würde kein harter Job für ihn werden, das wusste er.
Viel zu lange hatte der Amerikaner sich zu großen Reden aufgeschwungen, statt zu handeln.
Sein Königreich würden sie mit Asche bedecken und in den Flammen des Krieges ein neues Land schmieden.
Dafür musste nur noch Graham aus dem Weg geräumt werden.
Die langen Finger umklammerten den Whiskey fester.
Grahams Tod würde grausam werden.
"Verdient", flüsterte der Mann, doch er wusste, dass die Wölfe sein Blut sehen wollten. Europäer waren pathetisch, doch sie zögerten nicht.
Die altenehrwürdigen Rudel würden Grahams Schreckenherrschaft ein Ende setzen. Bald.
Der Frieden war hier kurzlebig wie ein Schmetterling im Kugelhagel.
Bald würden sich auch seine Freunde gegen ihn stellen und ihre Loyalität brechen, so wie er es getan hatte.
Er stand auf der falschen Seite.
Vielleicht wusste er das, vielleicht bereute er es, doch der Whiskey betäubte den Schmerz, der seine Seele quälte.
Der Werwolf nahm einen weiteren Schluck und dachte nach.
Über seinen Plan, Grahams Tod und das Schicksal der Welt.
Ein Schritt nach dem anderen.
Zuerst einmal musste er ein Versprechen erfüllen.
Ein blutiges Versprechen, fügte die Stimme in seinem Kopf hinzu.Blut. Zum ersten Mal Blut.
Tränen standen in meinen Augen, als ich meine Lippe abtupfte.
Graham hatte es wieder getan. Wieder und wieder, doch heute war da Blut.
Dunkelrot hoben sich die Flecken von meinem Handtuch ab.Ich wusste nicht, was die rote Flüssigkeit änderte, doch sie machte Blick klar und kühlte meine Gedanken.
Endlich fasste ich einen Entschluss.
Ich musste hier weg.
Mein Spiegelbild sah mich immer noch unentschlossen an. Es schien mich an mein Versprechen erinnern zu wollen."Ivan hätte das nicht gewollt", flüsterte ich.
Die Frau im Spiegel schwieg.
Sie sah furchbar aus.
Die zerzausten Haare, die blutige Lippen und Augen, aus denen Schmerz sprach.
Sie hatte das nicht verdient.
Ich hatte das nicht verdient.Während ich den Lappen auswusch, dachte ich über eine Flucht nach.
Meine Chancen waren gering.
Grahams Leute waren gut ausgebildet und ich wusste nicht mal, in welcher Stadt ich mich befand.
Ich musste auf ein Wunder hoffen.Ich sollte es bekommen.
Drei Tage später klopfte ein Mann an meine Tür.
Zuerst hielt ich ihn für einen gewöhnlichen Angestellten, doch an seiner Stirn klebte Blut und die Uniform wirkte seltsam unpassend."Jule?"
Meine Augen weiteten sich.
Mich hatte seit Wochen niemand so genannt.
Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, doch bevor ich etwas entgegnen konnte, drängte sich der Mann an mir vorbei in mein Zimmer.Dort schien er die Umgebung nach Kameras oder Mikrofonen abzusuchen.
Er schien nichts gefunden zu haben, denn bald darauf wandt er sich mir zu.
Dennoch verschwand der beunruhigte Ausdruck in seinem Gesicht nicht.
Es schien erst zu sein."Dieses Brief muss geheim bleiben", erklärte der Mann und steckte mir einen verknickten Zettel zu.
Er wirkte mehr als nur unscheinbar.
Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, doch ich griff nach dem Papierstück."Verlier die Hoffnung nicht und vertrau ihm", flüsterte der Mann noch und verschwand aus der Tür.
Ich sah ihm noch hinterher und faltete dann den Zettel auf.
Die Botschaft darin war kurz und ich begann sofort zu lesen.Hallo Jule,
ich hoffe dir geht es gut.
Graham ist ein unangenehmer Zeitgenosse, das weiß wohl niemand besser als ich, und trotzdem hoffe ich, dass du die Zeit bei ihm gut überstehst.
Keine Sorge, ich werde das bald beenden.
Leider kann ich dir keine näheren Details über unseren Plan geben, falls dieser Zettel doch in falsche Hände gerät, aber ich verspreche, dass du freikommen wirst.
Auch mit Graham werden wir abrechnen, sodass die amerikanischen Rudel in Frieden leben können.
Die Tage seiner Herrschaft sind gezählt, das verspreche ich.
Du musst nichts dafür tun, dein Preis wurde bezahlt.Wenn ich genaueres sagen kann, werde ich dir eine Nachricht zukommen lassen.
Bis bald.
Der Brief war nicht unterschrieben oder adressiert und auch die Handschrift kam mir nicht bekannt vor.
Es war eher eine Notiz als ein wirklicher Brief und doch spürte ich Euphorie in mir aufkommen.
Mein Puls raste.
Wer würde so etwas für mich tun?
Hatte Ivan einen Vertrag geschlossen, um für den Ernstfall vorzusorgen?
Ein Lächeln huschte über mein Gesicht.
Das klang nach ihm.Nur der Gedanke an den Preis, bereitete mir Magenschmerzen.
Was hatte Ivan tun müssen, um mich zu retten?
Ich schob den Gedanken weg.
Vielleicht hatte jemand anderes für meine Freiheit gezahlt oder ich machte mir unnötigerweise Gedanken um ein paar hundert Dollar.
Auch Ivans Erbe war großzügig ausgefallen.Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken entgültig loszuwerden.
Später könnte ich Ivan danken, wenn auch nur still, doch jetzt musste ich mich selbst retten.Ich würde freikommen.
Wieder und wieder schoß der Satz durch meinen Kopf.
Meine Gedanken rasten. Dann könnte ich meine Familie wiedersehen, die Schule besuchen und meine Freunde treffen.
Ich hatte nie gewusst, wie sehr man das vermissen konnte.
Wie sehr man seine Freiheit vermissen konnte."Freiheit", flüsterte ich.
Das Wort schmeckte süß auf meiner Zunge.
Ich grinste.Die nächsten Tage waren eine Mischung aus Euphorie und purer Folter.
Bei jedem Geräusch schreckte ich auf und hoffte, dass die Wände neben mir im Rauch aufgehen würden und dahinter eine Spezialeinheit auftauchen würde.
Meine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, doch nichts geschah.Irgendwann war ich enttäuscht und fühlte mich belogen.
Jemand hatte mich zum Narren gehalten und mit meiner Hoffnung gepielt.Auch Graham schien die gedrückte Stimmung zu bemerken und schenkte mir immer wieder misstrauische Blicke.
"Ist etwas?", fragte er schließlich.Ich zögerte kurz und zwang mich dann zu einem Lächeln.
"Nein."Seine Augen verengten sich, also fügte ich "Nur Kopfschmerzen" hinzu.
Daraufhin nickte Graham."Geh ins Bett", murmelte er noch und widmete sich wieder seinem Laptop.
Fast wollte ich den Kopf neigen, um ihm zuzustimmen, doch ich verkniff es mir.
Ich wollte meine Persönlichkeit, meinen Kampfgeist, wahren.Jetzt hatte ich Hoffnung, eine kleine Flamme, die ich vor Graham beschützen musste. Nun, wo ich sie verteidigen musste, glomm das Feuer wieder auf.
Es leuchte mir den Weg aus der Dunkelheit.
Jemand dort draußen passte auf mich auf und er würde mich befreien.
Mir blieb nichts anderes übrig, als drauf zu vertrauen und auf neue Nachrichten zu warten.Willkommen, Willkommen,
keine so passende Begrüßung, aber ich habe einfach an Tribute von Panem gedacht und musste das jetzt verwenden :)
Ich hoffe euch geht es gut und dieses Kapitel gefällt euch.Wie immer interessieren mich besonders eure Theorien ;)
1. Wer ist der geheimnisvolle Mann (oder die geheimnisvolle Frau), die so entschlossen für Grahams Vernichtung kämpft?
2. Will sie Jule wirklich nur gutes?
Also dann, bis bald,
Kuchenstreusel
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Astheneia
WerewolfWas ist wahre Liebe? Jule hat einen Plan vom Leben, doch als Graham plötzlich in ihr Leben tritt, gerät ihre Welt ins Wanken. Und dann trifft sie Ivan wieder. Ivan, der vor zwei Jahren unter mysteriösen Umständen verschwunden ist und dabei Jules Her...