Lesenacht 1. Teil
Camille sah uns verwirrt an.
"Ich werde garnicht erst versuchen das zu verstehen."Sie drängte sich an uns vorbei zum toten Werwolf.
"Ist das einer aus Grahams Rudel?"
Die Frau strich über die Wunde."Sauberer Biss. Du kannst es wohl doch noch", murmelte sie schließlich und packte den Toten an den Schultern.
Ivan trat an mir vorbei und griff nach dem Füßen.
Gemeinsam schafften sie die Leiche aus dem Haus.Eine halbe Stunde später erinnerte nichts mehr an das Massaker in der Küche.
Nur das Fenster war noch zerbrochen, doch Camille hatte bereits einen Handwerker bestellt."Also, jetzt will ich es doch genauer wissen. Du hast wegen ihr diesen Krieg gestartet? Und sie ist nicht deine Seelenverwandten? Ist sie deine Schwester?", fragte sie misstrauisch, doch Ivan schüttelte nur den Kopf und griff nach meiner Hand.
"Sie ist Grahams Seelenverwandten."Camille zog zischend Luft ein.
"Kein Wunder, dass Graham so austickt", murmelte die Frau nur und schüttelte den Kopf. Sie schien Ivan einiges an den Kopf werfen zu wollen, aber sie hielt sich zurück.
"Nun, die amerikanischen Rudel waren noch nie für ihre Frauenfreundlichkeit berühmt", gab Camille schließlich zu.
"Aber bist du sicher, dass ihr das schafft? Dass sie ihm gegenüber nicht doch etwas empfindet?"Ivan begann wieder zu knurren.
"Ruhig Grauer. Ich wollte nur fragen, ob du dir sicher bist, dass du für sie so ein Drama abziehen willst."
Das Mädchen hob beschwichtigend die Hände, doch Ivan fuhr dazwischen."Ich reiß dir gleich den Kopf ab Camille."
Seine Augen hatten sich beunruhiged verfärbt und die Reißzähne standen hervor.Das schien auch Camille zu merken.
Leise schimpfend stand die Werwölfin auf und ging nach draußen."Nimm das nicht so ernst", flüsterte Ivan in mein Ohr. "Camille redet viel Scheiße."
Ich schmunzelte. Tatsächlich hatten mich die letzten Wochen abgebrüht."Also", unterbrach uns plötzlich Camille, "ich hab hier ein paar Knarren für dich. Schwarz, silbern und schweinchenrosa."
Tatsächlich breitete Waffen auf dem Couchtisch aus, doch eine rosafarbene war nicht darunter.Trotzdem war es ein gewaltiges Arsenal und ich fragte mich augenblicklich, wie sie soviele Waffen nach Kanada geschmuggelt hatte.
Unser Zoll schien wohl doch nicht so gut zu sein. Waren die Waffengesetze nicht erst kürzlich verschärft worden?Ivan malte kleine Kreise auf meine Schultern.
"Ich will nur, dass du dich verteidigen kannst", erklärte er schließlich, als er mein Zögern sah.Camille säuberte ihre Fingernägel.
"Ich kann dir ein paar empfehlen, die du dann ausprobieren kannst", meinte sie schließlich und Ivan nickte.Beide warfen mit Modellbezeichnungen und technischen Details um sich und ich schaltete nach wenigen Minuten ab.
Schließlich hatte Camille uns vier Waffen angedreht. "Anfängergeeignet und sicher", wie sie gesagt hatte.
Ich wusste nicht, ob ich ihr dabei vetrauen sollte, aber Ivan drängte mich, sie bald auszuprobieren.
Sobald die europäischen Wölfe ankamen, würde der Kampf beginnen.
Er meinte, dass die Rudelkriege oft viele Opfer forderten und teilweise ganze Landstriche ausrotteten.
Irgendwoher besorgte er dann auch noch eine schusssichere Weste für mich.
Wirklich beruhigt wirkte er trotzdem nicht, als wir in den Wald fuhren."Hast du schonmal geschossen?", fragte er nachdenklich und ich schüttelte den Kopf.
Ich fühlte die altbekannte Übelkeit in mir aufsteigen, doch als wir auf der Lichtung ankamen, beruhigte sich mein Puls etwas."Weißt du noch?", murmelte Ivan plötzlich und lächelte.
Das war der Ort, an dem er mich geküsst hatte.
Ich nickte und merkte augenblicklich wie meine Wangen sich röteten.Auch wenn heute statt Sterne nur die Sonne am Himmel stand, hatte der Platz nichts von seiner magischem Atmosphäre eingebüßt.
Einige Augenblicke lang blinzelte ich einfach dem Licht entgegen und hörte einem aufgebrachtem Vogel zu, bevor Ivan mich zu sich winkte."Das hier ist Grahams Revier und der wird uns wohl kaum wegen ein paar Schußlöchern den Behörden ausliefern wollen", erklärte er noch und zog eine Waffe aus seinem Rucksack.
"Ich schieße eher selten, wenn dann mit Scharfschützengewehren, aber diese Waffe ist mein absoluter Liebling."
Bevor ich es überhaupt realisiert hatte, ertönte ein lauter Knall und ein Schußloch prangte in dem Stamm der Tanne vor uns.
"Für einen Anfänger hat sie jedoch relativ viel Rückstoß", fügte Ivan hinzu und griff nach einem Revolver von Camille.
"Hier", sagte er nur und drückte ihn mir in die Hand, "versuche es selbst. Du musst mit beiden Händen greifen und daran denken, dass die Waffe etwas Rückstoß hat."Entsetzt befühlte ich das kühle Metall und den Plastikschaft.
Der Revolver war leichter als ich erwartet hätte.
Vorsichtig richtete ich die Mündung auf den Baumstamm und drückte ab.
Der Rückstoß ließ mich einen Schritt zurückstolpern, aber wenigstens hatten alle meinen ersten Schussversuch überstanden.
Leider war auch die Tanne heil geblieben. Die Kugel steckte einige Meter weiter hinten im Boden."Gar nicht so schlecht", gab Ivan zu.
"Für einen ersten Versuch."
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Astheneia
WerewolfWas ist wahre Liebe? Jule hat einen Plan vom Leben, doch als Graham plötzlich in ihr Leben tritt, gerät ihre Welt ins Wanken. Und dann trifft sie Ivan wieder. Ivan, der vor zwei Jahren unter mysteriösen Umständen verschwunden ist und dabei Jules Her...