Kapitel 25

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Es war vorbei.
Die Kreatur witterte das Blut der gefallenen Krieger und ihr Körper erbebte.
Erinnerungen drifteten an ihr vorbei, doch sie achtete nicht darauf.
Nur eines zählte noch.
Der Werwolf fletschte die Szene und knurrte.
Er wollte Blut.
Seine Träume waren erfüllt von dieser warmen, roten Flüssigkeit, die aus ihren Kehlen rinnen würde.
Er konnte das Brechen ihrer Knochen bereits hören.
Nur ein wenig Geduld, dann würde er das Fleisch seiner Kameraden kosten dürfen.
Und ihr Fleisch.
Speichel triefte von seinen Lefzen.
Vielleicht war es noch nicht zu spät.

*

"Es ist vorbei. Endlich", hauchte er.
Ich drückte Ivan einen Kuss auf die Lippen und griff nach seiner Hand.

Wir saßen in einem Gerichtsaal.
Dunkle Holzverkleidungen zierten die Wände und die Stimmen der Werwölfe hallte von den Decken.
Die Fackeln warfen harte Schatten auf die Gesichter der Anwesenden, doch Florence hatte ihre Wärme nicht verloren.
Die junge Frau saß mit durchgedrückten Rücken in der Mitte des Saals.

"Mit wem haben sie zusammengearbeitet?"
Louis zuckte bei der Stimme des Richters zusammen, doch er verbarg seine Gefühle hinter einer Maske.
Nur selten glänzten seine Tränen im Flackern der Flamme.

Florence faltete die Hände und sah sich um. Als sie sicher war, dass der ganze Saal ihr die Aufmerksamkeit schenkte, grinste sie.
"Graham."

Wieder zuckte Louis zusammen.
Es musste eine grausame Folter sein, seine Geliebte an seine Feinde zu verlieren.

Auch Ivan umklammerte meine Hand fester.
Sein Atem raste.

"Erläutere das bitte genauer."
Auch der Richterin fiel es sichtlich schwer ruhig zu bleiben und der starke französische Akzent machte es schwer ihre Worte zu verstehen.
Sie war die Betawölfin in Louis' Rudel, doch ich hatte sie noch nie zuvor gesehen.

"Was gibt es hier zu erläutern?"
Florence sah mit unschuldigem Blick in die Runde.
"Ich habe euren Anführer belogen und ihn seine Verbündeten verraten lassen."

Louis zischte etwas, doch seine Stimme ging im Buhen der Anwesenden unter.
"Tötet sie", war von allen Seiten zu vernehmen.
Ein kalter Schauer überlief meinen Rücken.

"Lasst sie weitersprechen", knurrte die Betawölfin nun und zeigte den Zuschauern ihre Reißzähne.
Sie blitzen zwischen den dunkelroten Lippen hervor wie eine stumme Drohung.

"Ich habe nichts mehr hinzuzufügen", entgegentet Florence und spielte mit ihrem Kugelschreiber.
Ihr Blick wich dem der Anwesenden aus, doch der Ausdruck auf ihrem Gesicht wirkte keineswegs ängstlich.
Nein, der Triumph strahlte aus ihr.

"Wieso?" Die Richerin räusperte sich. "Wieso habe Sie das getan?"
Sie musste lange auf eine Antwort warten, doch schließlich seufzte Florence.

"Das ist eine lange Geschichte, die keinem von euch gefallen wird", warnte sie mit einem Grinsen auf den Lippen.
"Graham und ich sind uns in Frankreich begegnet. Er hat Urlaub in Paris gemacht und ist in der Fußgängerzone an mir vorbei gelaufen."

Louis vergrub das Gesicht in den Händen.
Stumm schüttelte er den Kopf.

"Wir haben uns sofort gut verstanden und so hat schließlich eins zum anderen geführt.
Eigentlich hatten wir nur einen One Night Stand geplant, doch bis zum Ende seiner Ferien lebten wir gemeinsam in meiner Wohnung in Paris."
Florence sah mit träumerischer Miene zur Decke, während die Zuschauer tuschelten.
Sie alle beobachten Louis, der sein Gesicht immer noch verborgen hielt.

"Dann ist er gegangen", hauchte sie. Wut trat in seine Stimme.
"Ich wollte ihn wiedersehen, ihn wieder küssen, ihn heiraten.
Doch er wollte nur dich."
Ihr Blick erdolchte mich förmlich.
"Nur dich."
Florence spuckte auf den edlen Fischgrätboden.

Dann lachte sie.
"Aber ich dachte, dass sich das sicherlich ändern könnte.
Besonders nachden du ihn abgewiesen hattest. Louis spielte mir nur in die Hände.
Er ist naiv, weißt du?
Ich könnte ihn nie lieben."
Ein Raunen ging durch den Saal, doch dann wurde es still.
Louis Atem fühlte den ganzen Saal.
Er verbarg die Tränen, doch sein Rücken erbebte.

"Jetzt ist es aus. Ihr habt Graham getötet.
Nein, nur du hast ihn getötet. Aus Eifersucht.
Du hast das Band meiner, unserer wahren Liebe zerschnitten, du Egoistin", brüllte Florence, doch der Sicherheitsdienst sprang auf und packte sie.
Sie zeterte immer noch, als sie bereits aus dem Saal gezogen wurde und zurück blieben nur schreckensbleiche Gesichter.

Alle schwiegen.
Die Wahrheit war zu verstörend, um sie in Worte zu fassen.
Nur Florences kranke Liebe hatte die Allianzen zerschlagen und so vielen Werwölfen das Leben gekostet.

Schließlich griff Louis nach seiner Jacke und stand auf. Sein Rudel tat es ihm gleich.
Auch sie Gespräche zwischen ihnen verstummte und machten einet drückenden Stille Platz.

"Lass uns gehen", bat ich, doch Ivan hielt meine Hand weiter unklammert.
Er reckte den Kopf in die Luft und schloss die Augen.

"Warte", raunte er mir zu.
"Irgendetwas stimmt hier nicht."

Wieder wünschte ich mir die übermenschlichen Sinne eines Wolfs und beobachtete meinen Freund schweigend.
Der Ausdruck auf seinem Gesicht war konzentriert, wurde aber mehr und mehr durch Wut abgelöst.
Oder war das Angst?

Ivan öffnete die Augen.
"Er ist hier."
Der Satz trieb mir Gänsehaut über den Rücken.

"Graham", hauchte ich, doch Ivan presste mir sie Hand auf den Mund.

"Hörst du das?" Er deutete auf die Tür.
Nur noch wenige Wölfe befanden sich noch im Saal, doch sie räumten auf und so war die Eingangstür verschlossen.
Das Eichenholz blockte die Geräusche.

"Nein."
Im selben Moment erklang ein Schrei, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.

"Theodore ist tot", flüsterte Ivan.
Seine Miene fror ein.

Auch die Werwölfe im Raum wuselten herum und brüllten sich an.
Schließlich knackte die Tür und sie warfen sich hinter das Rednerpult.
Auch Ivan zog mich herunter.

"Er kommt. Mach ihn mit keinem Geräusch auf dich aufmerksam, versprich mir das", forderte der Werwolf. Ich konnte seine Stimme nicht deuten, doch ich nickte.
"Danke."
Er zog mich an sich und gab mir eine  langen Kuss.

"Ich liebe dich."
Die Tür brach auf und Ivan machte einen Satz über den Stuhl.

"Hier bin ich, Monster."
Ein langgezogenes Knurren erklang.

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