Ich will hier mal eine kleine TW (Triggerwarnung) anbringen. Für empfindliche oder traumatisierte Menschen ist dieses Kapitel möglicherweise nicht gut geeignet.
Es ist trotzdem jugendfrei und ich werde alle wichtigen Ereignisse später zusammenfassen (ihr könnt auch runterscrollen und gucken, ob ihr euch das zutraut) .
Der kursive Text ist davon übrigens nicht betroffen.Der Mann knöpfte das verschwitzte und verdreckte Hemd auf und streifte es ab.
Angstschweiß fremder Menschen und Modergeruch hafteten im Stoff.
Er strich über die dunkelroten Narbe, die sich über seine Seite zog.
Eine Bisswunde.
Sie war noch nicht lange geschlossen und der Werwolf wusste, dass auch seine Selbstheilungskräfte für eine restlose Heilung lange brauchen würden.
Der Russe hatte scharfe Zähne bewiesen.Das Herz des Mannes schmerzte bei diesem Gedanken fast. Fast.
Er presste die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf.
Er hatte alles, was er wollte.
Was begehrte er mehr?
Die flüsternde Stimme in seinem Inneren, die ihn so an den eiskalten Alpenwind von damals erinnerte, ignorierte der Werwolf.
Sein Gewissen war schon seit langem tot.Niemand würde ihm mehr im Weg stehen.
Erst recht nicht Graham, dieser verzogene amerikanische Schoßhund.
Ein grausames Lächeln umspielte sich über seine Lippen.
Oh ja, Graham würde ihn fürchten lernen."Jule", brüllte Grahams Stimme von unten und ich beeilte mich seinem Wunsch Folge zu leisten.
Die letzten Wochen waren anstrengend gewesen.
Graham und ich entfremdeten uns weiter, er weigerte sich mit mir über seine Arbeit und das Rudel zu sprechen und ich hing mit meinen Gedanken nur bei Ivan.Ich hatte nicht nur einen besten Freund verloren, Ivan war ein Bruder für mich.
Und zuletzt war da mehr.
Meine Lunge verkrampfte wieder, doch da hörte ich Grahams Schritte auf der Treppe."Was ist denn jetzt schon wieder?", erboste er sich. Wieder fiel mir auf, wie sehr er sich doch veränderte.
Die tiefen Augenringe und den aschfahlen Hautton hatte ich während der Schulzeit nie an ihm gesehen.
Und wieder fragte ich mich, ob der Wahnsinn immer noch in ihm wuchs, wie ein Unkraut, dass den Garten langsam verschlang.
Ja, es zerfrass ihn, auch wenn ich mir das nicht eingestehen wollte."Jule? Hörst du mir überhaupt zu?"
Ein wissendes Grinsen erschien in seinem Gesicht, doch es konnte die Eifersucht nicht verbergen.
"Ist es wieder wegen Ivan?"
Ich schwieg und sah zu Boden.
"Hab ich recht?"
Er legte einen Finger unter mein Kinn.
Seine Augen glommen im Kerzenlicht des Kronenleuchters, doch das warme Licht ließ ihn noch kälter wirken.
Höllenfeuer, dachte ich nur."Antworte", brüllte er plötzlich.
Sein Atem stank und ich meinte, Alkoholgeruch zu erkennen.
Er hatte noch nie getrunken."Ja", flüsterte ich.
Es hatte keinen Zweck zu lügen, Graham hatte feine Sinne und seine Intution war untrügerlich.Der Werwolf ballte eine Faust und musterte die hervortretende Adern.
"Ich hatte es befürchtet", flüsterte er ungewöhnlich sanft.
"Nein, ich habe es gewusst." Innerhalb von Sekundenbruchteilen war seine Stimme wieder eiskalt geworden.Bevor ich etwas entgegnen konnte, schlug er zu.
Seine Faust traf meinen Wangenknochen.
Ich stolperte zurück und sank an der Wand zusammen.
Noch spürte ich den Schmerz nicht, doch der Schock saß tief.
Das war nicht der Graham, den ich kannte doch jetzt war ich nicht sicher, ob ich ihn je gekannt hatte.Als ich aufsah, war der Werwolf bereits nach unten gegangen.
Ich hörte die Haustür zuschlagen.
Was war nur geschehen?
Meine Finger tasteten an meinem Gesicht entlang, doch ich spürte überhaupt nichts mehr.
Die Taubheit breitete sich auf meine Gedanken aus und als ich aufstand, wäre ich fast gestürzt. Ich war schwach, erschreckend schwach.
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Astheneia
WerewolfWas ist wahre Liebe? Jule hat einen Plan vom Leben, doch als Graham plötzlich in ihr Leben tritt, gerät ihre Welt ins Wanken. Und dann trifft sie Ivan wieder. Ivan, der vor zwei Jahren unter mysteriösen Umständen verschwunden ist und dabei Jules Her...