36. Kapitel

1.7K 65 4
                                    

Mir stockte der Atem, und ich schaute gedankenverloren auf den Zettel in meiner wie verrückt zitternden Hand. Es schien so, als würde die Zeit stehenbleiben. Mitten in meinem Raum stand ich, meine nackten Füße berührten den Fliesenboden, und ich spürte, wie unangenehm sich eine Gänsehaut bei mir bildete. Mein Kopf drohte zu platzen, als sich mehrere Fragen dort drin häuften und ich mit meiner Luft in den Lungen kämpfen musste. Dieser Moment - es ähnelte wie einer Szene eines Horrorfilmes. Mein Vater, mein eigener, toter Vater, hatte einen Vaterschaftstest beantragt. Und zwar nicht wegen irgendeinem Kind - es war Kaan. Ich wusste nicht, was in dem Moment der Furcht schlimmer für mich zu sein schien, entweder, dass mein Vater meine Mutter betrogen hatte, oder Kaan mein Bruder sein könnte. MEIN BRUDER! Das klingt so absurd.

Einige salzige Tränen bildeten sich in meinen braunen Augen, bis sie bis zum Rand voll waren, und sich nun für den freien Weg bereit machten, und darum kämpften. In Binnen von Sekunden spürte ich eine warme Träne, die sich über meine Wange hinwegzog und ich kämpfte mit mir selber, dass nicht noch eine Träne mein Auge verlässt.

Schnell ließ ich den Zettel auf meinem Tisch, und bemühte mich, stark zu sein. Tief atmete ich ein und aus, ging aufgebracht durch das Zimmer hin und her, und hielt mir meine Hände an den Kopf. ,,Das ist doch nicht wahr, ich bilde mir das nur ein", flüsterte ich zu mir selber und hyperventillierte fast, da ich zu stark atmete, zu schnell. Mein Herzschlag hämmerte in einem lauten Rhythmus gegen meine Brust, dass die Stelle dort, schon etwas anfing, zu schmerzen.

,,Ariana Abla, was ist denn los?", hörte ich plötzlich eine hohe, süßliche Stimme hinter mir, und ich drehte mich blitzschnell um, und schrie leise auf, als ich in das Gesicht von Ayla schaute. Auch atmete ich erleichtert durch, und fragte mich selber, ob ich eigentlich verrückt bin.

,,Ehm, nichts mein Engel. Wa-as machst du denn hi-ier?", fragte ich sie außer Atem und bückte mich zu ihr runter, um ihr Gesicht zu sehen. ,,Ich kann nicht schlafen.", sprach sie in abgewichener Stimme und senkte ihren Blick. Ich atmete tief durch und nahm sie in meine Arme, woraufhin ich sie in mein Bett neben mich legte, und in ihr schönes Gesicht schaute. Ich sah ihr Lächeln auf ihrem Gesicht und wisst ihr was? Ich beneidete sie. Sie ist 5 Jahre alt, ihr Leben ist noch lang, sie hat noch vieles vor ihr, und vor allem eins beneidete ich - sie hat ein leichtes Leben, ein Leben ohne Probleme, ohne Trauer. Ich sammelte mich kurz und erzählte ihr eine Gute Nacht Geschichte, bis sie nach der Hälfte einschlief, und ich die ganze Nacht in Gedanken war..

[...]

Rrrrriiiinggg. 6:45, mein Wecker klingelte, und mühsam beugte ich mich zu ihm und stellte ihn aus, um Ayla neben mich nicht zu wecken. Gähnend rappelte ich mich aus meinem Bett, leise, und spürte Schmerzen in meinem Herz, denn ich habe die Szene von gestern nicht vergessen. Blitzschnell versuchte ich den Gedanken daran aus meinem Gehirn zu entfernen und ging Richtung Bad, um mein Gesicht zu waschen. Wisst ihr, es ist verrückt, mein Leben ist verrückt, es ist geprägt von Momenten, meistens sind es welche, die mich von jeglicher Kraft entziehen, es gibt welche, die mich schwach machen und ich würde in diesem jenen Moment nichts mehr, als meine Augen für immer zu schließen. Bereits in der Kindheit, habe ich das Trauma durchlebt, und seit dem Tod meiner Eltern scheint es, dass nichts in meinem Leben besser werden würde. Im Gegenteil - es häuft sich zu Ängsten und Trauer. Ich sage es nicht gerne, aber mein Leben ist davon geprägt. Von Trauer, Tränen. Natürlich gibt es auch einige Glücksmomente, ja, es gibt Menschen, die mich zum Lächeln, oder Lachen bringen. Doch es sind nur spezielle Menschen, die genau das schaffen - Ebru, Ayla, meine Tante, mein Bruder. Und wisst ihr, den nächsten Namen zu erwähnen, davor habe ich gewaltige Angst, denn ich weiß nicht, was dieses Gefühl zu ihm ist. Dieses Gefühl, von Vertrauen, Glück, Leben. Sinan, er ist es, dem ich Vertrauen geschenkt habe, und er ist es, dem ich schon zu oft zu nah gekommen bin. Doch eine Frage stelle ich mir: Ist es falsch? Ist es falsch, so zu denken? Darf ich jemals glücklich werden?

Schicksal führt zusammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt