56. Kapitel

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Die große Liebe, oder die Familie?

...

Ich schloss den Koffer, und betrachtete ihn von der Seite. So leer wie dieser war, hatte ich noch keinen gesehen, er besaß nur einige Klamotten von mir, so manche Bücher und die Box.

Die Box von ihm, Sinan. Allein an diesen Namen zu denken, ließ mein Herz viel zu schnell schlagen und mich an das Ereignis vor ein paar Tagen erinnern, an dem wir brutal voneinander getrennt wurden.

Dabei bekam ich Haufen von Tränen in den Augen, wie werde ich das jemals vergessen?

Er ist fort, im Gefängnis, und das für immer. Das schlimmste war, dass ich nicht wusste, wo er sich befand. Niemand erzählte es mir, jeder wollte dass ich nach vorne schaue, und ihn vergessen sollte.

Doch wie? Er war es nicht. Er hat meine Eltern niemals umgebracht, ich glaube ihm.

'Ich werde mich niemals in eine andere verlieben.', hatte er gesagt, und allein dieser Satz hatte mein Herz aufglühen lassen, ich vertraue ihm blind, und ich konnte einfach nichts tun, um ihn zu retten.

Doch - kämpfen!

Ich hatte die ganze Nacht überlegt, zu kämpfen, doch wer würde mir verliebtes Mädchen auch nur ein kleines Wort glauben? Wenn ich für den 'Mörder' meiner Eltern plötzlich sprechen würde?

Was würden die Menschen, vor allem meine Familie denken?
Was würden meine Eltern denken? Darauf gibt es eine knappe Antwort, die simpel war:

Sie wären enttäuscht von mir.

Ich biss mir auf die Lippe und starrte noch immer um her. Meine Atemzüge gingen schon lange nicht mehr normal, und meine Gedanken waren nicht eintönig.

Ich dachte und dachte nach, was ich tun sollte, ich befand mich einfach in einer Zweckmühle.

Sollte ich einfach nach Köln zurück und Sinan ein für alle mal vergessen? Nein.

Bei diesem Gedanken lief mir ein kalter Schauder über den Rücken, und meine Hände fingen an zu zittern. Wie soll ich bitte ohne ihn leben?

Ich musste etwas tun, doch was?

Um mich abzulenken, setzte ich mich vor das Klavier, dass in meinem Zimmer stand. Ich liebte es schon immer zu spielen, es prägte meine Kindheit, doch seitdem meine Eltern gestorben waren, habe ich mich nicht einmal dazu gebracht, eine Melodie zu spielen.

Es war ein besonderer Moment, als meine Finger abwechselnd über die weißen und schwarzen Tasten umhergingen, ich schloss die Augen und spielte irgendeine Melodie, die mir gerade in den Sinn kam.
Um so bedeutender wurde es, als ich an ihn dachte, seine Gesichtszüge, seine Grübchen, seine wunderschönen Augen. Wie er lachte wenn er mich ansah, wie er mich küsste, und wie er mir 'Ich liebe dich' flüsterte. Bei der erstaunlichen Melodie entstand ein Song, der mein Herz berührte, und alles um mich herum vergessen ließ.

Der letzte Ton spielte an, und meine Finger wurden langsamer, bis die Tasten letztendlich verstummten.

»Ariana, bist du fertig?«, kam es plötzlich von meinem Bruder und unscheinbar nickte ich, ohne ihn anzusehen. Ich musste erstmal zu mir kommen, das Klavier spielen war etwas sehr bedeutsames für mich. »Ja sofort.«, flüsterte ich, und mein Bruder kam einige Schritte auf mich zu.

»Du hast gespielt?« Ich nickte. Ohne etwas zu sagen legte er seine Arme um mich und zog meinen Duft ein, das war das was ich am meisten brauchte, lediglich eine Umarmung, ohne ein einziges Wort.

Ich schloss meine Augen, wie wichtig er mir einfach nur ist...

Ich hörte noch weitere Schritte ins Zimmer kommen, ich ging zwar davon aus dass es Cemre war, doch dann ergab sich, dass es eine männliche Person war.

Schicksal führt zusammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt