39. Kapitel

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Diese Sicherheit, die ich verspürte, war einzigartig und unbeschreiblich zugleich. Seine muskulösen Arme waren um meinen feinen Oberkörper geschlungen, so, als würde er mich niemals gehen lassen wollen. Die verliehen mir nicht nur Sicherheit von außen, nein. Seine Umarmung ließ meine Gedanken verrückt spielen, und mein schneller, jedoch auch unerwarteter Herzschlag machte sich hörbar. Und das aus diesem Grund, weil er in meiner Nähe war, mir mit seiner Zuneigung jede Angst und jede Unsicherheit nahm. Auch jede Sorge, die ich in diesem Moment, als ich von der Leiter fiel und nur an meine Eltern dachte, spürte. In dem ich an nichts anderes denken konnte, und trotzdem schaffte er es, mich zu entspannen. Als wäre er mein eigener Schutzengel, der die Aufgabe hat, mich zu beschützen. Wisst ihr, als Kind glaubte ich stark an der Existenz der Schutzengel. Einst habe ich gedacht, dass sie im Himmel verweilen und jeder eine Person im Visier hat, um Ihnen Schutz zu bieten. Doch als ich 12 Jahre alt war, setzte sich meine Mutter an meinen Bettrand, nachdem ich einen schlechten Traum hatte und sagte: >>Qika jem, irgendwann wird sich eine Person in deinem Leben finden, die dich so sehr liebt, und die dich vor allem beschützen kann und dich aufmuntern kann. Vor dem Bösen. Wenn diese Person in jeder schlechten Situation deines Lebens teilhat, dann sei dir sicher, für diese Person ist es Wert, alles zu tun. Es wird dein Schutzengel.<< (Meine Tochter)
Damals, mit meinen 12 Jahren, habe ich es nicht verstanden. Teils, dass ich zu Jung war, doch auch, weil ich keine Erfahrung damit hatte, einen Schutzengel zu besitzen. Ich war mir nicht sicher, ob Sinan mein Schutzengel sein könnte. Aber wer soll es sonst sein, oder wer wird es sein?? Wie wird meine Zukunft aussehen?? Kann ich Sinan jemals die Liebe zurückerwidern??

Minutenlang verweilten wir in der innigen Umarmung, und ich hörte vorerst auf den schnellen Herzschlag von ihm, aber auch auf seine Atemzüge. Es war das einzige, was ich in dem Moment fokussierte und wahrnahm. Und in diesem Moment, konnte ich kein einziges Wort aus meiner Kehle herausbringen, was mir nicht unangenehm vorkam, da ich diesen Moment genoss.

,,Willst du mich heute noch loslassen?", fragte er flüsternd und ich bemerkte, dass er dabei grinste. Augenblicklich schoss mir die Röte ins Gesicht und ich legte meine Arme von seinem Rücken weg, um ihn anschließend anzuschauen. Doch dies gelang mir nicht wirklich, da ich andauernd erneut auf den Boden schaute. ,,Hey'', flüsterte er und legte seine Hände um meine weichen Wangen, die glühten. Meine Augen erblickten nun seine grüne Farbe seiner Augen. ,,Ich werde immer für dich da sein. Ich wusste, dass etwas nicht stimmt und bin dir gefolgt. Und zu den drei Wörtern, mit den insgesamt 12 Buchstaben, werde ich später noch zugreifen. Du hast etwas romantisches verdient." Sekundenlang schaute ich noch in seine leuchtenden Augen, bis ich dann ablenkend erneut auf das Baumhaus schaute. Zwar konnte ich jetzt nur noch an Sinan achten, doch ich musste daran denken, wofür ich hier war. ,,Ich muss da hoch.", kündigte ich an, und merkte, wie seine Mundwinkel sich nach unten zogen und er tief ein und ausatmete. Ich konnte nicht definieren, was es für ein Gesichtsausdruck war, doch es schien so, als wäre seine leuchtenden Augen von gerade, die Farbe verlieren.
Es tut mir Leid, sagte mein Inneres und ich presste meine Lippen aufeinander, um mich nun richtig auf die Leiter zu konzentrieren, doch so leicht wie es schien, war es nicht. Mein Gehirn fokussierte immer noch Sinan und ich atmete tief ein und aus, richtete mein Blick auf die aus Holz bestehende Leiter, bis ich einen Fuß auf die erste Sprosse legte. ,,Ich bin hinter dir.", sprach er, und die Angst, die sich erst in meinem Körper befand, wurde mit einem Schutz umhüllt. Ja, in seiner Nähe fühlte ich mich sicher, und ich brauchte nichts zu befürchten. Mein Herz befand sich zwar immer noch auf Hochtouren, doch ich versuchte mich zu konzentrieren.
Nach gefühlten Stunden kam ich ganz oben an und betrat den kleinen Raum, der etwas zu gering war. Meine Augen schauten sich etwas um und ich bemerkte einige Stühle, die in dem kleinen Baumhaus in verschiedenen Farben verteilt waren. In einer Ecke waren einige Kissen, und überall auf den Boden waren Zettel verteilt, die wir als Kinder gemalt hatten. Mein Atem wurde wegen den traurigen Erinnerungene schneller und ich spürte, wie Sinan eine Hand auf meinen Rücken legte, und mir einige sanfte Worte zuflüsterte, die mich aufmuntern sollten. ,,Was suchst du hier?", fragte er nach einiger Zeit, während sich meine Augen kurzzeitig mit warmen Tränen füllten. ,,Einen Schlüssel.", flüsterte ich mit brüchiger Stimme, die anfing, nachzulassen. Weiter schaute ich in jede Ecke von dem kleinen Raum und achtete auf ein silbernen Schlüsselanhänger, doch ich fand ihn nicht, bis ich mich verzweifelt auf einen der kleinen Stühle setzte, und ein wenig den Staub abwischte. Ich ließ meinen Gedanken freien Lauf, und bemerkte auch vorerst nicht, dass sich Sinan neben mich gesetzt hatte. Durch ihn konnte ich mich nicht konzentrieren, denn wenn er in meiner Nähe war, konnte ich nichts anderes als ihn fokussieren. Ich bewegte mich einige Male hin und her auf meinem Stuhl, da ich merkte, was für eine unangenehme Stille herrschte und was für eine Wirkung er auf mich hatte, bis plötzlich ein Geräusch ertönte, der mich aufzucken ließ. Ein klimperndes Geräusch, wie als wäre ein Schlüsselbund auf den Boden gefallen und augenblicklich bewegten sich meine Augen auf den Holzboden. Tatsächlich befand sich dort ein Schlüsselbund, und ich fragte mich, woher er kommen würde.
,,Er ist aus dem Fach deines Stuhles gefallen.", bemerkte Sinan, und mein Mund öffnete sich, geschockt, und direkt schnappte ich mir den Schlüsselbund, der mit einem Anhänger versehen war. Langsam strich ich mit einem Daumen über den silbernen Stein, wo unser Nachname eingraviert war, und automatisch, füllten sich meine kleinen Augen mit salzigen Tränen, und versuchten, es nicht zu verlassen, was jedoch unmöglich war. Ich atmete aus und sprach: ,,Lass uns runter gehen." Ich schaute ihn nicht an und versuchte nun langsam und konzentrierend erneut, die Leiter nach unten zu erreichen und atmete wieder aus, als ich den mit Gras bedeckten Boden betrat. Sinan folgte mir und mit langsamen Schritten bewegte ich mich zu unserer alten Haustür, in Gedanken versunken. ,,Ariana, warte", ertönte plötzlich seine raue Stimme hinter mir, und ich blieb stehen, ,,Vertrau' mir bitte. Erzähl' mir was los ist." Er drehte mich zu ihm, sodass ich in diesem Moment gezwungen wurde, in seine grünen Augen zu schauen. Mein Gesichtsausdruck blieb jediglich ernst, während seiner mitfühlsam und leidend aussah. Er griff nach meinen Händen und strich langsam über sie. ,,Lütfen", forderte er und meine Augen bewegten sich zu unseren ineinanderverschränkten Händen. ,,Ich muss da rein.", flüsterte ich, ließ seine Hand widerwillig los, und drehte mich um. Eine Träne verließ mein Auge, denn obwohl ich wusste, wie sehr ich ihn verletzt habe, in diesem Moment, habe ich mich trotzdem gegen ihn entschieden. Wofür hättet ihr euch entschieden?? Bin ich etwa zu naiv? Wer steht an erster Stelle? Mein Verlangen, nach der familiären Wahrheit, oder meine wahrscheinlichst große Liebe??
Ich presste meine feuchten Lippen aufeinander und schlenderte in kleinen Schritten weiter, hörte jedoch Sinan nicht mehr hinter mir. Ich zwang mich, nicht zurückzuschauen und verfolgte mein Ziel, bis ich vor unserem großen, damaligen Eingang stand und die weiße Tür anstarrte. Allein diese Tür besaß so viele Erinnerungen, die mein Herz versuchte wegzudrängen. Denn es flüsterte mir andere Sachen in mein Ohr. Es wollte nicht, dass ich Sinan vernachlässige, es wollte, dass ich ihn vertraue, und ich wusste, dass es das richtige war. Doch eine Sache stand mir wie immer im Weg: mein Verstand.

Schicksal führt zusammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt